Hitze erstickt Protest gegen Burschis
von am 11. Juli 2010 veröffentlicht in Studentenverbindungen

Bei Rekordtemperaturen von bis zu 38° ist es am Wochenende nur zu verhaltenem Protest gegen das Stiftungsfest der Burschenschaft Hannovera gekommen. An einer Kundgebung am Samstag am Gänseliesel nahmen etwa 60 Personen teil, weitere Proteste blieben größtenteils – anders als in den Jahren zuvor – aus. Die feiernden Burschis hingegen trauten sich offenbar nicht, ihr unter Polizeischutz stehendes Grundstück zu verlassen.

Glühende Hitze herrschte am Samstag um 13 Uhr auf dem Marktplatz, als sich rund 60 Menschen zur angekündigten Protestkundgebung einfanden. In Redebeiträgen und Flugblättern wurde gegen die Burschenschaft Hannovera, ihren völkischen Dachverband DB und gegen das Männerbundprinzip argumentiert. Nach etwa einer Stunde endete die Kundgebung fernab von der Burschenschaft ohne weitere spontane Aktionen im Anschluß. Zahlreiche Kundgebungsteilnehmer*innen hatten ohnehin bereits Schutz vor Sonne und Hitze an den Schatten spendenden Gebäuden am Marktplatz gesucht.

HINTERGRUND
Argumente gegen und Hintergrundanalysen über die Göttinger Verbindungen gibt es im Burschi-Reader „Werte, Wichs und Waffenbrüder“.

Mit weiteren Protesten hatte offenbar auch die Polizei gerechnet. Sie zeigte im gesamten Innenstadtbereich starke Präsenz mit Einsatzwägen aus Hannover, Oldenburg und Osnabrück. Auch das Burschenschaftshaus selbst wurde das ganze Wochenende über von unterschiedlichen BeamtInnen und Polizeihunden bewacht. Auf Twitter ist von einzelnen Personalienkontrollen zu lesen, über weitere Zwischenfälle ist uns nichts bekannt.


Die Kundgebung am Gänseliesel

Am Sonntag Nachmittag fanden sich einige Burschi-Gegner*innen gegenüber der Burschenschaft in der Herzberger Landstraße ein und feierten eine „Protestparty“. Anders als erwartet verließen die Burschis nicht zum Frühschoppen das Gundstück, sondern hielten sich die meiste Zeit im und am Haus auf. In den Jahren zuvor waren ihre öffentlichen Auftritte stets von Protest begleitet gewesen. Die Gegendemonstrant*innen fanden sich schließlich vor Ort ein und störten das Fest auf der anderen Straßenseite, an dem offenbar nur wenige Burschis und alte Herren teilgenommen haben, mit Pfiffen und Sprechchören. Die andere Seite antwortete mit nationalistischen Gesängen und fotografierte in bester Anti-Antifamanier Passant*innen und die politischen Gegner*innen.

Wie in anderen Städten schon länger üblich, sollte der Internetkurznachrichtendienst Twitter an diesem Wochenende eine zentrale Rolle bei den Protesten spielen. Ein eigens eingerichteter Account lieferte allerdings nur zaghaft Infos – wohl auch, weil lange Zeit nichts passierte. Für die Zukunft bietet dieses Medium allerdings noch einiges an Potential, welches irgendwann auch bei den sozial bewegten aus Göttingen ankommen wird.

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4 Kommentare auf "Hitze erstickt Protest gegen Burschis"

  1. ...weitere Zwischenfälle sagt:

    Gestern nachmittag während der Kundgebung gab es dann doch noch etwas: Personalienkontrollen am Anfang bei 4 Leuten nur fürs drumhereum laufen und später 2 Platzverweise, wieder nur fürs herumlaufen. Einzig guter Punkt vielleicht: Die Bullen waren genervt und hatten Schreibarbeit.

  2. tutnixzursache sagt:

    Im Moment sind übrigens keine Bullen mehr vorm Haus und einzelne Burschen stolpern volltrunken vor dem Haus umher. Die Scherpen sehen nicht besonders reißfest und die Jungs sind sternhagelvoll. Für Nachtschwärmer lohnt es sich also unter Umständen noch mal vorbei zu schauen. Die Bullen fahren aber massiv Streife, also aufpassen.

  3. Bündnis gegen rechte Männerbünde sagt:

    Redebeitrag zum Dachverband „Deutsche Burschenschaft“:

    Liebe Leute, wie schon in dem vorherigen Redebeitrag erwähnt, ist die Burschenschaft Hannovera im extrem rechten, völkischen und deutsch-nationalen Spektrum zu verorten. Dies zeigt sich einerseits durch die Veranstaltungen, die die Hannovera im Laufe der letzten Jahre organisierte. Zum anderen zeigen sich diese Einstellungen in der Mitgliedschaft im verbindungsstudentischen Dachverband Deutsche Burschenschaft. Die Deutsche Burschenschaft ist mit ca. 110 Verbindungen und etwa 12 000 Mitgliedern einer der größten Dachverbände von Verbindungsstudenten und kann getrost als eine extrem rechte Vereinigung bezeichnet werden.

    Die Deutsche Burschenschaft versteht sich im Gegensatz zu anderen Dachverbänden als ein explizit politischer Verband. Welche politische Ausrichtung dahinter steht, wird durch ihre Forderungen und Resolutionen mehr als deutlich: So wird zum Beispiel weiterhin die Rückgabe der sogenannten deutschen Ostgebiete gefordert oder in den letzten Jahren auch schonmal zum sogenannten Trauermarsch nach Dresden mobilisiert, Europas größtem Naziaufmarsch, der dieses Jahr glücklicherweise zum ersten Mal verhindert werden konnte.

    Einer der ideologischen Grundpfeiler des Dachverbandes ist der völkische Nationenbegriff. Das Volk wird nicht über die Staatszugehörigkeit definiert, sondern über Abstammung und Herkunft. Das deutsche Vaterland besteht dementsprechend für die DB unabhängig staatlicher Grenzen, ist größer als die Bundesrepublik und österreichische Burschenschaften gehören daher selbstverständlich ebenso zur Deutschen Burschenschaft. Die Deutschen Burschenschaften bejammern das Aussterben des deutschen Volkes durch Einwanderung oder propagieren die Existenz verschiedener menschlicher Rassen mit einem ZITAT „signifikanten asiatischen/europiden/negriden Gefälle (…)“ wie die Burschenschaft Thessalia zu Prag in diesem Jahr behauptete.
    Die Lösung für diese Probleme hat die DB auch schon parat: Noch 1990 wurde auf dem Wartburgtreffen der Deutschen Burschenschaften die Wiederherstellung des Deutschen Reiches gefordert.

    Kein Wunder, dass die Deutsche Burschenschaft vielfältige enge Kontakte zu außeruniversitären extrem rechten Gruppen und Personen pflegt. Der Großteil der neonazistischen Persönlichkeiten in Deutschland durfte schon auf Veranstaltungen der Mitgliedsbünde über Nationalbewusstsein, den „Volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff oder den Germanischen Glauben referieren. Verurteilte Süd-Tiroler Rechtsterroristen, Holocaustleugner und NPD-Funktionäre sind regelmäßige und gern gesehene Gäste auf den Häusern. Gleich mehrere sächsische Landtagsabgeordnete der NPD begannen ihre politische Karriere in Giessen bei der Burschenschaft Dresdensia-Rugia und in München durfte sich 2001 ein Neonazi nach einem fremdenfeindlichen Überfall auf dem Haus der Danubia vor der Polizei verstecken, bevor er in die Niederlande flüchtete. Ein reger Austausch besteht auch mit der rechten Tageszeitung „Junge Freiheit“. Zeitungsanzeigen werden geschaltet und viele Redakteure sind Mitglieder der DB. Der jetzige Chefredakteur des eigenen Verbandsorgans „Burschenschaftliche Blätter“, Norbert Weidner, war selber in den Neunziger Jahren noch Führungskader der später Verbotenen neonazistischen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP). Diese Liste an Beispielen könnte man unendlich weiter führen. Es wird aber bereits deutlich, dass das Problem der Deutschen Burschenschaft nicht an den Kontakten zur extremen Rechten liegt, sondern dass sie selbst dazu gezählt werden kann.

    Eine wichtige Funktion der Deutschen Burschenschaft besteht darin, als Bindeglied zwischen der extremen Rechten und rechtskonservativen Kreisen zu fungieren. Denn sowohl rechtskonservative CDU`ler, Bundeswehrgeneräle als auch Neonazis finden ihre Heimat in der Deutschen Burschenschaft. So gehört Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) seit Jahrzehnten der DB – Burschenschaft Franco-Bavaria München an

    Kritik am Verbindungswesen sollte sich aber nicht auf den extrem rechten Rand der Verbindungen beschränken. Denn was sie alle vereint, ist der Versuch im Namen der „Tradition“ das Gedankengut aus ihrer Gründungszeit in die heutige Zeit hinüber zu retten. Das heisst, elitäre, nationalistische, frauenfeindliche und bisweilen rassistische und antisemitische Einstellungen zu pflegen und zu verbreiten.

    Genug Gründe also, nicht nur die Deutsche Burschenschaft, sondern auch alle anderen Verbindungen und ihre Mitglieder zu bekämpfen und ihnen keinen Ort zu lassen, wo sie in Ruhe feiern und saufen können. Auf geht’s!

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