Nahostkonflikt-Demonstrationen

Polizeischutz für Israelfreunde
von am 31. Juli 2014 veröffentlicht in Soziale Bewegungen, Titelstory

Am 26.07.2014 am Nabel in der Göttinger Fußgängerzone.

Bereits zum zweiten Mal ist am Samstag in Göttingen eine israelsolidarische Kundgebung von Teilnehmern einer Demonstration gegen den Krieg in Gaza angegriffen worden. Die Polizei verhinderte schlimmere Übergriffe, verhielt sich aber sonst auffällig zurückhaltend.

Dieser Text ist auf publikative.org erschienen und wird von uns mit freundlicher Genehmigung verwendet.

In Göttingen können Demonstrationen für Israel derzeit nur unter Polizeischutz stattfinden. Aus einer wütenden Menge heraus flogen am Samstag zu Sprechchören wie „Kindermörder Israel!“ Eier auf eine israelsolidarische Kundgebung und die sie schützenden Polizisten. Bei dem Versuch, eine Israelflagge zu entwenden, schlug einer der Angreifer einen Kundgebungsteilnehmer ins Gesicht. Dokumentierende Fotografen wurden als „scheiß Jude“ beleidigt, Teilnehmer berichten von der Schmähung „Judenschwein“.

Die Israel-Kundgebung hatte die Gruppe a:ka als Reaktion auf eine Palästina-Solidaritätskundgebung am Gänseliesel angemeldet. „Trotz der Pressekampagnen, die jeden Protest gegen die Bombardierung des Gaza-Streifens durch die Regierung Netanjahu als ‘Judenhass’ und ‘Antisemitismus’ verleumdet“ hätten, hätten die 250 Kundgebungsteilnehmer ihre Solidarität „mit den Opfern des israelischen Militäreinsatzes“ zeigen wollen, erklärte die Gruppe „Aktion Gerechter Frieden Nahost“ in einer Pressemitteilung. Sie hatte zusammen mit der „Antikapitalistischen Linken“ zu der Anti-Kriegs-Kundgebung aufgerufen.

Distanzierung von Antisemitismus

Auf der Kundgebung kündigten die Veranstalter an, antisemitische Äußerungen nicht tolerieren zu wollen. „Dies wird nicht geduldet und wir werden dagegen einschreiten“, sagte ein Sprecher zu Beginn. Auch Glaubensbekenntnisse sollten nicht gezeigt werden. Daran hielten sich die Teilnehmer zunächst auch: „Es wurden keine antisemitischen Parolen gerufen oder Symbole gezeigt, die den Staat Israel oder das Judentum verunglimpfen“, sagte Polizeieinsatzleiter Gerd Hujahn im Anschluss.

Zur Eskalation kam es, als nach Ende der angemeldeten Kundgebung etwa 90 Teilnehmer 200 Meter weiter zogen, um gegen die Israelfahnen schwenkenden Antifas zu protestieren. Schnell ertönten Sprechchöre wie „Kindermörder Israel“ und „Allahu Akbar“. Einige Teilnehmer schwenkten auch Antifa-Fahnen. Eine zügig aufgestellte Polizeikette verhinderte, dass es zu größeren Übergriffen kam.

Zurückhaltender Polizeieinsatz

Die Polizei hielt sich allerdings trotz Eierwürfen und aggressiven Sprechchören zurück. Beamte stellten die Personalien von mutmaßlichen Eierwerfern fest und verhafteten einen Mann, der versucht hatte, eine Fahne zu stehlen. Nach einiger Zeit drängten die Polizisten die wütende Menge betont gelassen „auf Steinwurfweite“ zurück, wie Einsatzleiter Hujahn sagte.

Die Aufforderung aus der Israel-Kundgebung, die Demonstration aufzulösen, wies er zurück: Es habe sich gar nicht um eine Versammlung, sondern eine „Ansammlung von Menschen, die auf die Israeldemo reagiert hat“, gehandelt. Gründe für eine Auflösung hätten keine vorgelegen. Das wiederum wunderte die israelsolidarischen Demonstranten doch sehr: Linke Demos würden häufig aus nichtigeren Gründen aufgelöst, hieß es.

Die Zurückhaltung der Einsatzkräfte war offenbar kalkuliert. „Egal, gegen welche Seite wir vorgehen, hinterher bekommen wir Ärger“, begründete ein leitender Beamter das Vorgehen. Schon eine Woche zuvor musste die Göttinger Polizei nach einem ähnlichen Vorfall Kritik einstecken. Sie war mit so wenigen Beamten an einer ersten Gaza-Demonstration im Einsatz, dass sie körperliche Übergriffe auf israelsolidarische Gegendemonstranten nicht verhindern konnte. Auch hier orchestrierten schon antisemitische Rufe den Angriff. Ein Video zeigt, wie die Beamten förmlich überrannt wurden.

An diesem Samstag war die Polizei an der Demonstration viel präsenter. Die Einsatzkräfte seien am Markt zusammengezogen worden, um ein Aufeinandertreffen der beiden Demonstrationen zu verhindern, sagte Einsatzleiter Hujahn. Vor Beginn der Kundgebungen zeigte er sich noch zuversichtlich, dass es friedlich bleiben würde. Das hätten ihm beide Veranstalter versichert. Dem Göttinger Tageblatt sagte er anschließend, sein Einsatzkonzept sei aufgegangen.

Weitere „Solidaritätsaktionen“ angekündigt

Von einem „Skandal“ sprechen hingegen die Anmelder der israelsolidarischen Kundgebung. „Die Gefahr, die von antizionistischen Kreisen in Göttingen ausgeht, darf nicht länger geleugnet werden“, schreibt die Gruppe a:ka in einer Pressemitteilung. „Die heutige Kundgebung zeigte aufs Neue, dass es bei den sogenannten Friedensdemonstrationen keinesfalls um die Menschen in Gaza geht, sondern einzig darum, dem Hass auf Israel und Juden eine Plattform zu bieten.“ Man könne sich in Göttingen nicht öffentlich zur Solidarität mit Israel bekennen, ohne von Angriffen bedroht zu werden.

Die „Aktion Gerechter Frieden Nahost“ bedauerte die Übergriffe am Samstagabend in einer Pressemitteilung. Allerdings nicht ohne Einschränkung: „Diese werden wohl wie gehabt von interessierten Kreisen zur Diskreditierung jeder Kritik an an den Kriegsverbrechen der israelischen Regierung benutzt werden“, heißt es weiter in dem Text. Bei den Angegriffenen handele es sich darüber hinaus nicht um Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, sondern um „Angehörige einer politischen Sekte“. Gemeint ist damit vermutlich die antideutsche Linke. Die Gruppe hat angekündigt, ihre „Solidaritätsaktionen“ fortzusetzen.

Ein Video zum Beitrag gibt es hier zu sehen.

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