Wir sind Monsters! (Teil 2)
von am 9. Dezember 2007 veröffentlicht in in eigener Sache, städtisches

Ende November wurde Monsters of Göttingen ein Jahr alt. Für die Redaktion Zeit, sich mal mit sich selber auseinander zu setzen. Was wollten wir am Anfang, was wurde erreicht? Im ersten Teil des Interviews klärten wir über die Anfänge des Magazins auf und überlegten uns, was wir eigentlich wollen. Nun widmen wir uns der Kritik zu. Kritik, die wir uns anhöhren müssen und solche, die wir äußern. Wie kommen unsere Inhalte eigentlich in der Leserschaft an? Konnten wir politische Diskussionen anstossen oder werden wir in „der Mitte“ nicht ernst genommen? Die Fragen gehen auch an euch – teilt uns eure Meinung über die Kommentarfunktion mit!

Wir sind mit unserer Kritik ja immer mal wieder angeeckt. In den Kommentaren zum Interview mit on canvas werden wir sogar der Hexenjagd bezichtigt. Tatsächlich ist es so, dass der Boden der Sachlichkeit gerade in den Diskussionen häufig verlassen wird. Nehmen wir das als notwendiges Übel in Kauf?

fabbal: Die manchmal nicht vorhandene Sachlichkeit ist, denke ich, eine Sache, die sowohl als ?bel wie auch als, um eine ähnliche Formulierung zu verwenden, Segen gesehen werden kann. Gerade die Bereitschaft der Monsters-Leser_innen sich auf Diskussionen einzulassen und die Art und Weise wie diese gefürt werden, sehe ich als extrem wichtiges Feedback. Mir persönlich ist eine Diskussion die durch Beissreflexe, weil mensch sich verarscht oder nicht ernstgenommen fült, bestimmter Personen ausgelöst werden, lieber als wenn es überhaupt keine Kommentare gäbe. Auch wenn die Statistiken recht zuverlässig zeigen, wie viele Menschen die Seite besuchen, ist es fü mich cooler zu sehen, dass sich aktiv an einer Diskussion beteiligt wird oder einfach nur „find ich gut“ oder „ich blöd“ geschrieben wird. In meinen Augen ist das einer der zentralen Unterschiede zu Pony oder Diggla: die Leser_innen sind bei uns aktiv ins Geschehen integriert, wenn sie wollen.
Ich denke, fehlende Sachlichkeit lässt sich mit dem Argument rechtfertigen, Teil einer „Gesellschaft“ sein zu wollen, in der alle was sagen düfen.

Klaus: Ich denke, dass es auf jeden Fall von Vorteil ist, dass es bei MOG überhaupt die Möglichkeit gibt, auf Artikel zu reagieren und zu diskutieren in Form des Kommentars. Wir nehmen das, was wir schreiben, nicht als Gesetz, sondern als Prozess; Inhalte können gegebenenfalls ergänzt oder richtiggestellt werden. Ich finde es gut, dass sich Menschen, die sich durch die Meinungen und die Kritik von MOG-Autoren angegriffen fühlen, reagieren können und eine Diskussion entstehen kann. Wenn es dabei um Geschmack geht, nehme ich die Reaktionen gerne in Kauf. Warum sollte man etwas, was man so richtig schlimm findet, schön reden? Und auürdem, wenn du jemanden fragst, was du machen sollst, und er gibt dir zehn Vorschläge und sagt, alles wäre supertoll, ist dir eben auch nicht geholfen und du bist genauso weit wie vorher.

John K. Doe: Das war eine Thema das mich ja immer mal wieder betroffen habe, wenn ich irgendeine Scheißband auch als solche abgekanzelt habe. Die Reaktion ist ja grundsätzlich eine ähnlich, je unbedeutender der (in diesem Fall musikalische) Gegenstand, desto mehr regen sich die Betroffenen darüber auf. Fasziniert hat mich jedoch immer wieder, wie auch mancher Leser verwundert danach fragte, warum wir Sachen Scheiße finden und das dann auch noch schreiben – besonders Ska-Fans erwiesen sich als welche, die auf jeden blanken Haken beißen. Im Grunde genommen handelt es sich bei den Ankündigungen auch um Kritiken dessen, was wir eben vorher recherchieren können. Über Geschmack lässt sich streiten und wer objektive Musikkritik erwartet, der muss sich eben an bezahlte Medien wenden. Aaron Burgess hat gerade etwas sehr treffendes in seinem Vorwort zur Anti-Matter-Anthology geschrieben. Er hat treffend danach gefragt wer überhaupt objektive Musikkritik erwartet, mit den langweiligen Informationen über Wer, Wann und Wo – dabei geht es doch viel mehr um Emotionen und ob der Funke überspringt oder ob man sich die Ohren abreißen möchte. Dabei bietet MoG eben den unwarscheinlichen Luxus, dass man eben seinen speziellen Senf nun noch dazu ablassen kann – das ist letztlich das, was mir im Nachhinein dann am meisten Spaß macht.

Schmendi: Die Unsachlichkeit der Kritik liegt m.E. vor allem darin begründet, dass das Internet als mehr oder minder anonymes Medium und Weblogs noch mal im Besonderen eben eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Nerds und SozialautistInnen auf den Plan ruft. Da lässt sich einfach mal, im Schutze der Anonymität, das sagen, was eins schon immer sagen wollte. Ähnlich wie in anonymisierten Interviews die Antworten der Befragten radikaler ausfallen als wenn sie den InterviewerInnen in die Augen kucken müssten.
Das lässt sich wohl nicht ändern, schön ist es aber trotzdem nicht. Denn ernsthafte und sachhaltige Kritik hat es halt schwer, wenn die Kommentarspalte aus reinem gepöbel besteht…

Fernseherin: Es ist ja nicht so, dass wir selbst dauernd den Boden der Sachlichkeit verlassen würden. Davon abgesehen bin Ich der Überzeugung, dass wir so etwas in der Tat als notwendiges Übel akzeptieren müssen…

Ich vertraue bei diesen Dingen darauf, das die Leute das einigermassen vernünftig unter sich regeln können – auch wenn es zwei oder drei Fälle gab bei denen dann eingegriffen werden musste. Es sind ja sogar auf Nachfrage schon so manche aus der Rolle fallenden Diskussionsteilnehmer_innen zurückgerudert.

irrgärtnerin: Ich selbst bin erst seit kurzem dabei und habe zum Beispiel von der intensiven, auch inhaltlichen Diskussion zu on canvas nicht viel mitbekommen, höchstens aus dem Augenwinkel.

Mir erscheint es, ehrlich gesagt, nicht so, als ob die Kommentarfunktionen in Blogs oder Online-Magazinen dazu geeignet wäre, sachliche Reflektionen oder gar Diskussionen hervorzubringen. Die Kommentare, auch bei monsters, sind zwar oftmals lustig, aber nicht selten auch lächerlich – oder einfach nur langweilig. Im Gegensatz zu Schmendi führe ich dies allerdings nicht auf die Anonymität im Netz zurück, sondern ich nehme es eher so wahr, dass in den meisten Fällen sehr genau bekannt ist, wer sich hinter den Nicknames verbirgt und dass bei monsters Diskussionen aus dem T-Keller fortgesetzt werden – und dass gerade aus dieser gegenseitigen Bekanntheit der Kommentator_innen der Reiz erwächst.

Außerdem sollte man bei aller, auch berechtigten, Freude über die Möglichkeit zum kommentieren und diskutieren bei monsters auch bedenken, dass immer nur ein sehr, sehr kleiner Teil unserer Leser_innen die Kommentarfunktion nutzt – und das sind dann auch meistens immer dieselben. Die Mehrheit scheint also entweder kein Interesse am kommentieren zu haben – oder es gibt da doch irgendwelche Hemmnisse trotz der vermeintlichen Offenheit.

John K. Doe: Nun ja, ich finde die Diskussion über on canvas zeigte viel eher, wie schwierig es ist für Leute, die nicht so sehr in die nun außerordentlich differenzierten, teilweise hochgradig theoriebeladenen linken Spektren stecken überhaupt Einblick zu erlangen. Wer sich heute auf der Strasse als “links” begreift, weil er fair gehandelten Kaffee kauft, muss damit rechnen recht großkotzig als “Bewegungslinker” oder was weiß ich was niedergemacht zu werden. Mein Eindruck war, dass on canvas da natürlich recht naiv mit bestem Willen auf die Fragen geantwortet hatten und hier natürlich ein dankbares Opfer waren. Mit Ruhm hat sich in dieser Diskussion niemand bekleckert.

Für ziemlich viel Wirbel sorgte kürzlich einer unserer Artikel, in dem wir eine Party des einsB kritisierten, weil es die hurrapatriotische Stimmung zum „Tag der deutschen Einheit“ mit schürte. Man bezichtigte uns daraufhin als paranoid und sogar krank, verweigerte aber leider jegliche Diskussion. Die Kritik prallte an den Verantwortlichen einfach ab, man stellte uns zu diesem Zweck in die extremistische Ecke. Unser Ziel, linke Inhalte für ein breites Publikum aufzubereiten, ist hier exemplarisch gescheitert. Woran liegt das und wie können wir’s besser machen?

Klaus: Da würde ich gerne eine Einschätzung von Aussenstehenden hören… Ist das Ziel, linke Inhalte für ein breites Publikum aufzubereiten, an dieser Stelle wirklich gescheitert? Ich denke, dass die Reaktion eher das Gegenteil zeigt. Die Reaktion an sich zeigt deutlich, dass eine Rezeption ausserhalb „der linken Szene“ stattgefunden hat, auch wenn sie nicht so aussieht, wie wir sie uns erhofften. Und so vollkommen abgeprallt ist sie eben auch nicht, was die Art und Weise auch deutlich macht.

Schmendi: Naja, es hat eine Rezeption bei den VeranstalterInnen stattgefunden, von denen MOG wohl tatsächlich wahrgenommen wird. Aber eben so, wie Kulturschaffende KritikerInnen wahrnehmen: als ewig nörgelndes Pack durchgeknallter IdiotInnen, die nur das eigene Projekt hintergehen wollen und mal von gar nix ne Ahnung hatten.

Manchmal kann es eben auch nach hinten losgehen, wahrgenommen zu werden. Dann können sich Vorurteile und Meinungen über das, was angeblich „links“ sein soll verfestigen und bestätigt fühlen. Und das wäre sicherlich nicht unser Ziel, denke ich mal.

Fernseherin: Wenn Ich das richtig mitbekommen habe, haben sich Leute beschwert, die ein irgendwie geartetes (ökonomisches) Interesse daran haben, dass das einsb gut besucht wird. Insofern ist deren Aufregung nachvollziehbar. Das ändert jedoch nichts an der Richtigkeit und Notwendigkeit der geäusserten Kritik von unserer Seite.

Ich bin mir nicht sicher, ob unser „Ziel, linke Inhalte für ein breites Publikum aufzubereiten“ hier verfehlt wurde. Genauso kann es sein, dass sich irgendjemand bestätigt gefühlt oder sich die Sache mit dem Patriotismus mal kritisch durch den Kopf gehen lassen hat. Wir sollten da weiter machen wie bisher – es würde keinen Sinn ergeben, sowas nicht zu kritisieren. Lasst uns ruhig da stechen, wo es wehtut.

irrgärtnerin: Ich würde nicht unbedingt sagen, dass unser Ziel hier exemplarisch gescheitert ist, nur, weil sich die Kritisierten lautstark, aber diskussionsunwillig beschwert haben. Meiner Ansicht nach zeigt das viel mehr, dass die Kritik bei denen angekommen und offenbar auch ernst genommen worden ist, denn sonst hätten sie unseren Bericht auch einfach mit einem müden Schulterzucken abtun können.

Ob wir die Kritik jedoch unseren Leser_innen vermitteln konnten, insbesondere auch jenen, die mit “linken” Positionen nicht so vertraut sind, das können wir natürlich nicht wissen – das liegt in der Natur des Mediums, man weiß einfach nie, was letztendlich auf der anderen Seite ankommt und wie es befunden wird – daran kann auch die Kommentarfunktion nichts oder nur wenig ändern.

Generell sollte allerdings gelten, dass man Kritik immer äussern, seine “linke” Position immer deutlich machen sollte – auch und gerade dann, wenn es aneckt.

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2 Kommentare auf "Wir sind Monsters! (Teil 2)"

  1. Schmendi sagt:

    Schläue Menschen, diese Monsters-Redaktion ,-)

  2. Anton sagt:

    Ja genau und diese hehren Ziel…
    „Das lässt sich wohl nicht ändern, schön ist es aber trotzdem nicht. Denn ernsthafte und sachhaltige Kritik hat es halt schwer, wenn die Kommentarspalte aus reinem gepöbel besteht…“
    wie wahr, wie wahr…

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