Eigentlich große Schweden – Meine Kleine Deutsche im Theaterkeller
von Fernseherin am 10. Januar 2010 veröffentlicht in MusikDie Matinee im Theaterkeller geht am Sonntag, dem 17.01. in die zweite Runde. Diesmal haben sich die Veranstalter Meine Kleine Deutsche aus Stockholm angelacht, die auf ihrer Deutschland-Tour zwischen Köln und München hier halt machen. Damit serviert uns der Theaterkeller das erste musikalische Highlight des Jahres in dieser Stadt. Auch wenn wahrscheinlich 99 Prozent unserer regelmäßigen Besucher_innen ein starkes Bedürfnis verspüren den Namen dieser Combo zu besprechen, lasse ich es an dieser Stelle sein, einfach nur deshalb weil ich es kann. Stattdessen beantworte ich im folgenden einige relevante Fragen:
Meine Kleine Deutsche? Was machen die denn so für Musik?
Meine Kleine Deutsche spielen recht einfach und unaufgeregt dahergroovenden und leicht wavigen Post Punk mit unaufdringlichen elektronischen Versatzstücken, die teilweise aus dem Pop der 80er Jahre entlehnt sind. Dabei lassen sie jedoch klar den Gesang und die E-Gitarre im Vordergrund, während das Schlagzeug tight dahertuckert. Dabei spielen sie niemals zu viel, sondern genau das was passt und das auch noch grundsolide. Man kann das auch lahmarschig finden, doch dieser Ausdruck wird der Band nicht gerecht. Wer zu faul ist den Link anzuklicken und sich das sebst anzuhören sei mit einem abgedroschenen aber dafür leicht verständlichen Vergleich bedient: Meine Kleine Deutsche vereinen aus meiner Sicht Sound-Elemente von sehr verschiedenen Bands wie The Knife (Gesang), The Death Set (Groove, jedoch nicht Hektik) und streckenweise den frühen Sonic Youth (sahnige Gitarre, jedoch ohne das gelegentlich Abtillen). All das sind, auch wenn ich insbesondere den Gesang bei The Knife eigentlich nicht mag, gute Referenzen. Mal im ernst: bei Meine Kleine Deutsche passt die leichte stimmliche Schräglage auch in den mehrstimmigen Sequenzen einfach wunderbar ins musikalische Konzept, auch wenn sie bei empfindlichen Gemütern beim ersten Hören Kopfschmerzen auslösen kann.
Ich bin ein introvertiert-intellektueller Musiknerd, daher sind mir auch die Texte wichtig. Wovon singen die denn so?
Vor einigen Monaten durfte ich die Band bei einer kleinen intimen Show in Kassel bewundern. Und wie sooft auf Konzerten habe ich kaum ein Wort verstanden. Daher musste ich noch einmal die Konserve bemühen und habe hier ein willkürlich ausgewähltes Textzitat isoliert: „If i had a knife i’d cut you up to see if there is any light“ – Sie wollen also wissen was in uns steckt. Daher kann man nur hoffen, dass bei der Matinee keine Messer zu dem Kuchen ausgegeben werden. Auch andere Themen wie schöne Jungs, deren Blicke unerwünscht sind, kommen in ihren Texten vor. Ganz normale Dinge werden hier besungen, ohne Herzschmerz und große Popgeste. Passt.
Wie wirkt sich der Konzertbesuch auf meine Szene-Credibility aus?
Das hängt wie immer stark von den persönlichen musikalischen Vorlieben und denen des Freundeskreises ab. Wer zu den Leuten gehört, die beim Genuß von Livemusik gerne den Kopf auf die Seite legen und ungerührt dreinschauen, um Desinteresse zu heucheln oder sich nicht ansehen zu lassen, dass die Hose die sie tragen einfach viel zu eng ist, um bequem sein zu können, kann mit dem durch einen Shirtkauf dokumentierten Besuch des Konzerts auf der nächsten Vernissage in Köln oder Friedrichshain durchaus einige Coolnesspunkte sammeln.
Dann ist die Band natürlich auch was für selbst in Bands spielende alteingesessene DIY-Szenehasen, die sich ganz vorne an den Rand stellen können, um dann mit den Händen in den Hosentaschen das ganze Konzert über mitzunicken, und je nach Art des Mißgeschicks während eines Songs entweder das Plektrum aufzuheben oder den Mikroständer wieder richtig hinzudrehen. Außerdem können sie anschließend mit dem bestimmt mit der Band unterwegs seienden Labelchef von Sounds of Subterrania palavern wie alles so ist und vielahnend die kommenden Releases irgendwelcher anderen Bands besprechen.
Wer einfach nur dreadlockschüttelnd barfuß rumhopsen und vom Rest des Publikums dafür verachtet werden will, ist bei diesem Konzert allerdings auch richtig. Denn Mein Kleine Deutsche sind, ich erwähnte es oben, sehr groovy und tanzbar, und vermögen kraft der ihnen verliehenen Gabe, live auch ohne Marshall-Fullstack eine schön zu hörende Wall of Sound zu erzeugen, einige Leute zum tanzen zu bewegen, ohne wirklich eine Tanzband zu sein.
Es zeigt sich: bei einer so guten live-Band entsteht für die verschiedenen Fraktionen im Publikum in puncto Distinktion meistens eine Art Win-Win-Situation. Und die geht bei Veranstaltungen dieser Art in etwa so: alle als cool geltenden Leute sind da und treffen sich, um sich gegenseitig props zu geben. Alle die gerne als cool gelten wollen kommen auch, um sich von den als uncool geltenden abzusetzen, die sich ihrerseits ihrer eigentlich noch viel größeren Coolness versichern, indem sie so richtig Stimmung machen. Es ist also für alle was dabei!
Ich habe gehört es gibt Kuchen…?
Auch bei dieser Matinee wird wieder ein Kuchenbuffet aufgefahren, dessen Nutzung im auch so schon lächerlich niedrigen Eintrittspreis enthalten ist. Wer schelmisch genug ist, angesichts der nationalen Herkunft der Band mit Köttbullar zu rechnen, wird bitter enttäuscht werden. Süßes, wohl teilweise veganes Gebäck von Freund_innen des Hauses passt auch irgendwie besser zum Anlass. Das „16:00 Uhr-Konzert am Sonntag mit Kuchen“-Konzept wurde nach meinem Kenntnisstand nach der letzten Veranstaltung dieser Art mit Patterns und Shokei allseits gelobt. Hoffentlich gibt es diese Matinees in Zukunft öfter. Hoffentlich weiterhin mit so guten Bands.
Beginn des Konzerts ist um 16:00 Uhr, Kuchen inklusive!
und wie cool sind die, die garnicht erst kommen? Eigentlich noch viel uncooler
Ist das jetzt reflexive Coolness, wenn du zu deinem eigenen Artikel fragende Kommentare abgibst?
Nee, Rakete. Da benutzt irgendwer kackfrech meinen nick. Das ist weder angemessen noch lustig, und mir würden dafür einige sehr kreative Beschimpfungen und Bestrafungen einfallen.
Nach dieser glänzenden Ausführung brennt mir folgende Frage immer noch unter den Nägeln: Was, wenn man gegen seinen Willen als cool gilt? Man gerät da, wie mir scheint, schnell in einem Teufelskreis: einmal cool und es gibt kein Entkommen mehr. Nicht kommen oder mit dreadlockschüttelndem Anhang hilft dann auch nicht mehr weiter.
Ich bin ratlos.
Ich habe die „Dirty Dancing“ CD von/seit 2003, ihr blutigen Anfänger.
„Dann ist die Band natürlich auch was für selbst in Bands spielende alteingesessene DIY-Szenehasen, die sich ganz vorne an den Rand stellen können, um dann mit den Händen in den Hosentaschen das ganze Konzert über mitzunicken, und je nach Art des Mißgeschicks während eines Songs entweder das Plektrum aufzuheben oder den Mikroständer wieder richtig hinzudrehen. Außerdem können sie anschließend mit dem bestimmt mit der Band unterwegs seienden Labelchef von Sounds of Subterrania palavern wie alles so ist und vielahnend die kommenden Releases irgendwelcher anderen Bands besprechen. “
mir ist gerade aufgefallen, dass hier wirklich ALLES bis auf das plektrum, genau so abgelaufen ist! hahahahahahahaha!