Soli-Kundgebung am Markt

„Es riecht überall nach Jasmin“
von am 26. Februar 2011 veröffentlicht in Soziale Bewegungen

Rund 80 Menschen haben sich am Samstag Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein neben dem Gänseliesel versammelt, um ihre Solidarität mit den revoltierenden Menschen im arabischen Raum auszudrücken. Nicht nur Ägypten, Tunesien und Libyen – Tausende junge und alte Menschen würden mittlerweile in Marokko, Algerien, Bahrain, Libyen, Gaza, im Iran und im Jemen „für menschenwürdige Lebensbedingungen, bezahlbare Nahrung und soziale Gerechtigkeit“ demonstrieren, hieß es im Aufruf. In Redebeiträgen wurde aber auch der Rücktritt Guttenbergs gefordert.

„Seien wir ein Teil davon – und nicht bloß Zuschauer

Mit einer Schweigeminute für die Toten der Bewegungen in Lybien begann die Kundgebung gegen 14.15 Uhr. Mit „Waffen, die aus Deutschland stammen“, so ein Redner, seien von Gaddafis Schergen mittlerweile Tausende Protestierende umgebracht worden. „Es sind wahrhaft historische Ereignisse, die wir jetzt erleben“, sagte der Redner vor dem alten Rathaus. „Mich erinnern sie an 1968.“ Nun stelle sich „mit aller Dringlichkeit“ die Frage, „wie wir zum Teil dieser Umwälzung werden?“, so der Redner. Es müsse diskutiert werden, wie man sich solidarisch auf sie beziehen könne. „Oder bleiben wir skeptische Zuschauer, schweigen weiter und machen uns mitschuldig an der Kollaboration unserer Regierungen?“, fragte er in die Runde.

Eine Rednerin des Göttinger Friedensbündnis appellierte an Bundeskanzlerin Angela Merkel, in Libyen zu intervenieren. „Unternehmen sie alles zivil mögliche“, forderte die Aktivistin und schloss damit eine militärische Intervention aus. „Und entlassen sie Guttenberg!“ fügte sie unter Applaus hinzu.

Kommentar

Während sich im nordafrikanischen Raum die Revolten über ganze Länder ausbreiten, blieb die Zahl der Demonstrierenden in Göttingen wieder deutlich unter 100. Immerhin waren es mehr als bei der vergangenen Soli-Kundkebung für die Demokratiebewegung in Ägypten und Tunesien, wo nur 40 den Weg zum Gänseliesel schafften. Dass die Linke auch anders kann, zeigt sie, wenn es gegen sie selbst geht. Gut besucht waren in den vergangenen Monaten Demos gegen Repression: Conny, Rote Straße, DNA-Entnahme. Berechtigte, wichtige Anliegen, die dort transportiert wurden, keine Frage. Aber wie weit ist es eigentlich her mit der viel zitierten Solidarität, wenn die nächste Kundgebung gegen Abschiebungen wieder nur von 30 Menschen besucht oder Freiheitskämpfe, die außerhalb des Walls stattfinden, weitestgehend ignoriert werden?

Im Anschluß thematisierte ein weiterer Redner den Zusammenhang westlicher Politik mit den diktatorischen Regimen. „Die Verhältnisse dort sind Ergebnis westlicher Verträge“, kolportierte er. Die nun gestürzten oder noch zu stürzenden Regime seien jahrelang vom Westen unterstützt worden. Immer wieder wurde in Sprechchören „internationale Solidarität“ gefordert.

Die Kundgebung stand unter dem Motto „Solidarität mit den revoltierenden Menschen! Grenzen auf für alle – und zwar sofort!“ und war hauptsächlich von Personen aus der linken Szene besucht. Die „verschiedenen arabischen Menschen“, die noch vor drei Wochen Solidarität mit Tunesien und Ägypten gefordert hatten, waren deutlich in der Unterzahl. Zum Ende zog ein Beamter des polizeilichen Staatsschutzes seine Runden durch die gerade aufgelöste Kundgebung, die sich auch gegen staatliche Repression richtete. Kleinlich genau schien er die noch anwesenden Kundgebungsteilnehmer_innen zu beobachten, ohne das diese Notiz davon nahmen.

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6 Kommentare auf "„Es riecht überall nach Jasmin“"

  1. PiiPo sagt:

    Das große Problem bei solchen Kundgebungen ist vor allem das fehlende Interesse Menschen einzubinden und für die „gute Sache“ – in dem Fall, Solidarität – zu begeistern. Natürlich muss man die Geschehnisse in ihrem Kontext betrachten, nur wenn man in allen Beiträgen über Kolonialismus, Neo-Kolonialismus und Kapitalismus wettert, bleibt man bei seinem kleinen linken Publikum hängen, obwohl das Thema der Solidarität mit den Aufständischen doch weit über politische Lager hinausgeht. In Lybien werden die Menschen abgeschlachtet, im Iran wird jede Freiheitsregung brutal unterdrückt – und dabei geht es erst einmal um ganz simple Sachen, die sich ändern lassen, auch in einer kapitalistischen Welt, nämlich Brot, Arbeit und freie Meinungsäußerung. Diese Themen hätten sicherlich auch viele Passanten heute interessiert, die so aber von einer geschlossenen Gruppe mit linken Kampfbegriffen abgeschreckt wurden.
    Ein Zeichen der Solidarität wurde so nicht gesetzt – schade.

  2. Die Mitte erobern! sagt:

    Ich fand es auch schade, dass auf der Kundgebung heut weniger Menschen waren als z.B. beim Tag X. Allerdings muss man auch sagen, dass diese Kundgebung, wie oft noch kleinere Kundgebungen vorher, auch einfach meines Erachtens nach im Vorfeld schlecht propagiert wurden. Ich persönlich bin nicht auf dem Schöner-Leben-Verteiler und habe von der Kundgebung nur über Freunde erfahren.
    In Zukunft doch bitte Medien wie Monsters zur Ankündigung nutzen und auch versuchen, möglichst viele Verteiler zu erreichen! Dann, bin ich mir sicher, werden wir auf der nächsten Kundgebung auch über 100 Menschen sein!

  3. melvin sagt:

    wer sich für das thema interessiert – es gibt in nächster zeit noch zwei termine, wo man sich informieren bzw aktionen planen kann:

    mi 2. märz „Revolution im Nahen Osten“ 20.00 Uhr TKeller – infos und diskussion
    do 3. märz treffen zum Thema internationale Solidarität, 19.00 Uhr, Bildungswerk, Rote Str. 19 – für alle die gerne aktionen planen und vorbereiten wollen

    aus der gödru kopiert 🙂

  4. SolidaritätTutNot sagt:

    http://de.indymedia.org/2011/02/301530.shtml
    Da gibts noch mehr zu den Inhalten der Kundgebung …

  5. A.M.P. sagt:

    Ich teile eure Einschätzung nur bedingt. Denn „Solidarität mit den Aufständischen“ ist mir persönlich nicht differenziert genug und lässt die Unterdrückten immer als progressives Kollektivsubjekt entstehen. Daran, dass sich (radikale-) Linke nicht mehr überstürtzt in Revolutionsromantik in ferne Länder sehnen, während sie vor Ort eher Abwehrkämpfe führen müssen, halte ich für einen Fortschritt innerhalb linker Auseinandersetzung mit konkreten Verhältnissen. Der Kampf gegen Unterdrückung in Ägypten usw. ist primär ein Kampf gegen die konkrete Herrschaftspraxis vor Ort. Wenn wir (gemeint Linke) also die Freiheit oder gar demokratische Verfassungen für Länder einfordern, stecken Linke meiner Meinung nach in einer Zwickmühle. Selbstverständlich ist eine demokratische Herrschaft dem Mubarak- oder Gaddafi-Regime zu bevorzugen, gewährt es doch eine gewisse Rechtssicherheit für die Menschen und schützt sie vor Willkürmaßnahmen. Doch stellt sich im Hinblick auf die gestrige Veranstaltung der Olafa und Ausführungen des Referenten die Frage, mit wem sich zu solidarisieren ist. Mit den Feministinnen, mit den illegalen Gewerkschaften, mit den sozialistischen Splitterparteien usw? Der scheinbar „unpolitischen“ Demokratiebewegung, die keine Organisierung vorantreibt oder versucht ein Programm zu entwickeln, stehen alte Eliten aus Militär und Kapitalfraktionen, sowie die islamistischen Muslimbruderschaft gegenüber. Diese sind hochgradig organisiert und adaptieren die Erfolge der heterogenen Demokratiebewegung.

    Die Thematisierung deutscher wirtschaftlicher Verpflechtungen, wie sie am Beispiel des Irans öffentlich kritisiert wurden, erscheint mir an der Stelle zielführender. Ein Appellieren an Merkel und Konsorten, dass sie doch Druck auf die Regime ausüben sollten, ist in dem Kontext hochgradig falsch.
    Solidarisch mit den Revoltierenden? Ja, aber es bedarf vorher einer Aufklärung jenseits der hegemonialen Positionen aus den Medien, um sich ein vernünftiges Bild zu machen.
    In diesem Sinne, Solidarität mit den Kämpfenden, die emanzipatorische Ansätze verfolgen!

  6. Guter Beitrag, den ich so unterschreiben würde!

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