Die ALI über Demonstration und Straßenfest am 17.10.

„Kein Mensch flieht freiwillig“
von am 16. Oktober 2015 veröffentlicht in Migration, Politik, Soziale Bewegungen, Titelstory
Auch international gibt es Kämpfe für die Rechte von Geflüchteten - hier: London 09/2015 (Symbolbild by Ilias Bartolini, CC BY-SA 2.0)
Auch international gibt es Kämpfe für die Rechte von Geflüchteten - hier: London 09/2015 (Symbolbild by Ilias Bartolini, CC BY-SA 2.0)

„Refugees welcome heißt grenzenlose Solidarität“. Unter dem Motto plant die Antifaschistische Linke International eine Demonstration gegen die Asylrechtsverschärfung am kommenden Samstag. Monsters hat mit einer Vertreterin der ALI darüber gesprochen.

Parallel findet in der roten Straße ein Straßenfest für Geflüchtete statt. Dabei soll Raum zum Austausch geboten werden. Ausserdem gibt es Musik von DJ Ringo (Balkan Beats), eine Soli-Küche und verschiedene Informations-Stände von antirassistischen Initiativen. Das Straßenfest soll um 11 Uhr beginnen, explizit sind auch Geflüchtete eingeladen.

Zugleich beginnt eine Demonstration um 12:30 Uhr. Mit Kathrin von der ALI hat Monsters über die bevorstehende Demonstration gegen die Asylrechtsverschärfung gesprochen.

In Göttingen feiert man sich ja gerade ein Bißchen für die hiesige „Willkommenskultur“ und die vielen Ehrenamtlichen, die sich engagieren – wie seht ihr das eigentlich?

Grundsätzlich muss man sagen, dass die Stimmung hier besser ist als in Sachsen. Aber auch hier gibt es rassistische Ausfälle und Übergriffe. Zum Beispiel gab es in Adelebsen einen Vorfall, bevor die Unterkunft bezogen wurde, dass da junge Männer mit Hitlergruß vorbeigefahren sind und rassistisch gepöbelt haben. Grundsätzlich muss man auch sagen, dass es nicht so ist, dass im Umkreis von Göttingen, der ländlich geprägt ist, es schlechter wäre als in Göttingen selber. Im Stadtgebiet gibt es ja die Unterkunft an den Zietenterassen. Da hat sich schon weit vor dem Bau die Bürgerinitiative Zietenterassen gegründet, die mit sehr rechten Parolen angefangen hat, Stimmung gegen das Flüchtlingsheim zu machen und da auch sehr chauvinistische Argumentationen kamen. Zum Beispiel, dass die Grundstückspreise sinken könnten.

Nun gab es im Sommer ja einen regelrechten „Willkommenshype“. In der Ankündigung eurer Demonstration sprecht ihr angesichts dessen aber von einem Verwertungsdiskurs – was ist damit gemeint?

Damit ist das gemeint, was recht früh, innerhalb dieses Willkommenshypes, schon kam: „Die Flüchtlinge sind ja recht gut ausgebildet und helfen der deutschen Wirtschaft“. Wir meinen damit, dass so eine Sortierung vorgenommen wurde zwischen Wirtschaftsflüchtlingen, die nur aus ökonomischen Motiven ihre Heimatländer verlassen würden. Und auf der anderen Seite eben die „guten Kriegsflüchtlinge“, die ja alle gut qualifiziert seien und dem deutschen Fachkräftemangel entgegen wirken würden. Wie das jetzt konkret ist, kann ich selber jetzt nicht beurteilen. Aber an sich ist es menschenverachtend, das Asylrecht an die Verwertbarkeit von Menschen zu knüpfen.

Und was würdet ihr dem als politisches Ziel entgegensetzen?

Grundsätzlich haben wir wenig Hoffnung in die deutsche Regierungspolitik. Was für uns Willkommenskultur heisst, möchten wir auch bei dem Straßenfest in der roten Straße verwirklichen. Dass es nicht um ein rein verbales, gehyptes „Willkommen“ geht, sondern auch um praktische Hilfe. Die wird ja durchaus auch von weiten Teilen der Bevölkerung geleistet. Aber es geht nicht nur um diesen karitativen Beitrag, sondern darum, dass man begreift, dass da ein gewisser klassenkämpferischer Aspekt mitschwingen muss. Und dass man soziale Kämpfe von hier mit denen der Geflüchteten verbinden muss, um effektiv zu sein.

Du sprichst von sozialen Kämpfen – das hängt ja durchaus auch mit der ökonomischer Ausbeutung anderer Länder zusammen. Resultiert daraus eine Verantwortung oder wie ist das zu verstehen?

Ich denke, man kann ja in vielen Teilen sehen, dass die deutsche Aussenpolitik aggressiver wird. Das hat ja in den 90er Jahren angefangen mit dem Kosovo. Der Kosovo wurde gerade zum sicheren Herkunftsland erklärt, obwohl dort immer noch 700 deutsche Soldaten stationiert sind. Da wurde sehr viel kaputt gebombt und jetzt heißt es „Damit haben wir nichts mehr zu tun“. Auf der anderen Seite fungiert Deutschland nicht nur als alleiniges Land, sondern auch im Rahmen europäischer oder internationaler Politik über den Weltwirtschaftsfond. Das man einfach eine neoliberale Umgestaltung ganzer Regionen hat. Was dann zu Privatisierungen führt und damit auch zu einer Verarmung der Bevölkerung. Mal wird das eben durch wirtschaftliche Anreize durchgesetzt und manchmal auch militärisch.

Ist das Asylrecht denn dann noch die Ebene, auf der sich eine Antwort bewegen müsste? Oder wie wünscht Ihr euch, dass Migration organisiert wird?

Also, ich glaube, der Slogan „kein Mensch flieht freiwillig“ ist schon sehr richtig. Natürlich sollen sich Menschen frei bewegen können. Aber vor Allem müssen eben auch Fluchtursachen bekämpft werden – beziehungsweise gar nicht geschaffen werden. Natürlich muss man erstmal hier ansetzen, dass das Asylrecht nicht noch weiter ausgehöhlt wird, aber grundsätzlich geht es auch um die Benennung von Fluchtursachen.

Ihr richtet euch ja mit der Demonstration gegen die Asylverschärfung, was kritisiert ihr denn daran?

Grundsätzlich alles. Es ist schwierig, da einzelne Punkte rauszunehmen. Sehr prägnant ist zum Beispiel, was, soweit ich weiß noch nicht beschlossen wurde, Flüchtlingskontingente festzulegen. Das hieße ja, dass das Aslyrecht faktisch abgeschafft würde. Denn dann hätte ja nicht mehr eine Einzelperson ein Recht auf Asyl, sondern es gäbe quasi eine Gnadenfrist für ein bestimmtes Maß an Leuten. Auf der anderen Seite finden wir auch die Erklärung zu -scheinbar- sicheren Herkunftsländern völlig fehlgeleitet. Einerseits höhlt das auch das Asylrecht des und der Einzelnen aus und auf der anderen Seite ist es auch Taschenspielerei.

Woran liegt das eurer Meinung nach, dass nach diesem Sommer, wo ja auch Bilder vom herzlichen Empfang einiger Geflüchteter am Münchener Hauptbahnhof durch die internationale Presse gingen, nun plötzlich über eine Asylrechtsverschärfung diskutiert wird?

Ich denke, so plötzlich ist das nicht gekommen. Auch als es die Bilder von den Bahnhöfen gab, gab es immer auch den Tenor „Deutschland kann nicht alle aufnehmen, wir sind überfordert, wo soll das alles hinführen“. Jetzt kommen ja auch verstärkt die Bilder von überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen und die Berichte über Schlägereien. Es ist halt so, dass die Asylrechtsverschärfung als Sachzwang dargestellt wird, der er letzendlich nicht ist. Ich denke, das hat sich schon lange abgezeichnet und von daher würde ich nicht sagen, dass das trotz der Willkommenskultur jetzt plötzlich kommt, sondern schon lange vorgesehen war.

 

 

Photo by Ilias Bartolini, CC BY-SA 2.0 @ Flickr.com,

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