Sa. 12.07.: In Extremo, Die Apokalyptischen Reiter und Korpiklaani auf der Waldbühne Northeim
von am 7. Juli 2008 veröffentlicht in Blick über den Tellerrand, Konzert, Locations, Termine, Veranstaltungsart

Das Mittelalter. Darüber habe ich mich ja schon mal ausgelassen. Der heutige Blick über den Tellerrand führt nach Northeim zu einer Veranstaltung, die dem Herz des geneigten Mittelalterfans genüge tragen soll. Mitten im finsteren Wald haben irgendwelche Spaten eine Bühne hochgezogen, dort tölpeln zu später Stunde die Bands In Extremo, Die Apokalyptischen Reiter und Korpiklaani umher – das jedenfalls scheint der Plan zu sein.
Ein Abend, der den 5% der Menschheit einen Schrecken einjagen wird. Genau diese 5% der Menschheit besitzen so etwas wie Geschmack und sind derartig kaputtzivilisiert, dass allein der Gedanke an das Mittelalter ihnen einen wohligen Schauer über den Rücken den Laufen lässt. Ich wiederhole mich an dieser Stelle gerne: Das Mittelalter war eine ausgesprochen beschissene Periode. Nichts daran war gut! Es gab keinen Strom, keine Fernwärme, keine Computer, keine E-Gitarren, keine Kreditkarten. Gut – das Benzin war billiger, aber den heute kostbaren Rohstoff nutze man kaum zur Fortbewegung (das Auto existierte höchstens als krudes Teufelswerk), sondern eher goss man den Treibstoff in siedender Form über seine Feinde. Überhaupt war das Folterhandwerk besser ausgebaut, was mit sich führte, dass wenn man zwei und zwei ohne stocken zusammenzählen konnte, man sich schnell gekreuzigt, gerädert oder auf einem Scheiterhaufen wieder fand. Gut heute ist es in manchen Gegenden (Sauerland, Mecklenburg-Vorpommern) nicht viel besser. Aber naja.
In Extremo haben sich der Periode verschrieben und mixen unbrauchbare Folklore mit lahmem Rock. Daraus gerät eine Crossover-Unterart die Bands wie Lolita Nace plötzlich in einem ganz anderen Licht dastehen lassen. Da ist einem der hole Aprés-Ski Crossover á la Guano Apes sogar lieber. Musiker im Umfeld der illustren Truppe tragen oder trugen Namen wie: Das letzte Einhorn, Flex der Biegsame, Sen Pusterbalg, Thomas dem Münzer, dem Morgenstern und der Lutter. Das Instrumentarium besteht neben dem üblichen Gedöhns aus Schalmei, Nyckelharpa, Klangbaum, Hackbrett und natürlich, und Gags klemme ich mir an dieser Stelle: der berühmten Sackpfeife! In Lederfetzen gehüllt flattert die Band so, übrigens überaus erfolgreich, über die Bühnen unserer schönen Welt.
Folgendes lesen wir im Selbstverständnis der Band Die Apokalyptischen Reiter:
„Nach schier endlosen Disputen, dem Verlust von Pitrone, der Hetzjagd nach Inspiration, der Erkenntnis unter einer Schöpfung zu weilen, die Krieg, Tod, Pest und Hungersnot als statthaft empfindet, ersehnten wir, das Fleisch von der Erde zu nehmen, auf das sie abermals unschuldig werde.“
Öhhhhh, ja. Kann ja alles sein. Bevor die Erde unschuldig wird geht es auch für die Reiter nach Northeim. Und auch hier wird der Fan mit allem bedient was sein muss: Lederlätzchen und Zöpfchen im Bart. Schön. In Weimar im beschaulichen Thüringen mixt man das periodisch holprige Gesamtbild noch mit mehr Metal als Rock. Hier wird hoffentlich mit Trinkhorn angestoßen! Gut das Wieland, Herder, Goethe und Schiller das nicht auch noch miterleben müssen was Weimars Kinder da veranstalten. Achja, wenn ich mich hier immer mal wieder über Bandfotos amüsieren musste…da muss ich mich an dieser Stelle stellvertretend bei Seedcake entschuldigen. Mittelalterliche Rockkapellen is the real bandfoto-shit!
Finnische Folklore, auch eine feine Sache. Sicherlich keine Humppa-Piraterie wie wir sie bereits von Eläkeläiset kennen. Die hatten ja gehörigen Witz. Ob Korpiklaani ohne Witz auskommen lässt sich hier kaum sagen. Lassen wir ein Bandinfo sprechen: Waldbewohner spielen Folk-Metal mit traditioneller Instrumentierung für der eine Feierstimmung nach finnischer Tradition. Natürlich auch hier Wacken-Trinkhorn-Kompatibel, neben dem Akkordeon darf auch hier stilecht gebangt werden. Die natur- und waldverbundenen Finnen müssen bei Ihrer Performance derweil aufpassen, nicht über irgendwelche auf der Bühne platzierten Geweihe zu stürzen.

Auf der Waldbühne in Northeim. Wenn es nicht so teuer wäre, würde ich es mir sogar anschauen wollen. Mit Trinkhorn am Gürtel!

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