Kommentar

Polizei konstruiert linke Szene
von am 28. Januar 2013 veröffentlicht in featured, Polizei & Justiz

Die Göttinger Polizei wehrt sich gegen Vorwürfe, einen Konflikt zwischen Rockerbanden und Linken in Göttingen herbeigeredet zu haben. Dabei konstruiert sich Polizeichef Thomas Rath sein eigenes Feindbild: eine homogene linke Szene, die es so eigentlich gar nicht gibt. Unterstützung bekommt er dabei vom Göttinger Tageblatt.

Die Göttinger Polizei hat es schon wieder getan: Sobald die öffentliche Debatte sich gegen sie wendet, versucht sie über Pressemitteilungen in sie einzugreifen. Jetzt hat Inspektionsleiter Thomas Rath auf Anschuldigungen aus dem Wohnprojekt Rote Straße reagiert. Man könnte nun darüber diskutieren, ob das überhaupt zu den Aufgaben der Polizei gehört. Denn auch in diesem Fall versucht die Polizei, ein Bild von der Realität zu zeichnen, dass ihren Interessen entgegen kommt.

Weil es zwischen dem Tattoo-Studio, das bis zu 20 Antifas Mitte Januar angegriffen hatten, und der Kasseler Rocker-Szene Verbindungen geben soll, wurde im Anschluss über einen Konflikt zwischen den Rockern und „der Antifa“ spekuliert. Einsatzleiter Gerd Hujahn hatte unter anderem in der taz ausführlich aus seiner Sicht geschildert, wie die Polizei unter anderem das Wohnprojekt in der Roten Straße vor möglichen Racheakten der Rocker schützen wollte. Bei Indymedia Linksunten war daraufhin zu lesen: „Weder Jenny (die Eigentümerin des Tattoo-Studios, d. Red.) noch die BewohnerInnen der Rote Straße verstehen das anscheinende Interesse der Polizei einen Konflikt innerhalb der Roten Straße herbeizureden und damit Mutmaßungen über angebliche Hintergründe in der Öffentlichkeit noch weiter anzuheizen.“ Das ist auch schon alles.

Thomas Rath macht daraus in seiner Pressemitteilung eine „Verharmlosung“ des Angriffs auf das Tattoo-Studio, die darüber hinaus „ganz offensichtlich vom eigenen Vandalismus ablenken“ solle. Die Beschuldigung zwischen den Zeilen: Die AutorInnen der Stellungnahme auf Indymedia wären identisch mit den vermummten Angreifern. Nichts außer Mutmaßungen und Unterstellungen.

Die Polizei würde weiter in der Sache ermitteln, so Rath: „Daran ändert auch eine inzwischen erfolgte Entschuldigung der linken Szene bei der Geschäftsbetreiberin nichts.“ Mit dieser Entschuldigung spricht Rath das Indymedia-Schreiben an, das aber eben nicht von „der linken Szene“ verfasst wurde, sondern von BewohnerInnen des Wohnprojekts in der Roten Straße.

Es gibt nicht „die linke Szene“ als homogene Gruppe in Göttingen, die geschlossen hinter jeder Aktion steht, die von AktivistInnen begangen wird. Exemplarisch zeigt sich das hier an einer Stellungnahme von Autonomen, die den Angriff auf das Studio scharf kritisiert hatten. Erst recht kann nicht eine ganze Szene kollektiv für jede Aktion verantwortlich gemacht werden, auch wenn Polizeichef Rath das hier versucht. Das ist schlicht unsachlich.

In der öffentlichen Debatte hat die Polizei trotzdem den Erfolg für sich gebucht: Das Göttinger Tageblatt hat die Pressemitteilung wörtlich auf seine Homepage übernommen. Ohne sie als solche ausreichend kenntlich zu machen. So macht sich das Blatt zum Komplizen einer politischen Polizei, die wieder einmal ganz bestimmte Interessen verfolgt. Das ist einiges, aber kein seriöser Journalismus.

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Ein Kommentar auf "Polizei konstruiert linke Szene"

  1. mona sagt:

    Sowohl bei dem Artikel des GT, als auch bei dem älteren Beitrag hier bei Monsters, habe ich eine kritische Distanz zur Pressemitteilung der Polizei schmerzlich vermisst.

    Deswegenb habe ich mich umso mehr über diesen Artikel gefreut. Denn da war doch irgentwas mit vierter Gewalt und so…
    -Chapeau!

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