BBS II vom Famillienministerium ausgezeichnet

500€ gegen Linksextremismus
von am 21. Dezember 2011 veröffentlicht in Lokalpolitik, Politik

Der Islam neben Hakenkreuzen und Einträgen zum Kukluxklan. Was dabei heraus kommt, wenn die vom Bundesfamilienministerium hofierte Welterklärungsformel „Extremismus“ in den Schulunterricht Einzug hält, zeigt ein Beispiel aus Göttingen. Nämlich großer Mist. Und der wurde jetzt vom Ministerium ausgezeichnet.

Im Rahmen des Politikunterrichts setzt sich gegenwärtig der 11. Jahrgang der Berufsbildenden Schulen II (BBS II) mit dem Thema Extremismus auseinander. Die Beschäftigung mit dem Thema mündete in der Erstellung eines Blogs, in dem über verschiedene Varianten des Extremismus aufgeklärt wird. Behandelt werden u.a. religiöser Extremismus, Rechtsextremismus und auch Linksextremismus. Für die Auseinandersetzung mit Letzterem ist das Projekt jetzt im Rahmen des Wettbewerbs „Augen auf: Demokratie Stärken – (links)Extremismus verhindern“ ausgezeichnet worden.

Durch einen vom Famillienministerium geförderten Wettbewerb geadelt, ist die Freude an der BBS II natürlich groß. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das mit 500 € prämierte Projekt allerdings als fragwürdig. So finden sich in dem Blog zahlreiche inhaltlich falsche Aussagen, welche von der brisanten Gleichsetzung von Muslimen und Islamisten bis zur Definition des schwarzen Blocks als „rechteckig“ reichen. Darauf angesprochen entgegnete die Schule, „dass das nicht beabsichtigt sei“ und dass „das möglicherweise nicht so deutlich geschrieben wäre“, man habe die Fehler mittlerweile korrigiert. Insgesam betont die betreuende Lehrerin, dass es sich um ein Projekt des 11. Jahrgangs handele, wo das politische Bewusstsein nicht sehr ausgeprägt sei. Hauptquelle für die meisten Artikel war dementsprechend auch Wikipedia.

Kommentar von 5708

Uwe Schünemann, Innenminister von Niedersachsen, freut sich über den Preis. Was ihn jedoch nicht freuen dürfte, ist die Tatsache, dass es in jüngster Vergangenheit zu vermehrten Nazischmierereien rund um das Gelände der BBS 2 kam. Aber es ist wichtig, Menschen über die „Linksextremist_innen“ aufzuklären, damit keine extremistischen Sprüche wie „Nazis raus“ das Stadtbild prägen. Viel besser sind da natürlich Hakenkreuze und das Bewusstsein, etwas für die Demokratie getan zu haben.
Die Extremismustheorie, welche auf dem Internetblog der BBS 2 propagiert wird, wird immer noch von vielen Menschen, gerade bei Wissenschaftler_innen kritisiert, da sie eine Gleichsetzung von Linken und Rechten impliziert. Aber was soll mensch machen? Als Kritiker_in wird mensch ja schließlich zur/zum Extremist_in und findet sich womöglich noch auf dem Blog der BBS 2 wieder.
Eines ist gewiss: Schünemann schwebt auf Wolke 7, die BBS 2 freut sich über 500 Euro und die Schüler_innen sind guter Dinge, dass sie etwas für die Demokratie getan haben und sie gegen böse Extremist_innen geschützt haben.

Als Grundlage des Wettbewerbs dient die Extremismustheorie, welche suggeriert, dass sich die Gesellschaft in Demokraten und extremistische Antidemokraten einteilen lasse. Lange Zeit vorallem durch die Nachrichtendienste und die Polizei verwendet, setzt die Extremismustheorie linken und rechten Extremismus gleich und reduziert politische Strömungen auf ihre Form, nicht auf ihre Inhalte. Der BBS II ist sich dieser Gleichsetzung bewusst, zugleich betont man aber, dass das Projekt noch nicht abgeschlossen sei. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Themen Extremismus und Totalitärismus sei für das kommende Halbjahr geplant. An der BBS II ist man sich jedoch der Problematik im Umgang mit Extremismus bewusst, man habe beispielsweise auf die Verwendung von Materialien der Zeitbild Stiftung verzichtet, um Neutralität zu gewährleisten.

Eben diese Stiftung hatte den Wettbewerb ausgerichtet, welcher vom Famillienministerium gefördert wurde. Bereits bei ihrem Amtsantritt hatte Familienministerin Schröder angekündigt, dass sich ihr Ressort künftig dem Kampf gegen alle Formen des Extremismus widmen wolle. Gerade beim Linksextremismus verlief der Start jedoch eher holprig, erst 2010 wurde mit der wirtschaftsnahen Zeitbild Stiftung ein Partner aus der Zivilgesellschaft gefunden, welcher den Extremismus-Begriff der Ministerin teilt. Im Zuge dessen wurde auch der genannte Wettbewerb ausgeschrieben. Warum dort Projekte auszeichnet werden, die maßgeblich aus Wikipedia Artikeln bestehen und inhaltlich falsch sind, wollte uns die Zeitbild Stiftung nicht verraten. Fakt ist jedoch, dass die Zeitbild Stiftung das Engagement der Schüler gegen Linksextremismus offensichtlich toll findet.

Anmerkung: Die verwendeten Bilder stammen aus einem Aufklärungscomic des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes. Wer Protagonist Andi bei seinen Erfahrungen in der autonomen Szene verfolgen will, kann dies hier tun.

Artikel teilen


Themen

, ,

3 Kommentare auf "500€ gegen Linksextremismus"

  1. retmarut sagt:

    Der Blog der BBS 2 Klasse ist inhaltlich absolut grottig. Mal abgesehen davon, dass dort die Extremismusthese als ideologischer Lampenschirm vor sich hergetragen wird, glänzt der Blog auch geradezu vor abenteuerlichen Ansichten und skurrilen Formulierungen. Hier mal einige der bisher schrulligsten Ergüsse aus den Blogartikeln:

    Zum Thema „Anarchie“:

    „Es gibt kein Land, indem eine Regierung lebt, welche sich selbst als anarchisch [sic!] bezeichnen würde.“ – Gemeint ist wohl anarchistisch. Eine anarchische Regierung wäre auch ein Widerspruch in sich. Eine anarchistische erst recht.

    Zum Thema „Roter Stern“:

    „Zum Beispiel hat China einen solchen Stern auf ihrer [sic!] Flagge. Dort jedoch steht dieses Symbol nicht für Kommunismus[,] sondern als Freiheitssymbol.“ – Bekanntlich führt die Flagge der VR China fünf (!) gelbe (!) Sterne, davon 1 großer, der die Kommunistische Partei darstellt, und vier kleinere, die die Arbeiter, Bauern, Kleinbürger und die nationale Bourgeoisie repräsentieren.

    Zum Thema „Schwarzer Block“:

    „Sie [Teilnehmer eines Schwarzen Blocks] nehmen oft an politischen Großveranstaltungen teil oder nutzen diese[,] um auf ihre politischen oder religiösen [sic!] Ziele aufmerksam zu machen.“ – Religiöse Ziele? Schwarzer Block als alternativer Kirchentag?

    Es geht bei dem Projekt offenbar weniger um inhaltliche Beschäftigung als um oberflächliche Action-Geilheit:

    „Bei Attentaten oder aktuellen Berichten über Extremismus schreiben wir einen neuen Artikel und laden hoch.“

    Und so etwas wird in einer Berufsschule ernsthaft als Lehrstoff für die Ausbildung vermittelt???

  2. raks sagt:

    „… Und so etwas wird in einer Berufsschule ernsthaft als Lehrstoff für die Ausbildung vermittelt?“

    =>

    Nur, wenn’s (dr)eckig wird.
    Schwarze Bloks sind immer eckick!

Schreibe einen Kommentar

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu schreiben. Anmelden | Registrieren

Bitte lese dazu unsere Regeln und Hinweise zum Kommentieren.