Demoberichte

Die Polizei, dein Datensammler
von am 4. April 2014 veröffentlicht in Polizei & Justiz, Titelstory

Genau unter Beobachtung der Polizei: Demos in Göttingen.

Die Polizei fertigt nach Demonstrationen detaillierte Verlaufsberichte an und schickt sie unter anderem an das LKA und den Verfassungsschutz. Enthalten sind auch personenbezogene Daten von AnmelderInnen und RednerInnen. Ein Göttinger zieht nun dagegen vor Gericht.

Wer sich in Göttingen auf Demonstrationen exponiert, hat gute Chancen, in den Datenbanken von LKA und Verfassungsschutz zu landen. Die Polizei schreibt offenbar regelmäßig nach Demonstrationen Berichte und sendet sie an andere Behörden weiter. Auch die Namen von AnmelderInnen und RednerInnen stehen darin, wie das Beispiel einer Mahnwache nach der Atomreaktorkatastrophe in Japan am 5. September 2011 zeigt:

Auch über friedliche Anti-Atom-Kundgebungen führt die Polizei genau Buch.

Auch über friedliche Anti-Atom-Kundgebungen führt die Polizei genau Buch.

Dieses Vorgehen ist allerdings kein Einfall der Göttinger Polizei, sondern gängige Praxis in Niedersachsen. Das Innenministerium hat die Polizeien des Landes 2012 in einem Erlass dazu aufgefordert – noch unter dem CDU-Innenminister Uwe Schünemann. Ziel der Berichte ist demnach die Unterrichtung politischer Entscheidungsträger, die Vorbereitung strategischer Entscheidungen sowie die Dienst- und Fachaufsicht. Außerdem sollen sie den Behörden ermöglichen, „unverzüglich auf Entwicklungen und Ereignisse im Bereich der Inneren Sicherheit reagieren zu können.“

Klage vor dem Verwaltungsgericht

Ein Göttinger versucht nun vor Gericht, den Datensammlern einen Strich durch die Rechnung zu machen. Der 31-Jährige hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Demonstrationen in Göttingen angemeldet und wurde entsprechend oft in solchen Berichten erwähnt. Die Polizei lieferte dazu auch gleich ihre Einschätzung zu seiner Gruppenzugehörigkeit mit: „Führungsmitglied hiesiger Redical M“. Vor dem Göttinger Verwaltungsgericht klagt er nun gegen die Weitergabe seiner personenbezogenen Daten.

Für seinen Anwalt Sven Adam geht es dabei um Grundsätzliches, nämlich die Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten: „Die standardmäßige Weitergabe von Informationen über die Ausübung des Versammlungsrechts an den Verfassungsschutz selbst bei kleinen und vor allem völlig friedlichen Demonstrationen widerspricht diesem Gebot und ist schlicht beängstigend“, sagt Adam.

Was mit den Daten geschieht, ist im Übrigen unklar. „Die Entscheidung über die weitere Verwendung oder Löschung dieser Informationen trifft die Verfassungsschutzbehörde in eigener Zuständigkeit“, heißt es dazu lapidar von der Göttinger Polizei.

Registrierung von MedienvertreterInnen

In den Berichten werden auch die Medien aufgelistet, die ReporterInnen zu den Demonstrationen geschickt haben. So findet sich in einem Bericht über eine Demonstration gegen einen NPD-Parteitag in Northeim, den die Polizeiinspektion Northeim-Osterode geschrieben hat, diese lange Liste: Stadtradio Göttingen, PID, DPA, Gandersheimer Kreisblatt, BL&P, Göttinger Tageblatt, Hallo Sonntag, Nonstopnews, Hannover Reporter, HNA, Radio FFN, NDR, Newsprep, Freie Journalisten, DAPD und EPD. Ihr Interesse sei „lageangemessen hoch“ gewesen.

Christian Röther, Chefredakteur des Stadtradio Göttingen, findet das befremdlich. „Wir verheimlichen nicht, von welchen Demonstrationen wir berichten“, sagt er. „Deswegen finden wir es umso mehr fragwürdig, dass die Anwesenheit von MedienvertreterInnen von den Sicherheitsbehörden protokolliert wird. Wir erwarten vom Innenministerium eine Erklärung darüber, zu welchem Zweck dies geschieht.“

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