Templiner Manifest

Arbeitskampf an der Uni?
von am 22. Februar 2011 veröffentlicht in Soziale Bewegungen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) will mit ihrem „Templiner Manifest“ die Arbeitsbedingungen an den deutschen Hochschulen verbessern. Jetzt wurde die Schrift auch an der Universität Göttingen vorgestellt. Mit Streiks ist aber nicht zu rechnen.

„Traumjob Wissenschaft“ steht auf der ersten Seite des Templiner Manifests. Traumhaft wird es für viele aber erst dann, wenn sie es irgendwann eventuell auf eine der begehrten unbefristeten Stellen geschafft haben. Doch der Weg dahin ist hart: Zeitverträge, Ortswechsel, deutlich mehr Arbeit als vertraglich vereinbart, keine verlässlichen Perspektiven und andere Widrigkeiten warten bei der akademischen Karriere. Doch wer ProfessorIn werden möchte, hat kaum eine andere Wahl, denn die Konkurrenz schläft nicht. Oder zumindest wenig und forscht, lehrt, veröffentlicht, tagt und netzwerkt viel.

Vieles muss sich ändern im Mittelbau, sagt die GEW, und hat dafür im Herbst 2010 ein Zehn-Punkte-Programm verabschiedet. Mehr als 6000 Personen haben das Manifest bereits unterzeichnet. Im Mittelpunkt der Schrift stehen die Beschäftigungsverhältnisse. Dreiviertel der Angehörigen des Mittelbaus an deutschen Universitäten haben befristete Verträge. Das muss nicht so sein, wie ein Blick in andere Staaten zeigt: An französischen, britischen und US-amerikanischen Universitäten haben nur rund ein Viertel der MitarbeiterInnen keine dauerhaften Anstellungen. Oder man wirft einen Blick in die eigene Vergangenheit: Vor einer Generation sah die Arbeit an deutschen Universitäten noch ganz anders aus, und selbst vor fünf Jahren hatten nur halb so viele Uni-Bedienstete wie heute befristete Stellen. Erst die verschiedenen Hochschulreformen der vergangenen Jahren brachten die Veränderungen mit sich.

Die GEW will jetzt möglichst schnell gegensteuern. „Viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten das schon für normal“, erklärt Johannes Moes, Sprecher der GEW-Projektgruppe Doktorandinnen und Doktoranden. Mit den Zahlen aus anderen Ländern will er zeigen, dass die Verhältnisse nicht zwangsläufig so sein müssen, wie in Deutschland. Neben unbefristeten Stellen, Planungssicherheiten und einem besseren Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben will die GEW unter anderem auch bessere Strukturen für DoktorandInnen, ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, bessere Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Tarifverträge für alle Beschäftigten.

Ein Argument, das auch in der Politik zieht, ist der befürchtete brain-drain: Wenn die Arbeitsbedingungen an den Universitäten sich weiter verschlechtern, so Moes, würden die klugen Köpfe bald in der privaten Wirtschaft oder an ausländischen Hochschulen arbeiten. Außerdem: Wer exzellente Hochschule sein will, wie die Georgia-Augusta, brauche auch exzellente Arbeitsbedingungen. In der Tat würden sich Schlagzeilen wie „X-Prozent der Lehraufträge an der Universität Göttingen werden nicht bezahlt“ sicher nicht gut machen, will man auch bei der nächsten Vergabe wieder das Prädikat „Exzellenz-Universität“ erhalten – und damit auch die entsprechenden Gelder.

Argumente haben die GewerkschafterInnen also parat, diesen mit Streiks Nachdruck verleihen werden sie aber wohl nicht. „Wenn bei der Müllabfuhr oder im Kindergarten gestreikt wird, das merken die Leute“, sagt Moes, „bei der Wissenschaft sieht es aber anders aus.“ Ein weiteres Problem für den Arbeitskampf: An deutschen Unis ist kaum jemand gewerkschaftlich organisiert. Bei den ProfessorInnen sind es lediglich fünf Prozent. In Schweden hingegen sind es 70 Prozent, wie Moes berichtet. Zumindest gibt es in Göttingen seit kurzem aber eine GEW-Hochschulgruppe, die sich anfangs vor allem um die Forderungen des Templiner Manifest kümmern will. „Wenn alle in Gewerkschaften wären, ließen sich die Ziele sicher schnell umsetzten“, vermutet Moes.

Dass Zuspruch für die gewerkschaftlichen Ziele an der Uni Göttingen durchaus vorhanden ist, zeigt auch eine ver.di-Studie aus dem Sommer 2010. Knapp 300 Angehörige des Mittelbaus der Hochschule hatte die Mittelbau AG von ver.di-Göttingen befragt und dabei herausgefunden, dass 60 Prozent der Befragten mit Zeitverträgen sich eine unbefristete Anstellung wünschen. In den Unterzeichnungen des Templiner Manifest schlägt sich die Unterstützung, die die Forderungen wohl auch bundesweit haben dürften, indes noch nicht nieder.

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3 Kommentare auf "Arbeitskampf an der Uni?"

  1. retmarut sagt:

    Interessante und unterstützenswerte Initiative der GEW.

    Grundvoraussetzung, dass sich etwas ändert, bleibt allerdings weiterhin, dass sich die Beschäftigten (hier u.a. im Mittelbau) dafür selber gewerkschaftlich organisieren müssen. An den Hochschulen, insb. im akademischen Bereich, wird immer noch die Ideologie des „Ich beisse mich alleine durch“ kultiviert, also das klassische Survival of the fittest. Es ist zudem noch weit verbreitet, dass Mitarbeiter_innen des Mittelbaus mit tradiertem akademischem Standesdünkel auf Selbstorganisierung und Gewerkschaften herabschauen und sich gar als was Besseres (Akademiker_in!) wähnen, dabei stecken viele von ihnen selbst seit langem in der Befristungs-Tretmühle und halten sich nur unter prekären Verhältnissen über Wasser.
    Eigenwahrnehmung und objektive Lage klaffen hier also ganz erheblich auseinander. Daher muss hier erst einmal mühsam und Schritt für Schritt vermittelt werden, dass es a) sinnvoll, b) erfolgversprechend und c) absolut notwendig ist, sich für gemeinsame Beschäftigteninteressen kollektiv zusammenzuschließen. Denn nur so kann eine eigene Mächtigkeit in der Auseindersetzung mit der Arbeitgeber_innenseite erlangt werden.

    Angemerkt sei (wir sind hier ja auf einem linken Blog), dass auch eine ganze Menge Linke (auch aus sog. linksradikalen Zusammenhängen) in dieser Tretmühle feststecken, sich aber trotzdem nicht gewerkschaftlich organisieren. Mal ehrlich: Wie bescheuert ist denn das?!

  2. richard_burton sagt:

    „Angemerkt sei (wir sind hier ja auf einem linken Blog), dass auch eine ganze Menge Linke (auch aus sog. linksradikalen Zusammenhängen) in dieser Tretmühle feststecken, sich aber trotzdem nicht gewerkschaftlich organisieren. Mal ehrlich: Wie bescheuert ist denn das?! “

    Völlig richtig. Generell sind’s doch aber überall zu wenige, die in Gewerkschaften organisiert sind.

    Am 17.03. findet das nächste Treffen der GEW-Hochschulgruppe statt – kommt alle!

  3. hobbes sagt:

    Hallo, ich wollte den Beitrag noch einmal „hervorkramen“, um auf das morgige Treffen der GEW-Gruppe hinzuweisen. Weil sie sich die Gruppe noch in der Konstituierungsphase befindet, freuen sich die OrganisatorInnen bestimmt über eine rege Teilnahme.

    „Zum nächsten Treffen dieser Gruppe

    am 17.03.2011
    um 20.00 Uhr
    im Konferenzraum im GEW-Haus (Weender Str. 6; über Deuerlich am Campus)

    sind alle gewerkschaftlich organisierten bzw. interessierten Studierenden, Beschäftigten der Hochschule und der in Göttingen ansässigen Forschungsinstitute, Promovierenden, Post-Doks usw. herzlich eingeladen. Wir wollen diskutieren, welche Arbeitsfelder wir als GEW-Hochschulgruppe Göttingen angehen können und möchten.“

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