Besetztes Haus OM10

Eigentlich bewohnbar
von am 6. November 2015 veröffentlicht in Hintergrund, Lokalpolitik, Politik, Soziale Bewegungen, Titelstory
Ein Zimmer haben die Besetzenden schon mal hergerichtet.
Ein Zimmer haben die Besetzenden schon mal hergerichtet.

Das ehemalige DGB-Haus in der oberen Maschstraße bleibt besetzt. Es ist in einem guten Zustand, doch die Verhandlungen über die Nutzung des Gebäudes dauern an. Wir waren im Haus und haben ein paar Eindrücke von dort gesammelt.

Klobürsten stehen neben den Toiletten bereit, Klopapier hängt im Halter und ein kleines Hinweisschildchen weist Benutzende darauf hin, sich beim Pinkeln hinzusetzen. Wohnlich eingerichtet scheint das ehemalige DGB-Haus in der Oberen Maschstraße, das von AktivistInnen am Donnerstag Mittag besetzt worden ist. Und so haben sie es auch vorgefunden: Mit Seife im Spender und fließendem Wasser.

„Vor allem das hier auch noch so intakt vorzufinden, macht doch angesichts der Massenunterkünfte für Geflüchtete hier im Umkreis wütend“, sagt eine, die sich an der Besetzung beteiligt. Zu einer Pressekonferenz hatte das Bündnis OurHouse geladen. Und erschienen sind sie zahlreich: VertreterInnen von NDR, FFN, Sat1 und dem Göttinger Tageblatt wollten sich ein Bild über die aktuelle Lage machen. Dass das Haus direkt bewohnbar ist, zeigen die AktivistInnen in einer Führung durchs Gebäude. Ein Zimmer haben sie mit Spenden als Schlafzimmer eingerichtet. „Sogar die Heizung funktioniert. Wir mussten heute Nacht hier nicht frieren“, berichtet eine andere Besetzerin.

Ihre Namen und Fotos von sich wollen sie nicht in der Presse sehen. Grund dafür ist die schwierige rechtliche Situation in der sie sich befinden. Bisher sind den Besetzenden keine Anzeigen gegen sie bekannt. Sie haben auch noch keinen Anlass zur Befürchtung, geräumt zu werden. „Der Kontakt zu unseren Verhandlungspartnern ist gut. Der örtliche DGB unterstützt uns,“ erklärt ein Sprecher während der Pressekonferenz. Die Verhandlungen mit der Treuhandgesellschaft, die das bis gestern leerstehende Gebäude verwaltet, dauern jedoch an. Andeutungen seitens des DGB, das Haus ab 2016 sanieren zu wollen, sind den Besetzenden nicht genug. „Wir wollen jetzt endlich Taten sehen“, sagt eine Sprecherin. Auch der Kontakt zur Stadt Göttingen sei hergestellt.

Die ungeklärte rechtliche Lage ist auch der Grund, wieso das Bündnis geflüchteten Menschen derzeit noch nicht empfehlen kann im Gebäude zu schlafen. „Deren Lage ist ja in der Regel prekärer als unsere. Wir haben jedoch den Wunsch den Wohnraum so bald wie möglich nutzbar zu machen“, berichtet ein Vertreter weiter. Über Nacht hätte aber schon eine erste Gruppe Refugees im Haus spontan gastiert.

Wohnraummangel auch andernorts ein Problem

Während die Besetzung des ehemaligen DGB-Hauses also schon in der ersten Nacht ihres Bestehens konkreten Wohnraum geschaffen hat, zeigt sich ihr symbolischer Charakter auch  überregional: In Freiburg zieht der örtliche DGB-Verband gerade von einem Gebäude in ein Neues um. Wie der Radiosender dreyeckland berichtet, fordern AktivistInnen des dortigen Netzwerks „Recht auf Stadt“, eine Neunutzung des gerade leer werdenden Hauses. Diese Neunutzung könne Wohnraum schaffen und ein Platz für Flüchtlingsselbstorganisation sein.

Die Göttinger AktivistInnen erklären, dass die Besetzung des Hauses in der Göttinger Innenstadt ein Auflehnen gegen Notunterkünfte bedeute, insbesondere, wenn in der Stadt wie auch bundesweit Wohnungsleerstand herrsche. Bundesweiten Leerstand von Wohnraum sammelt die Internetseite leerstandsmelder.de.

Und gerade im ehemaligen DGB-Haus müsste dies nicht sein. Die Heizungen funktionieren, der Strom läuft und im Konferenzraum existiert auch noch eine Lichtanlage. „Sogar Klopapier haben wir hier gefunden, als wir eingezogen sind“, berichtet eine Aktivistin. Die 30 bis 50 besetzenden Menschen im Haus freuen sich weiterhin über Solidarität. Der AK Asyl hat ein Spendenkonto für die „OM10“ eingerichtet, an Infotischen vor dem Haus liegen Unterschriftenlisten aus und Aushänge informieren über Spenden-Gesuche.

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