Über den Tellerrand! Und ich spreche von Kassel!

Ein Konzert mit den Bands Saalschutz und Tante Renate. Völlig jeder Kenntnis beraubt habe ich mich sofort gemeldet, als ich von diesem Ereignis auf der MoG-Veranstaltungsliste las. Vor meinem inneren Auge sah ich schon deftige Kommentare angesichts zu erwartender Nietenpunks und Pöbel und Gesocks-Aufnäher. Ich stellte mir schönste Klisches vor und hatte schon die eine oder andere Anmerkungen erdacht, die man locker mit „lookism“ hätte kritisieren können – wenn man gewollt hätte. Beim Stichwort „lookism“ wertet man ja gerne hochgradig unterschiedlich.
Mein Plan war mit der ersten Sekunde zum Scheitern verurteilt. Wir haben nicht mehr 1995, gar 1985 – wir haben 2008. Da gibt es zwar auch Punk mit bescheuerten Namen, aber da gibt es auch sowas wie Elektro-Punk. Allerdings auch mit bescheuerten Namen. Für mich klingt das ehrlicherweise oft nach Krauts, die Depeche Mode hassen aber trotzdem klingen wie Depeche Mode – allerdings auf 45 RPM.
Das neue Punkformat hat durchaus Vorteile. Erstens: eine Band kann aus locker einer Person bestehen. Das ist praktisch! Man muss sich nicht mit zwei bis vier anderen Blödmännern darüber streiten, was coole Musik ist. Man kann sich allein in ein Volvo-Coupé setzen, spart Sprit, Bus-Geld und Nerven – weil man sich eben nicht mit einer nervigen Band auseinandersetzen muss. Ja, Vorteile, die viele nutzen und aus ihrer Punk/Hardcore-Depression irgendwann ausbrechen, sich ein Keyboard kaufen und geschmackloseste, grelle Layouts als äußeren Ausdruck des neuen Lebensgefühls benutzen. Immerhin, über alte Zeiten kann man dann trotzdem noch referieren. Soweit so gut. Das machen viele, denn alles was mit Elektro zu tun hat, ist auf dem besten Wege, Konsensmusik zu werden. Leute wie ich kommen da irgendwann nicht mehr mit. Was in der Masse an Bands nun was taugt, lässt sich kaum verifizieren. Außer, dass mir Mediengruppe Telekommander-Fans tendenziell auf den Geist gehen. Die Band übrigens auch.
Lassen wir es bei den nackten Fakten: Saalschutz kommen aus der Schweiz und sehen aus wie man sich eine solche Band vorstellt. Tante Renate kommen aus Hamburg und sehen so aus wie man sich eine solche Band vorstellt. Beide Bands klingen so, wie man sich solche Bands vorstellt. Tante Renate gefallen mir dabei etwas besser. Über Beats etc. sollten Leute wie ich schön die Klappe halten.

Am Mittwoch im Arm, dass ist in Kassel!