Solidemo wegen Frankfurter Kessel

Wütend und erschüttert
von am 3. Juni 2013 veröffentlicht in Polizei & Justiz, Soziale Bewegungen, Titelstory

Solidemo zieht an Polizeiblockade vorbei Richtung Wochenmarkt

150 Personen haben am späten Sonntagnachmittag auf einer unangemeldeten Spontandemo in der Göttinger Innenstadt gegen Polizeigewalt demonstriert. Anlass war der Polizeikessel bei den Blockupy-Protesten. Es kam zu einem massiven Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken, der EA Frankfurt berichtet von über 200 verletzten DemoteilnehmerInnen. Auch AktivistInnen aus Göttingen waren von diesem Kessel betroffen.

Die Blockupy-Demonstration in Frankfurt wurde wegen angeblicher Vermummung und Passivbewaffnung, unter anderem mit Styroporschildern, von der Polizei gestoppt. Die Demospitze, bestehend aus dem antikapitalistischen, linksradikalen Block wurde kurz vor 13:00 Uhr von den restlichen, etwa 9.000 bis 15.000 TeilnehmerInnen abgetrennt und eingekesselt. Da war die Demonstration erst eine halbe Stunde in Gang. Bis zu neun Stunden mussten die Demonstrierenden im Kessel ausharren, etwa 1.000 Personen wurden einzeln von der Polizei abgeführt.

„Ums Ganze“-Bündnis vermutet, dass Kessel geplant war

Völlig überzogen, wie ein Göttinger Vertreter des „Ums Ganze“-Bündnis findet. „Die angebliche Passivbewaffnung waren Schilder, wie sie auf jeder Demo zu finden sind,“ erklärt er gegenüber MoG. Eine Vermummungsgefahr habe aus seiner Sicht nicht bestanden, die Polizei habe vielmehr ein Kalkül verfolgt. „Ich weiß nicht ob ich wütend oder erschüttert sein soll“, sagt der Aktivist vor den 150 TeilnehmerInnen der Solidaritätsdemo gegen Polizeigewalt in Göttingen. „Auch aus Göttingen haben Leute bis 22:30 Uhr ausgehalten. Wir solidarisieren uns hier heute mit den Leuten, die im Kessel stehen mussten.“

Lautes Klatschen auf dem Göttinger Marktplatz. Ein weiterer Teilnehmer vom „Ums Ganze“-Bündnis greift zum Mikrofon. Er ist noch müde von dem langen Protestwochenende. Pfefferspray- und Schlagstöckeinsatz habe es schon am Freitag bei der Aktion „Deportation Airport“ am Frankfurter Flughafen gegeben, erzählt er. Die TeilnehmerInnen seien massiv drangsaliert worden. „Die Polizei hat versucht unser gerichtlich anerkanntes Demonstrationsrecht einzuschränken. Aber das haben wir nicht mit uns machen lassen, wir haben zusammen gehalten und wir haben demonstriert!“

Abermals lautes Klatschen vorm Gänseliesel. Trotz der Erschöpfung hört man die Wut aus den Worten des Aktivisten raus. Dann erzählt er von den Ereignissen am Samstag. Mit dem Kessel habe die Polizei versucht die Demo zu spalten, erzählt er, doch das sei nicht geglückt. Die DemoteilnehmerInnen hätten zusammengehalten. Am späten Abend, nachdem der Kessel aufgelöst wurde, seien noch 1000 Leute wütend Richtung Hauptbahnhof gezogen. Den Kessel selbst hält der Aktivist von „Ums Ganze“ für eine Farce: „Das geht gegen die Entscheidung der Gerichte, das geht gegen das Demonstrationsrecht. Man ist auf jeden Fall frustriert mit welcher Dreistigkeit, welcher Brutalität, welcher Arroganz diese absurde Maßnahme durchgeführt wurde. Das wird ein politisches Nachspiel haben, das lassen wir nicht mit uns machen.“

Nach Kritik an Kruse auf zur Kulturmesse

Jubelschreie auf dem Göttinger Marktplatz. Es folgt eine Solidaritätsadresse von der Anti-Atom-Initiative Göttingen. „Schünemann und Wargel sind schon weg“, erklärt eine Anti-Atom-Aktivistin, „nun fehlt noch Polizeipräsident Kruse.“ Kruse habe mit seiner Polizeistatistik versucht die Anti-Atom-Initiative als Linksterroristen zu kriminalisieren. Die Initiative fordert den Rücktritt Kruses, der wegen seiner Auslegung der Polizeistatistik in den letzten Wochen mehrfach massiv kritisiert wurde.

Mit Transparenten, die gestern noch in Frankfurt zum Einsatz kamen, zieht der Demozug spontan durch die Innenstadt. Die Polizei hält sich zurück, lediglich das Geismar Tor wird abgesperrt. Die Demo biegt kurzerhand Richtung Hospitalstraße ab und landet auf dem Wochenmarktplatz, wo die Göttinger Kulturmesse gerade in vollem Gange ist. Die spontane Überlegung, auf dem Kulturfest einen Redebeitrag zu halten wird schnell wieder verworfen. Stattdessen löst sich die Demo auf, nachdem sie etwa zwanzig Minuten durch die Innenstadt gezogen war.

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