Manchmal kommen sie wieder: Milemarker!
von John K. Doe am 25. Juni 2008 veröffentlicht in MusikSeit ich mich mit Musik beschäftige, bin ich ausgerechnet glühender Fan der Band KISS! Warum das so ist, dass lässt sich ziemlich schnell beantworten. KISS hatten alles was Rock’N’Roll ausmachte. Sie waren der verkörperte Wahnsinn des aufgeblasenen Rockbusiness. Sie zwängten sich in lächerliche Kostüme und Gene Simmons, wir kennen ihn auch als The Demon, dachte über seinen wachsenden Kontostand nach, während seine 4-Meter-Zunge Blut rotze. Was für eine Band! Aber KISS waren für mich eben auch völlig abstrakt. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, die Band live zu sehen. Das änderte sich schlagartig 1994, als die Band im Original Line-Up und kompletter Schminke erneut auf Tour ging. Ich kaufte 5 Karten und hatte eine großartige Zeit. Mein kleines Rock’N’Roll Puppentheater war Wirklichkeit geworden, dass weder Peter Criss noch Ace Frehley wirklich im Stande waren ihre Instrumente rudimentär zu beherrschen, war mir scheißegal.
Manchmal kommen sie wieder, Bands die großartig waren, die verschwanden. Texas Is The Reason waren letztes Jahr auch wieder da, spielten zwei Shows – zu weit für mich. Portraits Of Past sind im September wieder da, für eine Hand voll Shows – zu weit für mich. Milemarker sind wieder da! Sie spielen etwa 1 km entfernt von mir im T-Keller – nicht zu weit für mich!
Ich befinde mich in der privilegierten Lage, manchmal vorab von derlei Dingen zu erfahren. Als in meinem Email-Postfach vor Monaten eine Mail einging, auf der mehrere Touren verschiedener Bands aufgelistet waren, musste ich stocken. Stand dort wirklich Milemarker?! Die Ohren wurden heiß, die Hände feucht und der Kopf rot!
Auf der Homepage der Band hatte sich seit der letzten LP „Ominosity“ nichts getan. Al Burian war solo unterwegs. Ben Davis ebenfalls, daneben waren alle irgendwie irgendwo anders eingebunden. Im Umfeld der Band entstanden Bands wie Bats and Mice, Ben Davis & The Jetts oder Challenger. Also untätig war hier niemand. Wie denn auch! Denn bei diesen Wurzeln scheint Untätigkeit unmöglich. Wer sich die Mühe machen würde, den Milemarker Stammbaum bis ins Kleinste zu verästeln, dem würde so gut wie jede wichtige Station von Hardcore Mitte bis Ende der 90er begegnen. Die direkten Verwandten könnten erlesener nicht sein. Al Burian kam von Hellbender, Ben Davis von Sleepytime Trio. In den Querverbindungen taucht auf, was bis dato Rang und Namen hatte. Das Personal änderte dabei immer wieder mal. Die ersten beiden Alben „Non plus ultra“ (1998) und „Future isms“ (1999) waren die einzigen, in gleicher Besetzung. In Deutschland erschienen beide Platten übrigens auf dem Hamburger Label Company with the golden Arm, dessen Boss nicht nur mein, sondern auch Milemarkers persönlicher Guru ist. Auf der CD-Version von „Non plus ultra“ fanden sich Multi-Media Inhalte, bis dahin ein Novum auf den gewohnten Hardcore -Formaten. An bestehenden Auffassungen was Hardcore angeht, waren Milemarker kaum interessiert – hier sollte alles einen Schritt weitergehen. Selbst die meisten kleinen Hardcorearschlöcher, verliebt in ewiges Wiederkäuen von bereits gehörtem, konnten sich damit ziemlich gut arrangieren. Von Anfang an experimentierte die Band dabei mit verschiedenen Sounds und setze Videoprojektionen ein. Eine völlig überzeugende Live-Band!
Auf „Frigid forms sell“ (2000) stoßen Roby Newton und Sean Husick zur Band. Bis dato unbeschriebene Blätter. Genau auf diesem Album schlugen die neuen Einflüsse vollends ein, reichlich wird mit Electrosounds herumgespielt und in Sachen Post-Hardcore ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. Danach ist auf Milemarker weiter Verlass, wenn es um irritierende Sounds geht. Auf dem Nachfolger „Anaesthetic“, nur ein Jahr später ist Ben Davis nicht mehr
dabei – besonders auf den reichlichen Touren zeigt sich die Band als außerordentlich umbesetzungsfreudig. Mit „Shrink to fit“ gibt es auf Anaesthetic“ meinen persönlichen Milemarker Lieblingssong. Danach werden Milemarker immer verschrobener. „Satanic Versus“ im üblichen Sprachwitz der Band an „Satanic Verses“ angelehnt. Die Mini-LP ist streckenweise schwer verdaulich und zur Hälfte von Mr. Chicago Steve Albini (Shellac) produziert. So finden sich drei Electro-Jams, die mit dem Zeigefinger überdeutlich auf Kraftwerk zeigen. Gut, das war 2002 nichts weltbewegend neues und Milemarker hätten den Nebraska-Bauern The Faint in den angesagten Tanzpop der jungen neuen Hardcorefraktion folgen können – aber hier ketten sich fast Drone artige Sounds an den ausgefeilten Math-Rock der Band. Ganz schön schwer. Danach ist erstmal Sendepause, nachdem die Band Jahre mit Touren oder Studio am Stück zubrachte. Sendepause, naja. Burian, Laney und Leger machen mit Challanger weiter und veröffentlichen mit der Band zwei völlig solide LP’s. Al Burian, der seit 1995 das Fanzine „Burn collector“ herausbrachte ist weiterhin als Autor tätig. „Liebesgrüße aus Slowenien“ erzählt von einer Reise in das post-kommunistische Land zu Zeiten des Balkankrieges. Und natürlich – Burian geht auf Lese-Tour.
Erst 2005 ist die Band aus dem beschaulichen Chapell Hill erneut bei Albini im Electrical Audio Studio zu Gast. An der Studiotür geben sich die verschiedensten, teilweise ex-Milemarker-Leute die Klinke in die Hand und das fünfte Album „Ominosity“ entsteht. Und irgendwie zeichnet sich „Ominosity“ durch ganz eigene Qualitäten aus. Vielleicht liegt es am recht großen Abstand zu den bisherigen Veröffentlichungen der Band. Die Platte steht kompakter, extrem stimmig in den Arrangements und man hört eine ganz deutliche, schon fast typische Albini-Noise Kante in dem Ganzen. Vor dem erneuten Abgang der Band die beste Platte!
Milemarker sind auf Tour. Beziehungen zerbrachen, man zog um, fand sich wieder alles stimmte noch und so beschloss man wieder zu Touren. Roby ist inzwischen Mutter und wohl nicht mehr dabei. Al, Ben, Dave und ein guter Kumpel, John Bomman, sind also wieder unterwegs. Auch wenn Milemarker empfehlen, nicht auf die Shows zu gehen…am Samstag spielen Milemarker im T-Keller! Eine der bemerkenswertesten Bands der letzten Jahre! Manchmal sind sie eben einfach wieder da!
www.milemarker.org
also ich war ja da und es war so: wenn der T-Keller voll is, dann sind Konzerte nur in den ersten 5 Reihen wirklich gut, weil man eh nur von da wirklich das mitkriegt, weswegen ich beispielsweise zu konzerten geh: Bass, den Schlagzeuger und die Vibes. Weiter hinten ist von den Songs eh nur ungefähr die Hälfte zu hören, ein Großteil vom Sound wird vom Publikum verschluckt – und ich meine damit nicht einfach Lautstärke, woll! Is jetzt ja auch nicht soo wichtig, denn ändern lässt sich das sowieso nicht und es muss ja immer auch Leute geben, die den Raum füllen.
Ach ja… die Band war echt fetzig! Und der Sänger kommt zwar etwas akademisch daher, aber ich fand ihn ziemlich charmant und auch ein bisschen witzig. Die andern haben ja nicht so viel gesagt und auch nicht so viel Action gemacht. Dafür haben sie Musik gemacht und dafür waren sie auch wirklich zu gebrauchen!