Nach Regierungswechsel in Hannover

Endlich Bargeld für Flüchtlinge
von am 22. Februar 2013 veröffentlicht in Politik

Nach 16 Jahren werden Flüchtlinge in Göttingen endlich Bargeld statt Wertgutscheine und Sachleistungen bekommen: Die neue rot-grüne Landesregierung macht’s möglich. Flüchtlingsinitiativen hatten die Praxis stets als rassistisch und diskriminierend kritisiert.

Dass Wahlen nichts ändern würden, weil sie sonst verboten wären, wird in Niedersachsen gerade widerlegt. Kaum dass Boris Pistorius (SPD) den Hardliner Uwe Schünemann (CDU) in Hannover als Innenminister abgelöst hat, wird der Umgang mit Flüchtlingen im Bundesland menschenwürdiger. In Zukunft will das Ministerium den Städten und Landkreisen nicht mehr verpflichtend vorschreiben, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Gutscheinen auszugeben. Dann könnten die Flüchtlinge endlich Bargeld erhalten.

Seit 1997 erhalten Flüchtlinge in Niedersachsen Wertgutscheine statt Bargeld. Eine Praxis, die Hilfsorganisationen wie der Niedersächsische Flüchtlingsrat oder der Göttinger AK Asyl stets als diskriminierende, rassistische Praxis kritisiert haben. Seit Jahren haben sich auch die Göttinger Kommunalparlamente immer wieder für eine Auszahlung der Leistungen in Bargeld ausgesprochen. Nur aus dem Innenministerium gab es kein grünes Licht dafür. Offenbar setzte Schünemann auf die abschreckende Wirkung der Gutscheine.

Seit dem Februar ist in Niedersachsen eine rot-grüne Landesregierung im Amt. Die Parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag (PDF) festgeschrieben, die Lebenssituation von Flüchtlingen und AsylbewerberInnen verbessern zu wollen: „Die rot-grüne Koalition wird sich auf der Bundesebene für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes einsetzen“, heißt es darin. „Auf Landesebene wird sie die diskriminierende Wertgutscheinpraxis beenden und durch Bargeldauszahlung ersetzen sowie Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang für Menschen mit Migrationshintergrund schaffen.“

Die Landesregierung hält Wort: „Den Landkreisen und kreisfreien Städten werden wir hier so schnell wie möglich den nötigen Entscheidungsspielraum geben“, sagte Innenministeriumssprecherin Vera Wucherpfennig gegenüber MoG. „Sie sollen im Rahmen des geltenden Rechts freier entscheiden können, ob sie anstelle von Sachleistungen oder Wertgutscheinen Bargeld auszahlen.“

Die Stadt Göttingen hat auf die Entscheidung des Innenministeriums nur gewartet. „Wir würden das definitiv machen“, sagt Stadtsprecher Kaiser zu MoG. „Und zwar zum schnellstmöglichen Zeitpunkt.“ Wann genau das sein wird, konnte der Sprecher am Freitag noch nicht beantworten. Auch der Landkreis wird in Zukunft Bargeld statt Wertgutscheine an AsylbewerberInnen ausgeben, sagte Kreissprecher Marcel Riethig zu MoG. Der Landrat begrüße die Entscheidung des Innenministeriums. Erst im vergangenen Herbst hatte der Kreistag das Innenministerium aufgefordert, „die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, damit der Landkreis Göttingen anstelle von Wertgutscheinen Bargeld an Asylbewerber/innen auszahlen kann.“

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2 Kommentare auf "Endlich Bargeld für Flüchtlinge"

  1. wegmitdemdreck sagt:

    Aktion am 25.02 zum Urteil zur Gutscheinpraxis fällt aus ||| KOMMT DAFÜR ALLE AM MITTWOCH, DEM 27.02, ZUR GUTSCHEINAUSGABE ZUM RATHAUS

    Die geplante Aktion am morgigen Montag, dem 25. Februar 2013, vor dem Verwaltungsgericht Göttingen fällt aus.

    Dafür rufen wir zu einer Aktion am Mittwoch, dem 27. Februar, um 8 Uhr vor dem Rathaus auf. An diesem Tag werden die Wertgutscheine ausgegeben.

    ***************

    Wie Ihr bestimmt schon mitbekommen habt, hat das Sozialgericht Hildesheim die für den 25.02.2013 im Verwaltungsgericht in Göttingen festgesetzte Verhandlung aufgehoben. In dieser sollte es um die rassistische und diskriminierende Gutscheinpraxis gehen. Grund für die Aufhebung ist die Ankündigung des neuen niedersächsischen Innenministers Pistorius, innerhalb der nächsten Wochen einen neuen Erlass für die Behörden zu veröffentlichen, der es ihnen freistellt ob sie die Leistungen in Form von Bargeld oder in Form von Wertgutscheinen ausgeben.

    Wir werden nicht so lange warten

    Stadt und Landkreis Göttingen hatten sich bisher dem nach dem Wechsel der Landesregierung aus dem Amt geschiedenen Innenminister Schünemann gebeugt und die Ausgabe von Gutscheinen durchgeführt – trotz der Beschlüsse von den Räten der Stadt und des Landkreises Göttingen auf Abschaffung dieser Praxis. Gegebenen Versprechen der Stadt können wir nicht vertrauen!

    Weg mit dem bevormundenden Gutscheinsystem!

    Uns ist bewusst, dass die Gutscheine nur ein kleiner Teil sind, die Abschaffung ein erster kleiner Schritt – lasst uns weiterhin gemeinsam den rassistischen Normalzustand in Behörden, in den Gesetzen und in den Köpfen bekämpfen!

    Keinen Fußbreit dem Rassismus – keine Handbreit dem System

    Denn Rassismus besteht aus einem großen Netzwerk, welches sehr deutlich in Gesetzen verankert ist – Gutscheinpraxis, Diskriminierung, Isolation in Lagern und Heimen, Abschiebungen, Kettenduldung, Arbeitsverbot, Verweigerung des Zuganges zur Bildung…Diese Liste ist zu lang als dass sie hier vollständig aufgeführt werden kann.

    Daher ist es absurd, dass wir auf etwaige positive bzw. negative Entscheidungen oder Erlasse dieser Gesetzgebung warten. Der Widerstand gegen dieses rassistische System ist jederzeit notwendig!

    Mit einer Aktion am kommenden Mittwoch, dem 27. Februar 2013, um 8 Uhr morgens vor dem Rathaus, möchten wir auf die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Flüchtlinge in Göttingen und dem Landkreis aufmerksam machen. Die Gutscheinausgabe an diesem Tag ist der Anlass, aber nicht der Grund, warum wir jetzt verstärkt auf die Abschaffung der Gutscheine und des ganzen rassistischen Systems bestehen.

    Kommt zahlreich und bringt Redebeiträge, Transpies und andere kreative Ideen rund um das Thema mit. Auch über Verpflegung wie Kaffee, Kuchen, Brötchen etc. würden wir uns freuen.

    …der antirassistische Kampf geht weiter !!!

  2. Karl-Heinz 2 3 4 sagt:

    Ja, Wahlen mögen etwas ändern, aber besser wird´s wohl nicht:
    Paradigmenwechsel in der Abschiebepraxis?

    Ein amtlicher Überfall am Samstag, dem 23.2.13 , nachts um 3.30 Uhr auf eine Roma-Familie, die 16 Jahre im Landkreis Lüchow-Dannenberg gelebt hatte, ist wohl nicht der von der neuen niedersächsischen Landesregierung angekündigte Paradigmenwechsel, denn „ein Klima der Willkommenskultur fängt bei den Ausländerbehörden an“ (Koalitionsvereinbarung S.10).
    http://www.nds-fluerat.org/10472/aktuelles/10472/

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