Wir sind Monsters! (Teil 1)
von Rakete am 4. Dezember 2007 veröffentlicht in in eigener Sache, städtischesEin Jahr Monsters of Göttingen. Ein Jahr Subkultur, Popkultur und Mainstream. 760 Artikel hat die Redaktion hervorgebracht, hunderte Kommentare wurden dazu abgegeben. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Was haben wir in diesem Jahr erreicht? Konnten wir unsere Ziele vom Beginn umsetzen? Die Monsters interviewten sich selbst, über sich selbst. Dabei ist ein neunseitiger Text heraus gekommen, den wir euch in drei Teilen vorsetzen werden. Im ersten Teil klären wir die Anfänge der Monsters und streiten uns darüber, was wir eigentlich wollen. Wichtig ist uns wie immer, was ihr wollt: gerne dürft ihr die Kommentarfunktion nutzen, um uns mal so richtig die Meinung zu geigen.
Dieser Tage wird Monsters of Göttingen ein Jahr alt. Wie kam es eigentlich zur Gründung des Magazins?
Fernseherin: Das kann Ich nicht beantworten, weil Ich nicht dabei war. Was Ich zu wissen glaube ist, dass es ein neues Stadtmagazin mit einem inhaltlichen Brückenschlag zwischen Popkultur und Politik geben sollte.
Rakete: Die Idee zu Monsters kam ursprünglich von mir und ist mittlerweile mindestens zwei Jahre alt. Ich war schon vorher publizistisch unterwegs und wollte auch mal über was anderes als immer nur Musik schreiben, womit ich angefangen habe. Ausserdem gab und gibt es in Göttingen für mich kein anderes, befriedigendes Onlineangebot. Der diggla besticht eigentlich nur durch den detaillierten Terminkalender und goest ist halt goest. Mittlerweile kann man das pony ja als PDF runter laden, das ging damals auch noch nicht.
Die Intention war ganz zu Anfang, sich von den gängigen Stadtmagazinen abzugrenzen. Ich kam damals mit einer Freundin zu dem Schluß, dass die meissten Ankündigungen in den anderen Magazinen entweder lobhudelnd oder unkritisch, in den meisten fällen auch nichtssagend waren. Wir wollten von Anfang an werten, wofür wir ja jetzt immer wieder kritisiert werden, ins Besondere John.
Die Idee, politische Inhalte als Schwerpunkt mit rein zu nehmen, kam erst später. Beim Launch der Seite vor einem Jahr stand dann fest, dass wir Popkultur und Politik irgendwie verbinden und vor allem politische Inhalte leicht verständlich aufarbeiten wollen. Im November gingen wir mit wenigen Leuten in eine Testphase, bevor wir dann im Januar 2007 das Magazin überall beworben haben. Seitdem ist unsere Redaktion ja auch immer mehr gewachsen.
Wo sehen wir uns eigentlich mittlerweile in der Göttinger Medienlandschaft? Ganz am Anfang haben wir uns ja mal zwischen pony, diggla und Gödru verortet.
Klaus: Haben wir das? Keinen Plan. Wir haben auf jeden Fall mit ersteren nicht viel gemeinsam, da wir unsere Terminankündigungen sehr kritisch verfassen und eben auch politische Inhalte haben. Mit letzterer haben wir gemeinsam, dass die Möglichkeit des Mitgestaltens und der Reaktion besteht, doch auf MOG viel unmittelbarer und einfacher als bei der GöDru. Dadurch eben auch manchmal weniger durchdacht. Aber auch vergänglicher. Tja…..
Rakete: pony und diggla haben schon auch politische Inhalte, das kannst du so ja nicht sagen. Da sind wir uns teilweise gar nicht so unähnlich. Allerdings werden da eher Texte über Sachen geschrieben, die die Redakteure gut finden, also nicht zu harsch kritisieren werden. Von daher könnte man wahrscheinlich schon sagen, dass wir kritischer sind, allerdings verhält es sich, wenn wir ehrlich sind, mit der journalistischen Qualität auch oft umgekehrt. Das merke ich auch an mir, der ich ja auch für eines der besagten Magazine schreibe: wenns um Printmedien geht, gebe ich mir wesentlich mehr Mühe. Keine Ahnung, warum.
Schmendi: Also ich sehe nicht, warum die Möglichkeit zum Mitmachen bei MOG einfacher sein soll als bei der GöDru. Bei letzterer schreibe ich nen Text, werfe ihn ein und gut is. Aber bei MOG muss ich erst um einen Account betteln, was schreiben, hoffen das niemensch was dagegen hat. Das ist m.E. eine wesentlich höhere Hürde als bei der GöDru.
Klaus: Das ist in jedem Fall einfacher bei MOG mitzumachen und am der Diskussion teilzunehmen, weil man sich sicher sein kann, dass die Reaktion erscheint, ich meine damit auch den Kommentar. In der GöDru solltest du dich erstmal hinsetzen und recherchieren, ansonsten wird es nicht gedruckt. Das ist meiner Meinung nach eine große Hürde.
Schmendi: Und auch die Kritik ist ja – um zu der Einschätzung als politisches Magazin zurückzukommen – in aller Regel eine eher privat-ästhetische denn eine politische. Sicherlich gab es auch immer mal Vorwürfe an einzelne Bands, ihre Lieder oder ihr Bandname seien nun nicht gerade der Olymp der political correctness, aber in der Masse der Verrisse ist das doch wohl eher die Ausnahme. Und gerade bei Veranstaltungsankündigungen stellt sich ja schon die Frage, warum die ausgerechnet jemensch schreiben sollte, der den Kram einfach für abgrundtief überflüssig hält. Bei Deutschland-Parties kann ich das verstehen, aber eben deshalb, weil es dann politische Begründungen dafür gibt. Und in aller Regel begründet etwa John ja seine Abneigung gegen Ska nicht politisch – es sei denn, ich habe „Trompeten zu Flugscharen“ nicht begriffen… ,-)
Fernseherin: Um auf die Frage zurückzukommen – Ja das stimmt, und da würde Ich uns auch immer noch sehen. Was jedoch dabei aussen vor bleibt ist der interaktive Aspekt, der monsters doch von den anderen abhebt – und auch genutzt wird. In puncto Fleiß könnten wir uns bei goest noch ’ne Scheibe abschneiden.
Klaus: Meinetwegen muss ich nicht die Ankündigungen für Veranstaltungen schreiben, die mir nicht gefallen. Aber dann soll sich auch keiner beklagen, dass keine Ankündigungen erscheinen. 😉 Wenn ich was schreibe, dann äussere ich dabei das, was ich denke. Das betrifft in dem Fall eben auch eine musikalische Kritik und Kritik an der Haltung der Musiker/Fans, was mir bei Ska beispielsweise arg missfällt und das war tatsächlich schon immer so. Jeder Mensch hat nun mal seinen eigenen Geschmack oder eben keinen. Ich steh vielleicht auf Hardcore und Grossraumtechno, das gefällt auch nicht jedem und damit kann ich ehrlich gesagt gut leben. (Stellt euch mal vor die Hardcore-Konzerte im Juzi wären brechend voll!) Über Geschmack lässt sich eben nicht streiten.
Und sollte man demjenigen, der keine politische Kritik äussert, sondern seine eigene, wie auch immer motivierte, den Mund verbieten, bzw. das Schreiben? Das kann nicht das Ziel sein, wenn man sich an der Schnittstelle von Mainstream und linker Szene positionieren und dabei möglichst viele Menschen ansprechen will…
Was mich darüber hinaus interessiert ist, wie die Monsters zu dem auch desöfteren aufgekommenen Vorwurf/Hinweis stehen, dass linke Kritik auch im Rahmen der Diskussionen bei MOG oftmals so intellektuell/wissenschaftlich formuliert wird, dass Normalsterbliche/Nichtstudierte sie nicht rezipieren können? Das ist meiner Meinung nach oftmals eine Hürde und in gewisser Weise auch eine Abgrenzung vom Mainstream.
Schmendi: Das finde ich auch einen wesentlichen Punkt. Hier kommen sich m.E. die beiden Zielgruppenkonzepte ins Gehege. Jede Verflachung der Kritik wird von den SzeneleserInnen als ebensolche kritisiert. Jede differenzierte Auseinandersetzung gilt schnell als Hirnwichserei. So sehr aber Kritik an akademischer Sprache auch berechtigt sein muss – irgendwo fängt halt auch das anti-intellektuelle Ressentiment an. Und da möchte ich dann auch nicht mitspielen.
John K. Doe: Ich verstehe grundsätzlich nicht den Ansatz „Wenns dir nicht gefällt dann schreib nicht drüber“ Ich kann damit einfach nichts anfangen. Grundsätzlich sehe ich es so, dass das, was ich schreibe, kein, also leider kein Gesetz ist. Wenn ich schreibe, am Freitag ist ein Reggae-Konzert, bei dem ich mir am liebsten die Gehörgänge mit flüssigem Blei verschließen möchte, dann rechne ich damit, dass sich die Zielgruppe des Konzertes wohl kaum den Genuss der Veranstaltung entgehen lassen wird. Ich traue in dieser Hinsicht unseren werten Lesern doch einiges zu. Tendenziell ist es hier so, dass eher die negativen Kritiken und Ankündigungen dann tränenreich beklagt werden. Da macht sich natürlich niemand die Mühe das mal irgendwie zu durchleuchten, um darauf zu kommen, dass es sich dabei um einen sehr kleinen Teil von Kritiken und Ankündigungen handelt. Grundsätzlich sehe ich es nicht ein, Scheiße objektiv anzukündigen. Meines Erachtens darf man dieses Thema auch nicht überbewerten. Politisch würde ich meine Haltung zu Ska im übrigen nicht begründen, finde ich doch die Wurzeln der frühen Ska-Szene außerordentlich interessant! Besonders interessant fand ich auch einige der Beiträge im Rahmen einer Party gegen Sexismus und Homphobie jüngst hier bei uns. Sicherlich sehe ich auch Reggae durchaus differenziert (inhaltlich, musikalisch bleibt das für mich unerträglicher Rotz), trotzdem finde ich bezeichnend, dass man sich inhaltlich kaum oder wenig damit auseinandersetzt und eben schnell auf Gegenbeispiele verweist oder direkt bei Geschmacksanklagen bleibt.
Was die politische Sprache angeht, finde ich viele der Diskussionen hier beispielhaft, wie weit sich Teile der Linken vom Alltag entfernen. Ich halte links-intellektuelle Themen für notwendig, ich finde aber, dass sich eine Szene-Sprech etabliert, der den Zugang dazu stark einschränkt. Dazu kommt noch eine gute Portion Großkotzigkeit im Göttinger Gruppen-Kasperle-Theater gegenüber anderen Inhalten oder Ideen, die meistens nicht besonders klug artikuliert wird.
In Teil 2 des Interviews, der am Freitag erscheint, diskutieren wir über Kritik. Darüber, wie unsere Kritik ankommt und was an uns kritisiert wird.
„Ich halte links-intellektuelle Themen für notwendig, ich finde aber, dass sich eine Szene-Sprech etabliert, der den Zugang dazu stark einschränkt.“
wahre worte!