5 Jahre pony

„Mama und Papa das Reaktionäre austreiben“
von am 15. April 2010 veröffentlicht in Kultur

Seit mitlerweile fünf Jahren hat Göttingen jetzt ein gedrucktes, linkes Stadtmagazin, das pony heißt. Warum eigentlich pony und nicht Wendy? Eine Frage, die wir in unserem Interview mit Chefredakteur Michael Saager nicht geklärt haben. Aber zum Fünfjährigen dachten wir uns, wir könnten ja mal ein paar andere Fragen stellen. Haben wir gemacht, und Micha hat geantwortet. Lesen Sie hier das Protokoll eines Gesprächs, welches eigentlich nur digital stattgefunden hat. Trotzdem oder gerade deswegen .

Fünf Jahre pony. Was heißt das für dich rückblickend?

Weiß ich nicht so genau. Spaß, Arbeit, das Gefühl, etwas zu tun, wo einem niemand von draußen reinreden kann. Oder nur sehr wenig bzw. selten. Denn was wir machen, bestimmen wir ja selbst. Wir präsentieren auch nur, worauf wir Lust haben. Wir besprechen CDs, Bücher, Filme, Themen, die wir interessant oder relevant finden. Und das zieht sich so als roter Faden durchs Heft. Das kann man auch erkennen von außen. Ich würde noch weiter gehen wollen: Man muss blind sein, um das nicht zu sehen.

Ich habe übrigensfrüher mal für „Intro“ geschrieben – da sieht das echt anders aus. Richtig Ärger gab’s da, weil ich da mal ein paar Filme oder ein paar größere Platten verrissen habe. Lustig und peinlich. Würmer. Na gut: Wir sind auch gar nicht groß genug, als dass da eine Major-Firma rangewanzt kommen wollte. Wir müssen uns in anderen Worten wenig Gedanken um Themen wie Käuflichkeit, Nuttentum oder Verrat machen. Unsere Kneipen-Bar-Anzeigenkunden freuen sich in der Regel über die kleinen Tagesankündigungen hinten im Terminkalender. Und wenn die sich freuen, freuen wir uns auch. Was natürlich nicht bedeutet, dass eventbezogene Vorberichterstattung etwas mit Anzeigen zu tun haben muss. Im LIZ, T-Keller oder Lumière, um mal drei zu nennen, da laufen einfach gute Sachen von klugen enthusiastischen Menschen. Die kommen sowieso rein. Bei uns kann es aus genannten Gründen freilich auch passieren, dass wir einen Samy Deluxe präsentieren, dann aber im Artikel seine politische Haltung problematisieren. Das mag widersprüchlich erscheinen. Kann aber sinnvoll sein. Ich persönlich finde das auch witzig, man sollte es nur nicht zur Regel machen, dann wird’s albern. Da könnte ich ja jetzt noch 1.000 Sachen sagen. Hm…

Die aktuelle Ausgabe erscheint in A4 wie sonst nur Trends & Fun oder 37. Wollt ihr das beibehalten?

Nein, Quatsch. Und das steht auch auf unserer Schmuddelseite, dem pony-Hof. Es wird hinten erklärt, weil wir Editorials, diese selbstreflexiven Angeber-Spielwiesen, doof finden. Es ist ja so: Man wird nur einmal fünf. Da hatten wir eben Lust, was Besonderes zu machen. Anderes Layout, mehr Texte, denn eigentlich gibt es ja immer viel mehr zu sagen, nur ist der Platz so bescheuert winzig. Es ist ja manchmal durchaus zum Mäusemelken: Du bist klein, deshalb taugst du auch nichts. Och, guck mal, wie niedlich! Muss man nicht ernst nehmen. Soll man aber. Schließlich geben wir uns Mühe. Andererseits: In fünf Jahren wird man ruhiger. Da juckt einen nicht immer alles jeden Tag.

„Grown up journalism“ sagt ihr über euch selbst. Wovon wollt ihr euch absetzen?

Da fragst du was! Ich weiß es nicht. Das hat sich Ronald Weller, der Layouter und Heftdesigner, mal ausgedacht. Ich fand es und finde es eigentlich ein bisschen zu angeberhaft. Es sieht aber gut aus und klingt ziemlich hübsch. Also bleibt es. Man kann es auch auf unsere mickrige Größe beziehen, dann kommt eine interessante begrifflich-ästhetische Spannung auf. Jetzt, wo du das weißt, spürst du sie bestimmt auch, oder?

Wie ist es in Göttingen um die publizistische Vielfalt bestellt, wenn du dir die Stadtmagazine anguckst?

Seit der „diggla“ weg ist, den ja ursprünglich mal die pony-Redaktion gemacht hat, sieht es in Göttingen noch besser aus. Für uns jedenfalls. Hier wäre jetzt ein Smiley angebracht. Was soll ich dazu sagen? Könnte besser aussehen. Aber besser geht sowieso immer. Guck nach Köln – die haben da die hervorragende, kollektiv geleitete „Stadtrevue“ – und sonst? Oder schau nach Berlin: „tip“ und „Zitty“. Sonst ist da nicht viel. Und die sind nicht mal wirklich gut. Ich werde mich übrigens hüten, an dieser Stelle Göttinger Print-„Kollegen“ durch den Kakao zu ziehen.

Andere Städte können da mehr?

Andere Städte haben teilweise nicht mal so was kleines niedliches wie das pony. Drum sind die Studenten dort auch trauriger. Von euch – monsters – reden wir jetzt aber nicht, ja? Na gut, ganz kurz: Gut, dass es euch gibt. Meine ganz ernsthafte Meinung.

Glaubst du, dass euer Heft den städtischen Diskurs beeinflussen kann? Zum Beispiel, wenn ihr über Super-Dog und die Kreishaus-Killer schreibt.

Der Text war von Jan Langehein, unserer Polit-Spürnase. Die Göttinger Polizei hat bei dieser Aktion mal wieder gezeigt, dass sie sich hervorragend als Possen-Reißer eignet. Wenn der Hintergrund nicht derart ernst wäre, könnte man befreit drüber lachen. So aber nicht. Eigentlich sind wir ja ein linkes Kultur-Magazin mit einem gewissen Faible für Theorie und Popdiskurse. Aber das war wieder mal so eine Stadt-Politik-Sache, da dachten wir uns: Machen wir. Den städtischen Diskurs beeinflussen wir, um auf deine Frage zurück zu kommen, aber wohl eher nicht. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mal, was das sein soll: der städtische Diskurs. Frei nach Foucault: es gibt nur Singularitäten, also auch: Diskurse (im Plural). Ich persönlich bin zufrieden, wenn jemand diesen Text liest, schmunzelt, weil er subtil lustig geschrieben ist, ohne den Ernst der Lage damit zu überspielen, und sich anschließend sagt: Was für eine Scheiße! Und wenn er hinterher demonstrieren geht, andere interessante Sachen anstellt, kluge Bücher zu lesen beginnt oder einfach nur die nächsten Wochen damit beschäftigt ist, Mama und Papa das Reaktionäre auszutreiben, dann wäre das freilich der Hammer. Aber so läuft das natürlich nicht.

Welche Motivation treibt euch denn an, das Heft zu machen? Lohnt sich das finanziell überhaupt?

Du willst Zahlen? Kriegst du nicht. Im Ernst: Das, was reinkommt über Anzeigen, reicht zum Überleben des Heftes. Was nicht bedeutet, dass da irgendeiner von uns das pony hauptberuflich machen würde oder könnte. Dafür reicht es nicht. Wir machen alle andere Sachen. Ich etwa schreibe für verschiedene Zeitungen und Magazine, linke zumeist, sonst würde ich verhungern. Die Motivation entsteht im Produkt und durch das Produkt, durch die Freiheiten, die da drin liegen . Und sie entsteht in der Gruppe der ponys, wo sich alle gut kennen, miteinander befreundet sind, sich auch dann und wann mal streiten, klar, das gehört eben dazu.

Kommt die Krise, über die andere Printmedien klagen, auch beim pony an?

Richtig schwer hat uns die Krise nicht getroffen, nein, kann man nicht sagen. Vielleicht aber die nächste? Die kommt bestimmt.

Manche sagen, ihr benutzt die Berichterstattung über linke Projekte, um damit Geld zu verdienen.

Wer sagt das!? Name, Telefonnummer, Passfoto! Mit Ja, Panik: „Da ist immer irgendwer, der irgendwas zu sagen hat.“ Weißte was: Ich scheiße auf solche Statements. Und was wäre denn die Lösung aller Lösungen: Lieber mit Berichterstattung über rechte Projekte Geld verdienen? Wir verdienen Geld, ja, wenig, eigentlich viel zu wenig, aber Geld. Immerhin. Wir müssen ein Heft voll kriegen, und da schreiben wir viel lieber über linke Projekte als über Quatsch mit Soße. Die meisten von uns kommen doch aus sehr linken Ecken: waren in der Antifa oder in linken Theoriegruppen, schreiben – wie ich und einige andere, eine Vielzahl der Freien sowieso – für linke Publikationen wie die „Konkret“ und „Jungle World“. Ist es cooler oder systemdestabilisierender, seinen Arsch bei McDonalds hin zu halten, und abends Antifa zu spielen? Ich weiß es von den Goldenen Zitronen, den armen: Die hören sich das andauernd an. Hey, ihr seid doch links, wie könnt ihr denn da bürgerliches Theater machen oder Platten verkaufen. Pfui. Und wer zahlt die Miete?

Ihr seid im Internet nicht wirklich präsent, was in diesen Zeiten ja nicht unbedingt gewöhnlich ist. Warum geht ihr nicht online?

Weißt du – ja, das weißt du -, wie viel Zeit so ein permanenter Internet-Auftritt verschlingt? Und da Zeit nicht zuletzt Geld ist, was dann wieder anderswo fehlt, geht eben nur das eine oder das andere. Abgesehen davon: So viel Spannendes in Sachen Kultur passiert in Göttingen nun auch wieder nicht, dass man da jeden Tag auf Zack sein müsste. Das pony als pdf muss reichen. Das kann man sich auf dem Computer angucken und sich dazu einbilden, man sei im Netz. So mache ich das immer.

Wird es denn das gedruckte pony in fünf, oder auch zehn Jahren noch geben? Und wie wird es dann aussehen?

Haha, Spitzenfrage! Es wird uns geben. Uns wird die halbe Stadt gehören. Entweder wir haben dann Din-A1-Format oder Din-A7. Das wir diese geile Format-Lücke entdeckt haben, begründet unseren unvergleichlichen Ruhm in der Zukunft.

Am Freitag, den 16. April feiert das pony Geburtstag im Jungen Theater

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3 Kommentare auf "„Mama und Papa das Reaktionäre austreiben“"

  1. ? sagt:

    Sehr schönes Gespräch! Gefällt mir.

  2. soft_brain sagt:

    Okay, ich gehe zur Pony-Party 🙂

  3. dasschlechtegewissen sagt:

    guckt euch mal die werbung in ausgabe 05/10 direkt unter der ali fire and flames festivalankündigung an! ich lach mich kaputt! pony und einsb go deutschnational! viel spaß beim gemeinsamen fiebern und feiern in schwarz-rot-gold im wmsommer 2010. oioioi

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