Bye bye, electroosho!
von am 26. September 2007 veröffentlicht in Popkultur, städtisches

Das Göttinger electroosho ist seit 9 Jahren in der Weender Straße zu Hause. Vor Allem Fans von elektronischer Musik und Hiphop kamen hier auf ihre Kosten, aber auch Veranstaltungen wie die Glamour Party waren lange Zeit eine Institution. Am Samstag findet im electroosho die letzte Party statt, 7 DJs werden am „Closing Weekend“ für Stimmung sorgen. Danach schließt das electroosho seine Türen.1 Wir sprachen mit dem Betreiber Jörg über seinen Club und das Leben als Gastronom in Göttingen.

Hallo Jörg. Du bist vor 4 Jahren im Osho als Betreiber eingestiegen. Wie
kam es dazu?

ich habe vorher ein paar jahre den 6 millionen dollar club mit einem freund zusammen geführt – da für mich das osho schon immer der göttinger club nummer 1 war, war das angebot eines kaufs damals natürlich sehr verlockend. und so hats ja dann auch funktioniert.

Weisst du noch etwas über die Anfänge des oshos zu berichten? Also von
vor deiner Zeit?

oh mann… da waren schon ganz schön kranke parties vor meiner zeit. aber halt auch für einen club dieser größe und für diese stadt wahnsinnig gute djs. der laden hatte sich definitiv einen sehr guten namen gemacht im laufe der ersten jahre, auch wenn es teilweise schon sehr chaotisch war.

In wiefern hat sich das osho im Lauf der Jahre verändert? Und in wiefern
hat man das als Clubbetreiber überhaupt in der Hand?

wenn man die eigenen ansprüche und wünsche nimmt, hat es sich weiß gott nicht zum guten verändert. es gibt immer mehr völlig „beliebige“ parties. das macht es dann für einen club, der eigentlich eher in den musikalischen „nischen“ zu hause ist, wahnsinnig schwer. es war jedenfalls deutlich zu beobachten, dass die musik und die djs, die im osho ja eigentlich immer im vordergrund stehen sollten, für viele (gerade jüngere) gäste, immer unwichtiger wurden. billig musste es sein – die musik war dann schliesslich eher nebensächlich. man muss dann als betreiber schon ganz schön viele kompromisse eingehen – was natürlich dann zu lasten des eigenen anspruchs geht. das hat sich im letzten jahr hier und da wieder verbessert. nur kann ich mich persönlich mit dem generellen trend zum mainstream irgendwie nicht anfreunden.

Bevor du das Osho übernommen hast warst du sechs Jahre im Dollarclub aktiv. Man kann also sagen, dass du zehn Jahre in Göttingen als Gastronom gearbeitet hast. Was lernt man in einer so langen Zeit?

naja, es waren im nachhinein glaub ich nur 7,5 jahre – das reicht aber auch. man lernt auf jeden fall, auch in schwierigen zeiten gut zu schlafen 😀

sich selbständig zu machen, wenn man noch jung ist, ist am anfang einfach nur ein ziemlich großes abenteuer. ich gebe zu, dass ich am anfang echt überhaupt keine ahnung hatte, wie das alles läuft. aber mit der zeit fuchst man sich da dann irgendwie rein. es war auf jeden fall eine sehr lehrreiche zeit – in jeder hinsicht.

Was hat dich am meisten am Göttinger Publikum genervt, wofür hast du es
lieb gewonnen?

es nervt in göttingen definitiv die nicht vorhandene bereitschaft vieler leute, für qualität auch geld auszugeben. selbst bei wirklich guten djs hat der eintritt im osho nie mehr als 5,- euro gekostet. doch da wird verhandelt, gefeilscht und die leute interessiert es schlichtweg überhaupt nicht, dass man in anderen städten für 5,- euro noch nicht einmal zwei bier bekommt, geschweige denn der eintritt so günstig ist. und ein guter dj kostet nun mal auch geld. das hat schon schwer genervt.

im gegenzug macht es natürlich sehr viel spaß, wenn gäste zu einem kommen, um sich für einen abend persönlich zu bedanken. oft auch, weil sie es nie für möglich gehalten haben, z.b.einen bestimmten dj im osho erleben zu dürfen. das ist dann natürlich ein gutes gefühl und man weiß dann, für wen man solche parties veranstaltet.

Nächstes Wochenende ist im osho die letzte Party. Warum schließt der Club und wie geht es mit der Location weiter?

puh, das würde hier wahrscheinlich den rahmen sprengen. zum einen waren es differenzen mit meinem vermieter, zum anderen aber auch der wunsch meinerseits, mich langsam von diesem club-business zu verabschieden. ich bin jetzt 30 – und davon, inklusive meiner zeiten als barkeeper, seit fast 9 jahren im nachtleben unterwegs. da muss dann auch mal ein „normaler“ job her. ausserdem kann ich es kaum erwarten, am wochenende mal mein handy abschalten zu können und freitags nach feierabend sagen zu können: so, was mach ich eigentlich am wochenende?

Wie fühlt es sich an, nach vier Jahren seinen Club schliessen zu müssen?

sehr gemischt. zum einen bin ich natürlich traurig, weil ich unglaublich viele nette leute getroffen habe und kennenlernen durfte. daraus haben sich einige wirklich gute freundschaften entwickelt. ausserdem wird es mir glaub ich fehlen, gute parties zu veranstalten und (ganz bescheiden gesagt) die stadt in party-hinsicht ein wenig zu bereichern.

andererseits fängt jetzt auch ein ganz anderes leben an. und darauf freue ich mich auch. ausserdem ist ja nicht gesagt, dass ich nie wieder eine party veranstalte – vielleicht halt nur nicht in göttingen.

  1. Das Osho macht doch weiter: wie uns zugetragen wurde hat „nur“ der Besitzer gewechselt. [zurück]

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9 Kommentare auf "Bye bye, electroosho!"

  1. Fernseherin sagt:

    Pardon, Monsieur rakete

    Das osho ist ist in der Weender Strasse. Die Weender Landstrasse beginnt ab der Kreuzung Nikolausberger Weg… Da sind dann die weniger schönen Adressen wi Alpenmax und so.

  2. John K. Doe sagt:

    yep – feilschen und am besten nichts zahlen wollen für dj’s oder bands, dass hat in göttingen tradition (nicht nur göttingen). kenn ich zu gut, dass nervt ohne ende.

  3. Brick sagt:

    Recht so Johnny-Boy. Und das mit dem Osho stinkt mir unheimlich. Langsam wirds eng was Göttingen angeht. Gut, dass wirn Semesterticket haben…

  4. miesmuschel sagt:

    yeah thank god – aber um ehrlich zu sein fällt mir gerade nix ein wo es sich hinzufahren lohnt ohne mindestens 3 h unterwegs zu sein ….

  5. John K. Doe sagt:

    hier vielleicht mal eine kleine geschichte zu so hornochsen an der kasse. ich habe mal mit band ein konzert in lübeck gespielt. die veranstalter waren totale experten. sie machten keine oder kaum werbung und nahmen für zwei tourende bands 2,50 euro eintritt. ich war schon fast dabei den veranstalter zu ertränken, als zwei hässliche vollidioten zur kasse traten. die fragten was so los wäre, dann kratzten die sich ne halbe stunde an ihrem bescheurten kinnnbärten rum um mit der grandiosen klage aufzuwarten, dass 2,50 doch etwas teuer wäre für zwei bands. gäbe es diese ominöse strafgesetzbuch nicht, dann hätte ich diese beiden rindviechern am liebsten an den mikrokabeln aufgeknüpft. als veranstalter hatte ich selber auch schon größten affen von angesicht zu angesicht. gerne kleine rotznasen in mittelklasse-millencollin-outfit die ausreichend geld und wenig geschmack haben und nach möglichkeit nichts zahlen wollen. noch lieber sind mir allerdings so leuchten, die politisch hochmotiviert mir die welt an der kasse erklären und dann mit wütenden äderchen am hals „kapitalist kapitalist“ blöken.

  6. fabbal sagt:

    hm kenn ich nicht diese feilscherei…
    wenn ich keine kohle hab bleib ich halt daheim, so wie jetzt grade. 🙁

  7. Stefan sagt:

    .. ganz ehrlich! Ich habe in noch keiner anderen Stadt so eine kaputte Preispolitik in der Clubgastro gesehen wie in Göttingen! Da kann ich Jörg nur 1000% zustimmen, das macht es einem wirklich extremst schwer hier zu überleben …

  8. Brick sagt:

    Göttingen hat aber auch ne ganz spezielle Gastro. Viel „studentischer Mainstream“, zu dem ich auch die sog. alternative Szene, so überhaupt vorhanden, zählen würde. Nichts anderes wollen die Leute aber anscheinend. Neue Formate werden nicht allzu gut angenommen. Da spielen zum „Watt der Bauer nisch kennt datt freit der nich-Syndrom“ sicher auch die Eintrittspreise mit rein. Muss mich hier auch an die eigene Nase fassen. Ich kann nicht mal an nem Samstagabend 20€ für den Eintritt verprassen, bis ich nen Laden zum verweilen gefunden habe. Es gibt in der Stadt keinen Laden in dem ich blind 10€ fürn Eintritt lassen würde, dazu sind die Läden oft zu profillos. Am Freitag HipHop, dann mal 80er zwischendurch und die Alternativos werden dann mal am Mittwoch abgeschröpft und man weiß – abseits der Pfade – nicht wirklich was man für den Eintritt bekommen wird. Ein, auch verhältnismäßig hoher Eintrittspreis, ist aber von meiner Seite kein Grundsatzproblem, wenn ich sicher sein kann, dass mir beste Voraussetzungen für einen gelungenen Abend geboten werden.

    Verdammt…ich hab derzeit nicht mal 10€…!

  9. Rakete sagt:

    Mag sein, dass es Leute gibt die feilschen um des Feilschens willen, wie John es erzählt hat. Letztlich ist es aber immer eine Frage des Habens oder Nicht-Habens. Der Grund zum Feilschen dürfte doch bei den meissten in der viel zitierten „Knappheit der Mittel“ liegen. Und da bringt es rein gar nix, da über die Feilschenden zu meckern, sondern vielmehr sollte man mal die Verhältnisse reflektieren, die die Leute dazu bringt. Hinzu kommt noch, dass es in Göttingen als Studistadt eben relativ viele EinwohnerInnen mit relativ kleinem Geldbeutel gibt. Deswegen stimmt es auch nicht, dass Göttingen eine „kaputte Preispolitik“ hat – im Gegenteil sie funktioniert. In diesem Fall sogar mit begrüssenswertem Ergebnis: im Verhältnis zu anderen Städten geringen Preisen und somit für viele Leute geringere finanzielle Hürden und gleichzeitig mehr Möglichkeiten, am kulturellen Leben teilzuhaben. Was soll man da schon dagegen haben?

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