Prozess gegen Studenten

Amtsrichter Rammert verhängt „Generalprävention“
von am 24. Oktober 2013 veröffentlicht in politische Justiz, Titelstory

Im Zusammenhang mit der Besetzung des Wohnheims in der Geiststraße im vergangenen Januar wurde ein Student wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu 40 Tagessätzen verurteilt. Grund war, dass dieser damals in der Nähe der Geiststraße von einer Polizeistreife auf Verdacht kontrolliert wurde und die Beamten daraufhin ein kleines Gerät für Signalfeuerwerk sicherstellten. Vorsitzender Richter war Martin Rammert, der bereits im Jahre 2007 einen Aktivisten zu einer Bewährungsstrafe verurteilte, weil dieser unter anderem dem schwarzen Block angehöre.

Der kleine Gerichtssaal B16 im Landgericht Göttingen war brechend voll. Einige Zuschauerinnen verfolgten den Prozess im Stehen. Verteidigt wurde der Angeklagte durch den Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, der zu Beginn eine Einstellung des Verfahrens wegen Unzulänglichkeit forderte: „Die Waffe, um die es sich hier handelt, ist ein Leuchtsignalgerät, dass die Größe eines Kugelschreibers hat. Dieses Gerät bekommt man im freien Handel legal für 10 Euro.“ Die Staatsanwaltschaft lehnte die Einstellung ab: „Das Gerät kann man zwar legal erwerben, jedoch bedarf es zur Mitführung eines Waffenscheins, den der Angeklagte nicht vorweisen kann.“

Die Anklage stand im Zusammenhang mit der Besetzung des leer stehenden Wohnheims in der Geiststraße 10. Am 16. Januar hatte eine Gruppe Aktivist_innen das Gebäude im Anschluss an eine Demonstration gegen Wohnungsnot besetzt (Monsters berichtete). Drei Polizeibeamte, die am Tag des Geschehens im Einsatz waren, sagten als Zeugen aus. Sie hätten den Befehl gehabt, nach der Demonstration im Bereich der Innenstadt Streife zu fahren. Per Funk erhielten sie dann die Information, dass in der Geiststraße eine Besetzung stattfände und Aktivist_innen dort Barrikaden errichtet hätten. Daraufhin liefen die Beamten zu Fuß den Wallabschnitt zwischen Bahnhof und Goetheallee ab, um nach verdächtigen Personen Ausschau zu halten. Der Angeklagte hätte ihre Aufmerksamkeit erregt, weil er in Begleitung einer anderen Person aus Richtung der Geiststraße davon lief.

Verteidiger Kahlen hakte bei den Beamten nach, wieso genau sein Mandant ihnen verdächtig vorkam: Habe er wissentlich an der Demonstration teilgenommen? Sei er direkt am Wohnheim gesehen worden? Oder habe er vielleicht auffallend dunkle Kleidung getragen?

„Meiner Meinung nach hatte er eine Jeans an. Und Oberbekleidung und Schuhe wahrscheinlich auch“, witzelte einer der Beamten zur Verärgerung des Richters, der die lachenden Zuschauer_innen zur Ruhe auffordern musste. Kahlens detaillierte Fragen kommentierte der Richter zum Ende der Beweisaufnahme genervt: „Wenn sie keine Fragen stellen, die zum Tathergang neue Erkenntnisse liefern, dann reicht es jetzt auch langsam.“

Amtsrichter Martin Rammert machte bereits im Juli 2007 deutlich, was er von linken Aktivist_innen hält. Damals verurteilte er einen Studenten zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe, weil dieser auf einer Demonstration gegen Repression zum schwarzen Block gehört und einen Polizeibeamten geohrfeigt haben soll (Monsters berichtete).

Die Staatsanwaltschaft beantragte ein Strafmaß von 40 Tagessätzen je 15 Euro. Rammert forderte die Staatsanwältin auf, zu überdenken, ob das Strafmaß hoch genug sei. Verteidiger Kahlen plädierte darauf, dass eine Verurteilung für ihn unter dieser geringen Beweislast absolut keinen Sinn machen würde: „Ich bin auf ihre Erklärung gespannt, Herr Vorsitzender.“ Diese lieferte er prompt nach der Urteilsverkündung. Denn Rammert sieht sich damit beauftragt, die Öffentlichkeit vor linken Aktivist_innen zu schützen, indem er diese durch Repression abschreckt: „Wer im Zusammenhang mit linken Demonstrationen steht und dabei illegal Waffen mit sich führt, gegen den werde ich jederzeit generalpräventive Maßnahmen ergreifen. Keine Verurteilung kommt nicht in Frage.“ . Ob der Angeklagte und Kahlen in Berufung gehen werden, ist noch offen.

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