Fertigstellung ungewiss

Campuskarte für barrierefreies Studieren
von am 3. Februar 2014 veröffentlicht in Titelstory, Unipolitik
Wo geht's zum WC? Campuskarte zeigt barrierefreie Wege
Wo geht's zum WC? Campuskarte zeigt barrierefreie Wege

Sich ohne Barrieren bewegen können ist für die Meisten selbstverständlich. Wer mobilitätseingeschränkt ist, kennt aber viele Tücken des Alltags und muss jeden Weg genau planen. Eine Campuskarte für die Göttinger Uni soll da Abhilfe schaffen. Wenn nicht vorher der Geldhahn abgedreht wird.

Stefan Erasmi demonstriert auf einer interaktiven Karte zwei Wege von A nach B: Der eine führt vom Oeconomicum auf dem Göttinger Unicampus zu einem Hörsaal im Zentralen Hörsaalgebäude. „Wundern Sie sich nicht, dass der angezeigte Weg gerade über Treppen führt“, erklärt der Geograph den Zuhörenden beim letzten Vortrag der Ringvorlesung „Behindernde Zustände“. Der gezeigte Weg ist der direkte Weg in den Hörsaal. „Nun passen Sie mal auf, was passiert, wenn ich ein Häkchen anders setze.“ Er klickt auf „Treppen vermeiden“ und schon zeigt die Karte einen riesigen Umweg an, der über einen weit entfernten Aufzug zum Hörsaal führt.

Barrierefreiheit: Webkarte statt Printbroschüre

Dieser Campusroutenplaner ist ein Teil des Projekts Campuskarte. Es geht zurück auf den Ideenwettbewerb 2012 „Diversität? Vielfalt fördern“ an der Universität. Studierende hatten die Idee, eine Broschüre zu entwerfen, die über Barrierefreiheit auf dem Campus informieren soll. Das Institut für Geographie und Geowissenschaften entwickelte bereits zu dieser Zeit das Webkartenprojekt „Gebäude- und Raumauskunftssystem für die Georg-August-Universität Göttingen“ (GRAS-Geo). Dort wurden dann, angeregt durch den Ideenwettbewerb, die Barrieredaten eingefügt. Abgeschlossen ist das Projekt aber noch nicht, bisher existiert nur ein Prototyp.

Studierende reden bei Raumplanung mit

In Zukunft könnten sogar Seminarräume entsprechend der Befürfnisse mobilitätseingeschränkter Studierender ausgewählt werden, erzählt Katrin Lux vom Diversity Management der Uni Göttingen: „Wenn die Studierenden in dem Buchungssystem eintragen können, welche Anforderungen sie an den Raum haben, weiß die Raumvergabe: ‚Aha, wir müssen diesen und jenen Raum zur Verfügung stellen.’“ Bisher müssen DozentInnen häufig in den ersten zwei Wochen des Semesters mit ihren Seminaren den Raum wechseln, wenn sich herausstellt, dass der Zugang für eine oder mehrere Personen nicht barrierefrei ist.

„Uns fehlen auch noch Daten über die Raumausstattung und Qualität der Unterrichtsräume“, sagt Geograph Erasmi. „Die Raumakustik muss zum Beispiel untersucht werden“, ergänzt Lux. Das sei wichtig für hörgeschädigte Studierende, denn Hörgeräte können bei schlechter Akustik Störgeräusche erzeugen. Barrieren, die erst durch den Prozess der Kartenentwicklung offenbart werden.

Abbau von Barrieren hängt am Geld

Die Bestandsaufnahme akuter Barrieren auf dem Campus zeigen einerseits Wege um die Barrieren herum, andererseits werden die Barrieren auch für alle sichtbar. Das ist ein Politikum, sagt einer der Zuhörer treffend. In der Diskussion am Ende des Vortrags fragen sich dann auch mehrere ZuhörerInnen, ob die Universitätsleitung nun einen weiteren Fahrstuhl im ZHG plant, um die Umwege zu verkürzen. Katrin Lux muss abwiegeln: „Wir sind im Gespräch darüber, aber Sie wissen ja: Das Geld.“

Der Geldhahn ist das Stichwort. Wolfgang Peter, Behindertenbeauftragter des Landkreises Göttingen, hat das Projekt Campuskarte aktiv unterstützt und Barrieren auf dem Campus aufgespürt. Er ist begeistert von der Karte, weiß aber, dass solche Projekte oft am Geld scheitern. „In Berlin gab es das Projekt Movado, die haben mit 80 ABM Stellen die ganze Stadt vermessen, in eine Datenbank eingegeben und nach fünf Jahren war kein Geld mehr da. Nun ist alles weg.“

Ob die Campuskarte tatsächlich fertiggestellt wird, das wissen auch Katrin Lux und Stefan Erasmi nicht mit Sicherheit. „Der Zeitplan sieht vor, bis Ende des Jahres noch Daten zu erheben“, sagt Erasmi. Außerdem arbeite ein Student derzeit an einer Smartphone- und Tablet-Version der Karte. Ob und wann eine alltagstaugliche Campuskarte vorliegen wird, ist aber unklar.

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