Analyse der Ergebnisse

Uniwahlen ohne Gewinner
von am 25. Januar 2013 veröffentlicht in Titelstory, Unipolitik

Die Wahlen zur Selbstverwaltung der Studierenden an der Universität Göttingen haben keine Gewinner hervorgebracht. Ein wenig werden sich die Gruppen freuen, die als Parole ausgegeben hatten, den „linken AStA“ abwählen zu wollen. Das zumindest scheint gelungen. In der alten Konstellation wird eine Weiterarbeit nur sehr schwierig möglich sein. Eine Analyse.

„Ohs“ und „Ahs“, aber kein Jubel

Früher als in den Vorjahren versammelte sich eine große Zahl von Kandidat_innen und Sympathisant_innen im Hörsaal 001 im zentralen Hörsaalgebäude. Dort wurden nach langem bangen Warten dann schließlich um zwanzig vor drei am Nachmittag die Zahlen (hier in der Übersicht) an die Tafel geschrieben. Der Jubel blieb aber aus – und dann wurde es mathematisch anspruchsvoll. Schnell war aber klar: Der „linke AStA“ aus Jusos, Grüner Hochschulgruppe (GHG), Basisgruppen und Schwarzrot Kollabs (SRK) hat weiter an Stimmen verloren. Zwar gewannen die GHG (jetzt 10) und SRK (jetzt 2) je einen Sitz hinzu. Gleichzeitig verloren aber die Jusos zwei Sitze (jetzt 7) und die Basisgruppen gleich vier (jetzt 1). Auch die Piraten, auf deren tolerierende Stimmen der bisherige AStA angewiesen war, mussten Federn lassen und verloren eine Stimme (jetzt auch 1).

Neu eingezogen sind dafür die „Unabhängigen Mediziner“ (UM), die aus dem Stand vier Sitze erreichten. Aber selbst mit diesen Stimmen hätte die alte Konstellation keine Mehrheit. Dazu wären noch eine Stimme der neu oder wieder mit je einem Sitz eingezogenen Liberalen Hochschulgruppe (LHG) oder der „Partei“ notwendig.

Alles beim alten bleibt zahlenmäßig bei der ADF (immer noch 17 Sitze) und beim RCDS (7 Sitze). Letzterer hatte ebenso wie die LHG die Parole ausgegeben, den „linken AStA“ abwählen zu wollen. Das ist zwar wohl gelungen, aber nicht durch die Hilfe der eigenen Wähler_innen.

Kleine und große Überraschungen

Beobachter_innen des Wahlkampfs werden sicher überwiegend erstaunt sein: Für die Jusos hat sich der Aufwand nicht wirklich ausgezahlt. Zwar ist der achte Sitz nur knapp verfehlt worden, aber bitter bleibt der weitere Abstieg sicher. Die mit viel weniger Werbeaufwand in Erscheinung getretene GHG kann dagegen wiederum zulegen – und profitiert damit vielleicht auch von der gefühlten Nähe zur Partei „Die Grünen“, die bei der Landtagswahl in Göttingen überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt hatte.

Zahlenmäßig dramatisch ist der Rückgang bei den Basisgruppen. Hier fällt sicher ins Gewicht, dass die Liste der Kandidat_innen in diesem Jahr kurz geblieben war: Statt wie in den Vorjahren um die achtzig gab es nur fünf Namen anzukreuzen. Dies war nicht einem wirklichen Rückgang an Bereitschaft geschuldet, für diese Gruppe zu kandidieren. Stattdessen wurden die umfangreichen Listen um nur drei entscheidende Minuten zu spät eingereicht, so dass es bei einer rudimentären „Rumpfliste“ blieb, mit der eigentlich nur ein vorderer Platz auf dem Wahlzettel gesichert werden sollte. Ein Fazit ist aber sicherlich, dass die üppigen Listen auf den großen Wahlzetteln ihren strategischen Sinn haben: Über persönliche Bekanntschaften kommen eben doch noch zahlreiche Stimmen zustande.

Schräge Mehrheiten in komischen Varianten

Es ist kaum zu prophezeien, mit welchen Mehrheiten ein zukünftiger AStA zustande kommen könnte. Zu viel Porzellan dürfte zwischen den entscheidenden Gruppen zerschlagen worden sein. Ein „irgendwie noch ein bißchen linker AStA“ mit Jusos, GHG, SRK, BB, Piraten, UM und (!) der „Partei“ – es fällt schwer, sich das vorzustellen. Im Ergebnis bedeutet das aber wohl, dass es ohne die ADF nicht gehen wird. Sie wird versuchen müssen, eine Mehrheit zu organisieren. Kandidat eins dafür wäre die GHG, deren zehn Sitze im Parlament ausreichend würden, um eine solide Mehrheit mit einem Sitz Reserve zu erreichen – nötig sind nämlich nur 26 Sitze. Ob sich aber eine basisdemokratisch orientierte Gruppe wie die GHG in solch einer Konstellation wiederfinden könnte, darf sicher bezweifelt werden.

Zumindest an diesem harten Widerspruch würde wohl eine Zusammenarbeit mit dem RCDS einerseits, mit den Jusos andererseits nicht scheitern. Doch gibt es keine Zeichen, dass es in der ADF noch verbliebene Sympathien für den RCDS geben würde – in vergangenen Sitzungen des Studierendenparlaments herrschte hier eher eine kühle Abneigung und auch an anderen Fakultäten gibt es schon länger keine (und schon gar keine gute) Zusammenarbeit mehr. Reichen würde es zusammen ohnehin nicht, es wären noch Mehrheitsbeschaffer zusätzlich nötig. Ähnlich sieht es zwischen den Jusos und der ADF aus. Zwar gibt es vereinzelt auch persönliche Bande, doch auch bei anderen Personen bei den Jusos offene Abneigung gegen die ADF. So wie sich der RCDS wohl eine Versöhnung mit der ADF erhofft, dürfte diese wiederum wohl auf Versöhnung mit den Jusos hoffen. Doch auch hier würde die gemeinsame Mehrheit nicht reichen.

Mehrheitsbeschaffer nötig

Unkalkulierbar sind die dann nötigen Mehrheitsbeschaffer. Überhaupt nur angetreten, um die Belange der eigenen Fakultät mehr in den Vordergrund zu rücken, sind die Unabhängigen Mediziner. Ihre Stimmgewalt würde den wackligen skizzierten Koalitionen eine solide Mehrheit ermöglichen – aber die Konzessionen, die dafür zu machen wären, sind schwer abzuschätzen. Da die politischen Belange der UM mehr im Senat der Universität als im Studierendenparlament eine Rolle spielen, könnte es von Belang sein, dass vermutlich wohl wieder die beiden Studierendensitze im Senat zu je einem Sitz an ADF und die dort gemeinsame rot-grüne Liste gehen könnte.

Auch noch kaum vorstellbar ist der große Friedensschluss, der eine Mehrheit von ADF, GHG und – um des lieben Friedens in allen anderen Parlamenten und Gremien willens – den Jusos bringen könnte. Und ganz zum Schluss käme auch noch infrage, dass Schwarzrot Kollabs sich einen umrissenen autonomen Bereich im AStA ausbedingt und eine ADF-Juso-Mehrheit stützt: Dafür würden die zwei Sitze nämlich gerade reichen. Angesichts der offenen Abneigung ist das aber auch eine mehr als abenteuerliche Spekulation.

Keine Rolle werden vorerst wohl die Gruppen mit nur einem Sitz spielen. Sie würden nur für besonders große Koalitionen gebraucht – und sind untereinander äußerst verschieden. Und am Ende bleibt noch eine letzte Variante: Eine knappe Mehrheit für die Auflösung des neuen Parlaments – und Neuwahlen.

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14 Kommentare auf "Uniwahlen ohne Gewinner"

  1. Die Mitte erobern! sagt:

    Neuwahlen scheinen mir ziemlich sinnvoll. Wenn die in klaren Mehrheiten münden würde, wäre damit allen mehr geholfen als mit irgendeiner superinstabilen Wackelkoalition, in die alle Beteiligten nur mit krassen Bauchscmerzen einsteigen würden.

  2. Nacho sagt:

    Jusos + UM + ADF ist wohl das wahrscheinlichste.

    Ich glaube, die Jusos haben nicht das Rückgrad, eine Koalition mit der ADF auszuschließen. Außerdem hat wohl niemand hat die Nerven eine Neuwahl anzustreben – was nur Kosten verursachen, die verfasste Studierendenschaft weiter delegitimieren, und die rechten stärken würde.

    Ist aber vielleicht gar nicht so schlimm, die korruptesten Hansel_innen sind aus der ADF raus, und mit der dünnen Mehrheit können sie hoffentlich keinen allzu großen Scheiß machen. Außerdem bezweifele ich stark, dass die bisherige Konstellation in der Lage wäre noch mal den Asta zu tragen, zumindest wenn ich mir den Zustand der Basisgruppen anschaue…

    (Warum eigentlich „linker Asta“ in Anführungszeichen? Stellt ihr in Frage dass der Links war, oder habt ihr das von der ADF übernommen?)

  3. Harvey sagt:

    Gute Nachfrage, weshalb das in Anführungszeichen steht. Vielleicht war ich mir da auch selbst nicht immer sicher. Obwohl das gemein wäre. Natürlich hat er sich als solcher verstanden. Eigentlich halte ich es auch für eine Unsitte, feste Begriffspaare in Anführungszeichen zu setzen, hier ist es wohl heute mit mir durchgegangen.

  4. alenta! sagt:

    die schlimmsten kader sind aus der adf ja raus. wie man so hört geht der ein oder andere bei denen ja bald ins berufsleben, die neuen adf’ler wirken auf mich ein wenig gemäßigter und peinliche fraktionspausen um die leute auf linie zu bringen hab ich auch schon länger nicht gesehen.

    alenta, alenta!

  5. alenta! sagt:

    die jusos saßen drin, da ist schon verständlich das links in anführungszeichen zu setzen //hehehe

    alenta, alenta!

  6. bjou sagt:

    Was ist mit der ADF-RCDS-LHG-dPARTEI-Konstellation? Warum sollte die ADF, jetzt wo sie wieder an die Drücker kann, ihre „Anfeindungen“ dem RCDS gegenüber aufrechterhalten? Die Gruppen werden sich „besinnen“ und feststellen, dass sie doch zusammen könnten. Hat ja in der Opposition meistens auch geklappt.
    Nichtsdestotrotz halte ich es auch für Wahrscheinlich, dass sich auch die Jusos mit ihren ADF-Buddys im Außenreferat für eine Koalition mit den selbigen anbiedern; + UM und ab gehts. Wir können aber trotzdem gespannt sein…

  7. delorean sagt:

    Ich finde die Spekulationen irgendwie witzig:
    „Ich glaube, die Jusos haben nicht das Rückgrad, eine Koalition mit der ADF auszuschließen.“(Nacho)
    „Nichtsdestotrotz halte ich es auch für Wahrscheinlich, dass sich auch die Jusos mit ihren ADF-Buddys im Außenreferat für eine Koalition mit den selbigen anbiedern“ (bjou)
    Wenn sie es dann aber tatsächlich tun sollten, dann sind sie die Verräter des linken Lagers, obwohl das hier ja schon alle zu wissen scheinen.
    Die Partei, UMer, Piraten + Altastakoalition ist völlig utopisch. Blau-Grün auch eher unwahrscheinlich, was bleibt?
    Ein rechter AStA, der alles zerstört was die Menschen des linken AStAs in den letzten zwei Jahren gemacht haben und die haben viel gemacht. Zumindest würden das hier vermutlich viele Menschen über ihre Leute der jeweiligen Gruppe, die aktiv in den ASten waren, sagen. Da bin ich mir nicht sicher, ob das die politisch „echtlinken“ Gruppen wollen. Lieber wieder zurück in die Steinzeit als die Chance, das noch was bleibt. Was wäre denn mit RotGrünADF im AStA, SRK im Stilbrvch und den BGen an der Basis. Vermutlich ein Wunsch der Piraten aber nicht vorstellbar für alle anderen hier.
    Ich hoffe jedenfalls, dass es kein AStA mit RCDS-Beteiligung gibt, alles andere ist mir egal.

  8. retmarut sagt:

    Meine subjektive Bewertung des Ergebnisses:

    1. Das Abschneiden der Basisgruppenliste war absehbar. Und sie wurde zu Recht abgestraft: Wer es nicht einmal mehr schafft, einen seit Wochen bekannten Abgabetermin einzuhalten, macht damit mehr als deutlich, wie wenig ihn/sie die Uni-Politik mittlerweile interessiert und dass es bei der Eigenkandidatur nur noch um Mehrheitsbeschaffung geht. Es tut schon weh mit ansehen zu müssen, was nach der guten alten LiFaBa mittlerweile aus der Basisgruppenliste geworden ist. Dieser Tiefpunkt in der langen Geschichte der Basisgruppenliste wird vermutlich auch ihr Ende markieren.

    2. Die im Artikel und in den Kommentaren betriebene Zahlenspielerei finde ich schon merkwürdig und irritierend. Wenn ich mich nicht verzählt habe, benötigt eine AStA-Mehrheit 26 Sitze. Die einfachste rechte Mehrheit besteht aus ADF+RCDS+UM, damit haben die sogar 28 Sitze. Zwischen UM und ADF gibt es meines Wissens auch kein Schisma. Die UMer haben schließlich jahrelang auf der ADF-Liste kandidiert. Und mit dem RCDS als billigem Mehrheitsbeschaffer hatte die ADF auch nie Probleme. Der RCDS wird einfach mit zwei Referaten abgespeist und kriegt ggf. noch ein bisschen was vom ADF-Schwarzgeld zugesteckt.

    3. Nach dem völligen Wahldesaster der radikalen Linken werden (bzw. müssen?) GHG und Jusos wohl perspektivisch umdenken und sich auf ein Bündnis mit der ADF/UM hinbewegen. Die Zeiten linker ASten dürften wohl auf längere Sicht vorbei sein.

    4. Das Wahlergebnis spiegelt meines Erachtens ganz gut die Klassenlage und das politische Bewusstsein der Göttinger Studierendenschaft wider. In den letzten Jahren (forciert durch die verschulten BA-Studiengänge und die Studiengebühren) hat sich die Tendenz der Entpolitisierung und Rechtsentwicklung der Studierendenschaft durchgesetzt.

  9. brown sagt:

    Du sprichts mir aus dem Herzen remarut.
    Tiefenpsychologisch betrachtet macht die verspätete Abgabe durchaus Sinn: Von den BGs wollte doch niemand mehr in den AStA – und auch die Umbennenung in Basisgruppenliste wird Stimmen gekostet haben (Basisdemokratisch klingt so nett und ist für Unwissende wählbar).

    Ich wundere mich auch, dass der Artikel die ADF – RCDS – UM Konstellation verschweigt. Gebe aber zu bedenken, dass die UM meiner Meinung nach:
    1. Ziemlich angepisst von ADF waren und sind, da sie bei der Wahl nach dem Finanzskandal trotz Ablehnung weiter auf der Liste aufgetaucht sind,
    2. Sie keine Ahnung haben was AStA bedeutet und eigentlich keine Interessen dort haben. Warum sie überhaupt angetreten sind bleibt ein Rätsel. Vielleicht haben sie den Aufbau der Gremien nicht verstanden.

    F.

  10. Harvey sagt:

    ADF+RCDS+Mehrheitsbeschaffer ist im Artikel doch beschrieben. Und dass dafür die UMer in Frage kommen auch. Sogar grob, was die im StuPa wollen.

  11. smoneck sagt:

    „Für die Jusos hat sich der Aufwand nicht wirklich ausgezahlt. Zwar ist der achte Sitz nur knapp verfehlt worden, aber bitter bleibt der weitere Abstieg sicher. Die mit viel weniger Werbeaufwand in Erscheinung getretene GHG kann dagegen wiederum zulegen[…]“

    Gänzlich unabhängig von meiner Auffassung der Parteiinhalte habe ich es mir zum Kredo gemacht, niemanden zu wählen, der mit Wahlgeschenken seine Wähler zu bestechen/kaufen versucht (oberhalb einer unbestimmten Marginalitätsgrenze [Bsp: GHG mit recycelten Kronkorken-Ansteckern mit Gesamtmaterialunkosten mutmaßlich

  12. alenta! sagt:

    ja so sehe ich das auch, ich habe die lhg gewählt, die hatten nicht mal einen stand im zhg, das war sehr sympathisch, das sie nicht um wähler geworben haben!

    alenta!

  13. retmarut sagt:

    Gibt es denn mittlerweile eine AStA-Mehrheit und wenn ja in welcher Konstellation?

  14. Harvey sagt:

    Mittwoch ab 16 Uhr ist die konstituierende Sitzung (in ZHG 008). Ich glaube auch, dass du die Distanz zwischen ADF und RCDS als viel zu gering eingeschätzt hast und daher dein Punkt 3 wohl eher früher als später an der Tagesordnung sein wird. Wir werden sehen (und berichten).

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