Erziehung zur Müdigkeit – „An Education“
von am 19. Februar 2010 veröffentlicht in Leinwand

Jenny hat eine graue Jugend. Alles dreht sich um Leistung, am Ende der Schule im England der 60er Jahre soll die Eliteuni Oxford stehen. Für amüsante Aktivitäten ist da kein Raum, alles muss einem höheren Zweck dienen. Zumindest, wenn es nach Eltern und Lehrerinnen geht. Denn Jenny entspricht nicht nur dem gängigen Schönheitsideal, sie hat auch was auf dem Kasten. Und dann kommt der doppelt so alte David (Peter Sarsgaard), der ihr Tür und Tor in eine farbenfrohe Welt voller Kunstauktionen, Konzerte und Nachtclubs öffnet. Die 16jährige Schülerin, gespielt von der 24-jährigen Carey Mulligan, bricht aus dem spießbürgerlichem Korsett aus und verliebt sich in einen Mann, der zunächst nur das Beste für sie im Schilde zu führen scheint.

Selbst Jennys durch und durch unsympathisch gezeichneter und durch antisemitische Äußerungen in Erscheinung tretender Vater (Alfred Molina) freundet sich mit dem neuen Verehrer an – schließlich ist der finanziell bestens abgesichert. Es wirkt zunächst so, als ob der freundliche Jude, der die Tochter mit ihrem Cello von der verregneten Straße aufgesammelt hat, mit den antisemitischen und auch rassistischen Klischees ihres Umfelds bricht. Letzten Endes reproduziert seine weitere Darstellung jedoch genau diese Stereotype. Sein Geld verdient er nicht auf im bürgerlichen Sinne ‚ehrliche‘ Art und Weise, er betrügt alte Frauen um ihre kostbaren Eigentümer – der schachernde Jude wie er im Buche steht, ein Schlitzohr und Kinderverführer. Überzeichnete Darstellungen wie die der antisemitischen Schulleiterin („Die haben unseren Herrn umgebracht!“) können nicht darüber hinweg täuschen, dass am Ende alle Klischees bestätigt werden.

Die Autoritäten in der Schule warnen die junge Jenny vor ihrem Vorhaben, das Leben mit diesem Mann verbringen zu wollen. Doch die Kritik ist eine falsche. Nicht die Gefahr, die die Avancen eines wesentlich älteren Mannes für ein Schulmädchen in sich bergen, bereitet den Aufsichtspersonen Sorge. Es ist die Tatsache, dass Jenny lieber jetzt schon das Leben genießen will. „Enden wir nicht alle dann irgendwann damit, dass wir schwer und langweilig leben, Ponygeschichten und Hausarbeiten schreiben?!“ kontert sie tough. Lernen und Leistung kann nicht alles sein, hat die inzwischen 17jährige verstanden. Doch es wird ihr wieder ausgetrieben.

Am Ende steht ein bürgerliches Happy End, denn all die UnsympathieträgerInnen hatten recht: Die antisemitische Schuleiterin (Emma Thompson), die spießige Lehrerin (Olivia Williams), der ins Leistungdenken vernarrte Vater. Der Ausbruch Jennys in ein aufregendes Leben ist zum Schluss nicht mehr als eine kindliche Träumerei. Wenn du erwachsen bist, hast du kapiert, dass es eben doch nicht so läuft. Dann lieber lernen, es zu etwas zu bringen und auf die Eliteuni gehen, wie es die Eltern schon immer vorgesehen haben. Und das ist dann gut. „An Education“ eben, das hat Jenny gelernt. Das bürgerliche Glücksversprechen siegt über den letzten Willen zur Freiheit.

Ein Film, ärgerlich bis zum Ende, aber ärgern kann man sich darüber mit Leidenschaft. Wahrlich kein leichter und kein uninteressanter Stoff, der in „An Education“ geboten wird.

An Education läuft in Göttingen im Sterntheater.
Text: Trampelfant & Rakete

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