Kinosterben
Göttingen, deine Kinos
von Rakete am 24. September 2010 veröffentlicht in Hintergrund, LeinwandWas Kinofilme angeht, hat Göttingen eine lange Vergangenheit. Einst als „Filmstadt“ bekannt geworden, wurden hier über 90 Spielfilme gedreht. In der Stadt gab es dutzende Kinos mit tausenden Plätzen. Die übrig gebliebenen Filmtheater mit Anspruch haben Schwierigkeiten.
Im Cinema werden seit Jahrzehnten bekannte und weniger bekannte Filme gezeigt. Klassiker und Filme jenseits des Mainstreams gehören fest ins Programm. Regisseure und SchauspielerInnen kommen immer wieder ins Cinema, um die Erstaufführung ihrer Streifen zu unterstützen. Manchmal werden die Filme auch von Livemusik begleitet.
Für sein Programm wurde das Kino mehrfach ausgezeichnet, zuletzt vor einem Jahr mit dem Kinoprogrammpreis des Kulturstaatsministers. „Das Kino hat als Kulturort eine wichtige Funktion in der Mitte unserer Gesellschaft“, sagte der Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung, Bernd Neumann, anlässlich der Preisverleihung. Er lobte die „anspruchsvollen Kinoprogramme“ und betonte, dass die Kinos sich „nicht ausschließlich dem Kommerz unterwerfen müssen.“
Damit könnte es zum 1. Februar 2011 in der Göttinger Innenstadt vorbei sein. Das Haus, in dem das Cinema seit 1963 Filmkunst zeigt, wurde verkauft. Der neue Besitzer will es sanieren und umbauen, für ein Programmkino scheint dann kein Platz mehr zu sein. „Wir schauen uns nach neuen Räumen um“, sagt Betreiberin Sandra Kirchner. „Es ist sicherlich nicht leicht, schon allein wegen der finanziellen Situation.“ Bislang hat sie noch nichts Konkretes gefunden, einige Möglichkeiten täten sich aber auf.
Unterstützung bekommt die Kinoliebhaberin, deren Vater einst das Cinema gründete, aus Politik und von ihrem Publikum. Es hat sich eigens ein Verein „Filmkunstfreunde Göttingen“ gegründet. Erklärtes Ziel ist „die Förderung der Filmkunst durch die Unterstützung des Cinema“, mehr als 300 Mitglieder hat der junge Verein bereits. Sie helfen nun mit bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten und Sponsoren für das Cinema.
Dieses Engagement gefällt auch den Göttinger Grünen. „Ich kann mir Göttingen ohne anspruchsvolle Programmkinos wie das Cinema nur schwer vorstellen“, sagt deren kulturpolitische Sprecherin Dagmar Sakowsky. „Es gibt heute fast jeden Film als CD oder zum Download, aber was bekommen wir für eine armselige Filmkultur, wenn uns Mangels Nachfrage die Orte verloren gehen an denen Menschen über das Kino miteinander in Kontakt kommen?“
Ob die Stadt das Cinema womöglich finanziell unterstützen würde, kann Sakowsky nicht sagen. „Ich kann keinen Haushaltsverhandlungen vorgreifen“, sagt sie. Im Rahmen der neuen Förderrichtlinen der Stadt könnten aber mitunter auch Kinoinitiativen unterstützt werden. „In diesem Jahr werden wir das allerdings nicht mehr umsetzen“, so Sakowsky.
Früher war Göttingen einmal als „Filmstadt“ bekannt geworden. Über 90 Kinofilme wurden hier nach 1945 gedreht, darunter „Die Buddenbrooks“ mit Lieselotte Pulver und „Natürlich die Autofahrer“ mit Heinz Erhardt. 1960 verließ die Produktionsfirma „Göttinger Filmaufbau-Gesellschaft“ die Stadt in Richtung München und mit ihr gingen auch Schauspieler und Kamerateams.
Geblieben war die Freude an Kinofilmen bei den GöttingerInnen. Dutzende Kinosääle mit Tausenden Sitzplätzen gab es in der Stadt. Klangvolle Namen wie „Savoy“, „Royal“ oder „Capitol“ zierten ihre Türen. Das Programm war vielfältig: manche Kinos spezialisierten sich auf Porno-, Action- und Karatefilme, andere widmeten sich der Filmkunst. Nach und nach schlossen viele der Göttinger Kinosääle, die letzten gingen nach der Ansiedelung des Großraumkinos Cinemaxx 1996 zu Grunde.
Heute gibt es neben dem Cinemaxx nur noch drei Programmkinos in Göttingen, davon überlebt das Lumière nur dank kommunaler Fördergelder. Wenn es ganz schlecht läuft, könnte es bald das letzte Programmkino der Stadt sein.
Denn auch um Göttingens ältestes noch erhaltenes Kino steht es laut Medienberichten nicht gut. Das Sterntheater in der Südstadt hat „Sanierungsbedarf“, sagt Theaterleiterin Sybille Mollzahn. „Es gibt Verhandlungen, wie es mit dem Haus weiter geht.“ In dem Kino in der Sternstraße gaben sich einst Stars wie Zara Leander und Uschi Glas die Klinke in die Hand. 61 Jahre Kinogeschichte würden im Falle einer Schließung zu Ende gehen. Bislang nur ein Gerücht, sagt Mollzahn: „Fest steht gar nichts.“ Finanzielle Probleme gebe es keine. „Das Sterntheater gibt es im nächsten Jahr auf jeden Fall noch“, so die Theaterleiterin.
Viele GöttinerInnen wollen nun für ihre letzten Kinos kämpfen. „Aus eigener Erfahrung kann ich nur dazu raten, dem Computer und Fernseher öfter mal den Stecker zu ziehen und stattdessen ins Kino zu gehen!“, sagt die grüne Kulturpolitikerin Sakowsky. Heinz Erhardt, der in Form eines Denkmals an die cineastische Vergangenheit der Stadt erinnert, wäre wohl auf ihrer Seite.
das haben sie davon, dass sie keine 3D-filme zeigen!
…kapitalismus eben…
3d ist so gut wie die bildzeitung in vierfarbig: fürn arsch!
in der nikolaistraße gabe es früher ein raucherkino incl. getränkebestellknopf. das würd ich sofort wieder nehmen. und dafür auch in ganz viele vereine eintreten.
Schade um die Kinos wäre es auf jeden Fall.
Ich wäre wegen des Sternkinos am traurigsten. Die haben das beste Popcorn der Stadt und Kuschellogen, wie überhaupt eine sehr angenehme Bestuhlung. Am Dienstag ist Kinotag und gelegentlich gibt es am Sonntag ein 11.00-Vorstellung mit Kaffee und Croissants.
Ein Traum, diese Kino.
Die Frage ist, ob das Cinema noch Platz hat. Die Kunstschiene wird über das Lumiere bedient, das auch von der Stadt mit knapp 70.000 € im Jahr (soweit ich weiß) unterstützt wird. Da wird mit Sicherheit nichts mehr im Topf sein fürs Cinema. Ins Stern gehe ich bis heute gerne. Über die Kinofabrik Cinemaxx brauchen wir hier nicht weiter reden.
Also rein vom Programm her finde ich das Cinema ja anspruchsvoller als das Lumière. Und es ist ja schon beachtlich, dass sich ersteres auch ohne die 70.000 Euro behaupten kann, wenn auch mehr schlecht als recht.
ich finde es ja nicht so produktiv an dieser stelle die göttinger programmkinos gegeneinander auszuspielen. alle haben ihre reize.
toll fand ich, das stern und lumiere im letzten jahr zum europäischen filmfestival zusammengearbeitet haben, obwohl sie ja im kapitalistischen sinne unmittelbare konkurentInnen sind. vielleicht lässt sich ja auch noch das cinema mit ins boot holen.
die drei gegen cinemaxx und co.!
Laut GT wurde den Angestellten des Sterns zum Februar gekündigt: http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/Uebersicht/Sternkino-in-Gefahr-Mitarbeitern-gekuendigt