Demo-Nachspiel

Grüne & Linke kritisieren Pfefferspray-Einsatz
von am 28. Februar 2011 veröffentlicht in featured, Polizei & Justiz

Der Göttinger Kreisverband der Grünen hat den gewalttätigen Polizeieinsatz gegen eine Demonstration am 22. Januar scharf kritisiert. Auch Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bekommt sein Fett weg: er nehme körperliche Verletzungen von Demonstrierenden in Kauf, beklagen die Grünen. Auch die Linkspartei kritisiert den Minister.

Schünemann hatte insbesondere den Einsatz von Pfefferspray auf der Demonstration herunter gespielt und gerechtfertigt. Videos des Polizeieinsatzes dokumentieren, wie Beamten der Spezialeinheit BFE scheinbar anlaßlos Pfefferspray in die Menge sprühte und sich dann rasch wieder zurück zog. Der Innenminister hatte erklärt, in Niedersachsen habe es durch den Einsatz von Pfefferspray noch nie langfristige Gesundheitsschäden oder sogar Todesfälle gegeben. Die Kreisgrünen halten diese Argumentation „im Angesicht von mindestens 30 Verletzten geradezu für zynisch.“

„Der Innenminister geht wohl davon aus, dass in Niedersachsen nur top-fitte und gesunde Menschen demonstrieren gehen und seine Polizist_Innen deswegen ruhig willkürlich mit Pfefferspray um sich sprühen könnten“, kommentierte Kreisverbandssprecher Hans-Georg Schwedthelm. Scheinbar sei die Nutzung von Reizgas für den Minister auch dann in Ordnung, wenn sich Asthmatiker_Innen in der Demo befänden, die langfristige Atemwegsbeschwerden durch einen solchen Einsatz erleiden könnten. „Derart ignorant, auch schon gegenüber kurzfristigen Verletzungen zu sein, ist für einen Minister, der als Repräsentant staatlicher Gewalt das Grundrecht seiner Bürger_Innen nicht nur auf Demonstrationsfreiheit, sondern vor allem auch auf körperliche Unversehrtheit schützen soll, einfach unfassbar!“, so Schwedthelm. Auch Schlagstöcke seien „ohne Rücksicht auf körperliche Verletzungen“ eingesetzt worden.

Bei Polizeieinsaätzen bei Demonstrationen gehe es offenbar nicht um verhältnismäßige Maßnahmen, „sondern um ausufernde Gewalt, mit der Teilnehmer_Innen von unliebsamen Demonstrationen gegängelt und abgeschreckt werden sollen“, schimpfen die Grünen weiter. Sie fordern, dass jeder Einsatz von unmittelbarem Zwang „standardmäßig durch die Staatsanwaltschaft kritisch und scharf auf Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit überprüft wird.“ Die Staatsanwaltschaft hat unterdessen bestätigt, aufgrund von Strafanzeigen eines Rechtsanwalts Ermittlungen gegen die Polizei zu führen.

Humke fordert Deeskalation

Auch von der Linksfraktion aus dem Landtag kommt Kritik: Schünemann verharmlose den Einsatz von Pfefferspray. „Schünemann ignoriert die Bilder von Verletzten und die negativen Ergebnisse aus den langjährigen Erfahrungen mit Pfefferspray“, sagte der Göttinger Landtagsabgeordnete Patrick Humke. Er hatte auch die Demonstration angemeldet und die Anfrage an die Landesregierung gestellt, auf die der Innenminister antwortete.

Außerdem kritisierte Humke, dass das Innenministerium Todesfälle bei Pfeffersprayeinsätze in aller Welt nicht anerkenne. Dies sei fahrlässig und führe dazu, dass die Verwendung solcher Waffen zur Normalität wird. „Das Land Niedersachsen sollte anders als sogenannte Bananenrepubliken nicht auf schärfere Gewalt mit immer ausgefeilteren Waffen setzen, sondern auf Deeskalation“, so Humke. Als Beispiel führte er die Deeskalationskonzepte der Polizei in Göttingen in den 1990er Jahren an.

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2 Kommentare auf "Grüne & Linke kritisieren Pfefferspray-Einsatz"

  1. Rakete sagt:

    Artikel aktualisiert: auch die Linkspartei hat sich zu Wort gemeldet.

  2. Rakete sagt:

    In Berlin wird nach einem Todesfall in Folge eines Pfeffersprayeinsatzes gegen die Polizei ermittelt: http://taz.de/1/berlin/artikel/1/stochern-im-pfeffernebel/

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