Prügel für Thor Steinar
von am 21. April 2010 veröffentlicht in Hintergrund, Neonazis

Das Tragen von „Thor Steinar“ – Klamotten ist in Göttingen gefährlich geworden. In den letzten Tagen meldete die Polizei zwei Übergriffe auf Männer, die im Göttinger Stadtgebiet mit „Thor Steinar“-Kleidungsstücken bekleidet gewesen sein sollen. Die Marke ist unter Neonazis sehr beliebt und gilt als Erkennungszeichen der rechten Szene. In einem Fall soll ein mit drei Arbeitskollegen durch die Stadt flanierender Brandenburger von ca. 20 vermummten Personen wegen seiner Thor Steinar-Jacke bedroht und zur Herausgabe selbiger aufgefordert worden sein.

Als er sich weigerte sei er aus der Gruppe heraus körperlich angegriffen worden, wobei auch ein sogenannter Teleskopschlagstock verwendet worden sein soll, so die Polizei in einer Pressemitteilung. Die Gruppe habe, nachdem sie geflohen war, die zunächst erbeutete Jacke in der Nähe zurückgelassen. Die Polizei vermutet „linke Gewalttäter“ hinter der Tat. Der Brandenburger sei vollkommen ahnungslos gewesen, was er da für eine Marke trage. „Keiner der vier betroffenen Arbeiter gehört nach polizeilichen Erkenntnissen tatsächlich der rechten Szene an.“, so die Polizei weiter.

In einem anderen Fall, der erst später bekannt wurde, sollen etwa 10 Vermummte einen 21 Jahre alten Göttinger, der mit seiner Mutter unterwegs war, zur Herausgabe seiner Thor Steinar-Jacke aufgefordert haben. Dieser stieg in ein Auto, die Verfolger sollen daraufhin Gegenstände aus dem Kofferraum genommen und auf den Parkplatz geworfen haben. Die Mutter des 21-jährigen meldete den Vorfall offenbar erst der Polizei, als sie von dem Überfall auf den Arbeiter aus Brandenburg in der Zeitung gelesen hatte. „Wie im Fall des 23 Jahre alten Brandenburgers liegen auch über den 21 Jahre alten Jackenträger aus Göttingen keine staatschutzpolizeilichen Erkenntnisse vor.“ versichert die Polizei in ihrer Pressemitteilung. Demnach hätte es sich also auch hier nicht um ein Mitglied der rechten Szene gehandelt.

Die Marke Thor Steinar

Die Marke Thor Steinar gehört der in Königs-Wusterhausen bei Berlin ansässigen Firma MediaTex GmbH. Einigen der Hintermänner werden aus Antifakreisen Kontakte zur rechten Szene nachgesagt. Thor Steinar bedient sich beim Textildesign offensichtlicher nordischer Mythologie und Ästhetik, etwa Runen und Namen von heidnischen Gottheiten (Thor). Unter anderem wurde auch eine stilisierte Wolfsangel für das ursprüngliche TS-Logo verwendet, was von einigen Gerichten als Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen eingestuft wurde – die Wolfsangel war u.a. während des Dritten Reichs Erkennungszeichen des Deutschen Jungvolks, einer Teilorganisation der Hitlerjugend.


Neonazi mit Thor Steinar-Jacke am Groner Tor (Juni 2009)

Immer wieder haben Antifagruppen und später auch die bürgerlichen Medien auf die Bedeutung der Marke als Erkennungsmerkmal der rechten Szene hingewiesen. Selbst Institutionen wie der Verfassungsschutz bemerken das Spiel der Marke mit NS-Symbolen und die stetige Bewegung der Sprüche und Logos an der Grenze zur Strafbarkeit. So geriet Thor Steinar immer wieder in die Schlagzeilen und wurde zum Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Einem Bericht des NPD-BLOG zufolge soll es auch einen Rechtsstreit um die Verwendung der Silhouette eines Sturmgewehrs des Deutschen Waffenherstellers Heckler und Koch gegeben haben. Diese war auf einer TS-Klamotte mit der Überschrift „Hausbesuche“ abgebildet worden.

Mittlerweile gehört die Marke verschiedenen Medienberichten zufolge einem Geschäftsmann aus Dubai, was viele rechte Fans der Marke zu einem Boykott veranlasst haben soll. Ob das stimmt ist indes unklar. Dennoch erfreut sich Thor Steinar offenbar noch immer großer Beliebtheit in Neonazi-Kreisen und wird laut Wikipedia vor allem online verkauft. Aufgrund ihres Rufes und ihrer eindeutigen Symbolkraft für Anhänger der rechten Szene ist die Marke unter anderem im Deutschen Bundestag, im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und einer Reihe von Fußballstadien verboten.

Für größeres Aufsehen sorgte auch ein Fall, in dem ein berliner Polizist 2008 im Einsatz mit Thor Steinar-Bekleidung bei einer Gedenkveranstaltung zum 9. November auftrat. Gegen ihn wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch soll dazu gegenüber dem Tagesspiegel gesagt haben: „Das Tragen von Klamotten der rechten Szene begründet den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung, ohne dass es einer besonderen Kleidungsordnung bedarf.“ Auch der eingesetzte Beamte sei offenbar ahnungslos gewesen, wie der NPD-BLOG unter Berufung auf den Tagesspiegel seinerzeit berichtete.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Die Jackenträger wollen von dem rechtsradikalen Kontext der Marke trotz Medienkampagnen nichts gewusst haben. Ausgeschlossen werden kann dies nicht. Klar ist allerdings, dass wer TS trägt, wahrscheinlich Neonazis durch den Kauf unterstützt hat. Die Übergriffe in Göttingen in den letzten Tagen deuten auf ein offensives Vorgehen antifaschistischer Kreise gegen mutmaßliche Neonazis hin. Die aufgebauschten Meldungen der Polizei (in denen sie unsachlich von einem „Totschläger“ spricht*) und die Berichterstattung des Göttinger Tageblatts haben der politischen Kalkulation der Angreifer dabei sicher in die Hände gespielt – denn das Signal an die rechte Szene ist dadurch eindeutig und gut wahrnehmbar geworden: in Göttingens Straßen können Neonazis ihre Symbole nicht offen zeigen und darauf spekulieren, dass sich niemand dafür interessiert.

Angesichts der medialen Aufklärungskampagnen der Vergangenheit ist es zumindest unwahrscheinlich, dass diese Marke von Ahnungslosen getragen wird. Ob die in Göttingen angegriffenen Träger der Jacken aber tatsächlich einen rechtsradikalen Hintergrund haben, ist unklar. Das bloße Fehlen polizeilicher Erkenntnisse über eine Zugehörigkeit zur rechten Szene beweist jedenfalls auch nicht das Gegenteil. Mit Blick auf die Rolle der Polizei in der Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und organisierten Antifaschist_innen in Göttingen, ist Mißtrauen in diesem Punkt wohl nicht unangebracht.

*Der „Totschläger“, ein ausziehbarerer Teleskopschlagstock mit einem Gewicht an der Spitze, gehört in vielen Ländern der Welt, aber auch in einigen Bundesländern zu den Einsatzmitteln der Polizei. In diesem Zusammenhang bezeichnet man ihn nicht als „Totschläger“, sondern als „Einsatzstock, kurz, ausziehbar“. Der Besitz einer solchen Waffe ist in Deutschland durch das Waffengesetz zwar nicht verboten, wohl aber das Führen in der Öffentlichkeit.

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21 Kommentare auf "Prügel für Thor Steinar"

  1. sony sagt:

    Es gibt keine linksextremisten, keine rechtsextremisten. ebenso gibt es keine linksradikalen und auch keine rechtsradikalen. es gibt nazis. leute nit konservativen, regressiven, reaktionären etc. ideologien. auf den inhalt kommt es an, nicht auf die entfernung zur mitte – das sind alles begriffe die aus dem diskurs über den totalitarismus kommen bzw. fremdzuschreibungen: kein schwein hat sich vor lenins zeit als linksradikal bezeichnet. er hat die sozial-revolutionären (anarchisten und libertären kommunistin) um machno als linksradikale beziechnet um die zu diffarmieren

  2. Fernseherin sagt:

    Interessanter Beitrag. Was hat das aber mit dem Text zu tun?

  3. sony sagt:

    „dem rechtsradikalen Kontext der Marke“
    ich zitiere aus dem beitrag

  4. Fernseherin sagt:

    Du kritisierst aber die Begriffe und und die mit ihnen verbundene Totalitarismustheorie, beide sind auch nicht ganz dieselben wie und .

  5. U. G.-S. sagt:

    Was ist eigentlich an der Sache dran, dass hier in Göttingen ein Thor Steinar Laden aufmacht ?

  6. no fun sagt:

    @ U. G.S. schwacher Versuch, langweilig

  7. soft_brain sagt:

    Die hiesige Polizei schreibt ja was von Raub…
    In Magdeburg gibt es zZ ein Verfahren, in welcher die Wegnahme einer Thor-Steinar-Jacke eben nicht als Raub durch ging:
    http://www.kanzlei-berlin.net/?p=40

  8. U. G.-S. sagt:

    @ spaßbremse: war kein blöder versuch für irgendwas – das gerücht geht in der stadt um und ich wollt lediglich wissen was dran ist.
    ich kann mir auch beim besten willen nicht vorstellen, dass jemand soo blöd wäre und so´n laden hier aufmachen würde – müsste schon arg masochistisch sein ;-D

  9. derKoch sagt:

    @ U. G.-S

    Du sagst es ja selbst: Es ist ein . Schau dir die Standorte der bisherigen Ladengeschäfte an, da sind keine Städte in der Größe Göttingens. Und selbst wenn TS das Versuchen sollte ist klar wie es Endet.

  10. tasfelr sagt:

    Politisch motivierte Kriminalität in der Polizeidirektion Göttingen
    Jahresbericht 2009
    http://anonym.to/?http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/7452/1601025/polizeidirektion_goettingen

  11. kartoffelkopf sagt:

    derKoch: es gibt vielleicht keine von ts selbst betriebenen läden, aber beispielsweise in bremen den „sportsfreund“, der die marke (u.a.) vertreibt

  12. spike sagt:

    von wegen größe der stadt
    vor zwei jahren wollte in peine so’n laden eröffnen. änlich große stadt wie gö. überaschend (oder auch nicht) war ein trupp punx, die den laden vor der eröffnung zweimal entglasten, schlusz war er wurde nicht eröffnet.

  13. brötchen sagt:

    Wozu ein Thor Steinar-Laden in Gö, die Nazis kaufen über Internet bei Schubi in Bovenden ein.Außerdem hat Göttingen schon ein bzw Läden mit rechtsextremen Hintergrund. Die Läden heissen BackWERK und verkaufen Brötchen. Einer der Inhaben dieses Franchis-Unternehmen ist in antisemitischen, geschichtsrevisionistischen Kreisen unterwegs, u.a. beim mitlerweile vom Innenministerium verbotenen Collegium Humanum. Der Gute heisst: Hans-Christian Limmer. Quellen u.a. Neonazis in Nadelstreifen von Andreas Speit S. 115f. und http://www.hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?limit=50&order=datum&richtung=DESC&z=1&id=19445. Also das Böse is here and everywhere und manchmal halt auch ungewollt auf dem antifaschistischen Frühstückstisch!

  14. SpritzKid sagt:

    Aus aktuellem Anlass gibt es noch mal Infos zu Thor Steinar für Auge & Ohr, damit niemand in Göttingen sagen kann, er habe nix gewusst.
    Nächsten Montag (10.05.10) um 19.30h im JUZI.

    mehr Infos:
    http://gegenstrom.blogsport.de/2010/05/04/veranstaltung-zu-thor-steinar-im-juzi/

  15. JuzI sagt:

    Aufgrund der aktuellen Vorfälle findet am Montag, den 10.05. um 19:30 Uhr im Jugendzentrum Innenstadt (JuzI) eine Veranstaltung über die rechte Modemarke Thor Steinar statt.

    Nach einer Einführung über Codes und Symbole in der rechten Szene und ihren Zusammenhang mit einem Lifestyle, zu dem auch bestimmte Marken gehören wird die rechte Modemarke „Thor Steinar“ genauer beleuchtet: Wer sind die MacherInnen, wie ist Thor Steinar in die rechte Szene integriert und mit welcher Symbolik wird gearbeitet?
    Die Veranstaltung soll die Gelegenheit bieten sich näher mit der Modemarke Thor Steinar auseinanderzusetzen.

    Zu Gast: Ein Referent des Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (APABIZ)

    JuzI

  16. Odin sagt:

    Es ist genau das, was die Antifa will,mittels Propaganda oder Gewalt nötigen, wer was tragen darf. Jede Frau oder jeder mann, kann das tragen , was gefällt. Ein Hinweis, die NPD , ist eine Partei, die vom Grundgestz getragen wird und somit ihre Inhalte vertreten darf. Die DDR,ist untergegangen weil Rote regiert haben

  17. babybär sagt:

    odin ist übrigens untergegangen, weil kein mensch mehr an dieses schwachsinn gelaubt hat.
    Ceterum censeo „germania“ esse delendam. Nazis aufs Maul.

  18. ich sagt:

    @babybär meinst du nicht asgard? also da wo die götter wohnen nicht den gott selber? sorry bin immer noch hundemüde

  19. @ ich sagt:

    naja, fiktive orte und personen können beide untergehen. aber du hast recht, odin ist sicherlich nicht alleine untergegangen, sondern der gesamte germanische götterglaube auf einmal. und die germanen mit dazu, hihi.

  20. eilele sagt:

    ich finde es erbärmlich, dass sich göttinger antifaschisten mit einer modemarke beschäftigen und derweil der NPD-kreisvorsitzende in dransfeld mit einem t-shirt mit großem NPD-logo einkaufen geht und mit einem auto fährt, an dem eine fahne mit den farben der alten reichsflagge weht.

  21. @ eileile sagt:

    du magst zum einen teil rechthaben, um göttingen herum gibts genug zu tun. aber dar du ja scheinbar öfters in dransfeld unterwegs bist als die göttinger antifaschistInnen, wäre mein umkehrschluss: selber mit unterstützerInnen was auf die beine stellen!?

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