"Deutsches Nachrichtenmagazin"
Rechte Presse
von Andreas Speit am 7. September 2010 veröffentlicht in Hintergrund, Neonazis, TitelstoryDie Ausrichtung von Zuerst ist eindeutig. Der „herrschenden Meinungsdiktatur der politischen Korrektheit“ will das „deutsche Nachrichtenmagazin“ entgegentreten. Dieser „Entartung unseres politischen Systems und der Entmündigung des Volkes“ und dem „Konformitätsdruck des Meinungskartells“ wolle man sich „nicht unterordnen“, versichert Chefredakteur Günther Deschner im Editorial. Seit dem vergangenen Dezember ist das Magazin aus der reichlich rechten Ecke bundesweit zu erwerben.
Als „Zielgruppe“ von Zuerst sieht Verleger Munier „einerseits Leute, die sich mit der Linie von Zuerst identifizieren“ und anderseits, „Leute, die sich neben Spiegel, Focus, Stern“ den „Luxus erlauben, eine alternative Meinung“ einzuholen, sagte er im Interview mit dem Szene-Internetportal Gesamtrechts. Mit der „zweifelsfrei rechten Zeitung“, so betont der Mittfünfziger, sollen in der Bundesrepublik, diesem „linken Narrenhaus“ die „ganzen Alt-68er, die am Drücker sitzen, ordentlich in die Zange“ genommen werden. Schließlich befände sich Deutschland in „höchster Gefahr“, so Munier: durch „massenhafte Einwanderung“, „rekordverdächtige Fortpflanzung der Fremden“ und „Verlust der eigenen ethnischen Identität“.
Zuerst will exklusiv entlarven, aufklären. Beim Lesen des mehrfarbigen Monatsmagazins mag sich der rechte Leser indes bestärkt fühlen – oder vielleicht auch langweilen. Das Design kann zwar anfänglich die wahren Intentionen übertünchen. Doch in gewohnter Manier extrem rechter Publikationen wird Wahn und Hetze gepflegt. Unter dem Titel „Die Stimme Ankaras“ unterstellen sie dem grünen Politiker Cem Özdemir, Teil des „engmaschigen Netzwerks der Türkenlobby“ zu sein, denn „Blut ist dicker als Wasser“. Als große Enthüllung kommt eine „Stubbe, Filz und Vetternwirtschaft“ betitelte Geschichte daher, weil sich das ZDF beim Krimi „Stubbe – Von Fall zu Fall“ von „linken Lobbygruppen“ – gemeint ist die Amadeo-Antonio-Stiftung – beraten lies. Die Folge (lief am 21.11.2009) thematisierte die alltägliche rechtsextreme Dominanz in einer Gemeinde – das war zu viel für Zuerst. Bei der Eröffnung des Verfahrens gegen den mutmaßlichen NS-Täter John Demjanjuk war Zuerst sogar vor Ort. Den Begriff „Vernichtungslager“ will Zuerst aber so „pauschal“ nicht gelten lassen.
Schon vor der ersten Ausgabe von Zuerst brodelte die Gerüchteküche: Denn Verleger Munier hatte auch die alteingesessene Postille Nation & Europa (N & E) eingekauft, die der Verfassungsschutz als das „bedeutendste rechtsextremistische Theorie- und Strategieorgan“ einschätzt. Einer der N & E-Macher, Harald Neugebauer, ist nun Kolumnist von Zuerst. Einen Kommentar zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das Vätern mehr Rechte einräumt, liefert indes Jürgen Liminski, ein Redakteur beim öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk.
Der Vertrieb von Zuerst läuft über die Verlagsunion (VU), eine Tochtergesellschaft des Hamburger Bauer-Verlags. Die stellvertretende Bauer-Unternehmenssprecherin, Berit Sbirinda, erklärte: „Für den Fall, dass die Publikation Zuerst gegen geltendes Recht verstoßen sollte, wird die VU die vertraglichen Bedingungen umgehend kündigen“. Dass der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein Muniers Verlagswesen seit Jahren als „in Teilen rechtsextremistische Bezüge“ aufweisend führt, wird beim Vertriebspartner Bauer bislang aber ignoriert.
Auch in der extremen Rechten umstritten
Mit einer Auflage von 86.000 Exemplaren ging das Magazin im vergangenen Dezember an den Start. Werde das Hochglanzheft ein Flop, erklärte Munier gegenüber dem Internetportal gesamtrechts.net, „dann wird in den nächsten zwanzig Jahren nichts Vergleichbares mehr am Markt erscheinen. Und danach höchstens auf Türkisch.“ Ein Flop war der Magazinstart indes nicht: „Wesentlich besser, als wir erwarteten“ habe sich das Heft verkauft, verkündete Munier im Mai.
Im selben Interview griff Munier auch die wohl bekannteste rechtslastige Publikation an: Die Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) habe sich geweigert, eine bezahlte Anzeige der Zuerst! zu veröffentlichen – dabei, so Munier, habe die JF-Verlagsgesellschaft 2008 „bei gut 2 Millionen Umsatz einen Verlust von € 402.052,33 eingefahren“.
Innerhalb der extremen Rechten streitet man nicht nur deshalb über das neuen Medium: Für Götz Kubitscheck, verantwortlicher Redakteur der Sezession, ist Zuerst! vorerst etwas, „das wir nicht brauchen“. Auf Szene-Internetportalen wechseln Lob und Häme. So erkannte ein User im Zusammenhang der Zuerst!-Einführung den „üblichen rechten Vereinigungsrummel“ inklusive der „Ermahnung“, „keine Einwände vorzutragen“, weil das „der deutschen Sache schade“. Andere wiederum fragen, ob die Kritik nicht schlichtem Konkurrenzdenken geschuldet sei.
ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland
video zu zuerst!
auf dem kampagnen-blog gibt es jetzt den beitrag von 3sat/ndr über zuerst!
dasletztezuerst.blogsport.de
Sehr interessantes Video, thx!