Uniwahlen 2013
Wahlfrühstück vor dem Hörsaal
von Harvey am 23. Januar 2013 veröffentlicht in Titelstory, UnipolitikEs ist ein festes Ritual zu Jahresbeginn an der Universität Göttingen: Die Wahlen zu den Gremien der Selbstverwaltung. Wie immer geräuschlos bei Lehrenden und Verwaltungsmitarbeiter_innen, dafür aber laut und bunt bei den Studierenden. Der Anblick immer derselbe: Plakatwände, Publikationen und Pöbeleien zwischen den Wahlständen der konkurrierenden Gruppen. Aber ein paar Besonderheiten gibt es auch dieses Jahr.
Rückblick: Das zweite Jahr „linker AStA“
Im Mittelpunkt steht meist der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA): Die einen Gruppen stellen ihn, die anderen würden ihn gern stellen. Quasi die „Regierung“ der Studierendenschaft, wird er nach den Wahlen vom Studierendenparlament (StuPa) gewählt. Es gilt also, dort Sitze zu erreichen und Koalitionen zu schmieden. Im vergangenen Jahr stellte eine Koalition der Juso-Hochschulgruppe, der Grünen Hochschulgruppe (GHG), des Basisdemokratischen Bündnisses (BB, dieses Jahr als „Basisgruppenliste“) und von Schwarzrot Kollabs (SRK) diese Koalition. Da die Gruppen aber aus eigener Kraft keine Mehrheit im StuPa erreichen konnten, gilt der AStA als von der Piraten-Hochschulgruppe toleriert.
Auf den Oppositionsbänken saßen die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Fachschaftsmitglieder (ADF) und der Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) – und für ein paar Stunden auch einmal das Harald-Juhnke-Internat (HJI). Nachdem ein ADF/RCDS-AStA im Jahr 2010 über einen Finanzskandal stolperte, trat anschließend dann 2011 zum ersten mal wieder ein „linker AStA“ an. Zwar hatte sich die Empörung bei den Wähler_innen wohl im Januar 2012 bereits wieder gelegt, doch reichten die wieder gestiegenen Stimmzahlen nicht, um wieder den AStA zu stellen.
Öfter mal was neues
Das HJI, das seine Wurzeln in einer Erstsemester-Orientierungsphasen-Gruppe der Wirtschaftswissenschaften hatte, tritt 2013 nicht wieder an. In die Fußstapfen – politische Forderungen weitgehend auf einem rein humoristischen Niveau – tritt in diesem Jahr die Hochschulgruppe der „Partei“. Unterschiede gibt es hier im Detail: Die Kandidaten werben im Anzug (entsprechend dem Auftreten des „Partei“-Vorsitzenden Sonneborn) im ZHG und statt Bier gibt es dort Likör aus Schnapsgläsern.
Auf der Liste der „Eltern im Studium“ finden sich unter anderem auch Kandidat_innen, die in den Vorjahren noch auf der Liste der Juso-HSG zu finden waren. Als wirkliche Überraschung darf aber wohl gelten, dass die „Unabhängigen Mediziner“ (UM), die ihrem Namen entsprechend eigentlich vorwiegend Fachschaftsarbeit an der medizinischen Fakultät machen, in diesem Jahr mit einer eigenen Gruppe für das StuPa kandidieren. Angesichts der Größe der medizinischen Fakultät und der Präsenz der UM dort ist nicht unrealistisch, dass diese Gruppe auch im Studierendenparlament Sitze bekommt.
Die Gruppe der „Linke.SDS“ tritt in diesem Jahr gar nicht mehr zu den Wahlen zum Studierendenparlament an. Nach dem Scheitern im vergangenen Jahr trotz enormer Werbetätigkeit am Zentralcampus konzentriert sich die Gruppe 2013 ganz auf die Wahlen zu Fakultätsgremien. Für die Liberale Hochschulgruppe (LHG) hatte es im vergangenen Jahr ebenfalls nicht für einen Sitz gereicht – sie versucht es aber erneut.
Gemessen an den Vorjahren ist auch die „Basisgruppenliste“ mit nur fünf Kandidat_innen sehr kurz geraten. Das ist allerdings einer um drei Minuten verfehlten Frist zu verdanken, in der die eigentlich wesentlich umfangreicher geplante Liste hätte eingereicht werden müssen. So blieb es bei der „Rumpfliste“, die viele Gruppen frühzeitig einreichen, um eine günstige Position auf dem Stimmzettel zu bekommen.
Mehr Wahlzettel, aber kein Wahl-Freitag mehr
Waren im vergangenen Jahr bereits zwei Urabstimmungen parallel zu den Wahlen durchgeführt worden, so gibt es dieses Jahr noch eine weitere: Neben dem Bahnsemesterticket und dem „Kulturticket“ wird auch über ein Bussemesterticket abgestimmt, das die Fahrt mit den Stadtbussen der Göttinger Verkehrsbetriebe ermöglichen und bei Annahme 25,80 Euro pro Semester kosten würde.
Kürzer als in den vergangenen Jahren ist der Wahlzeitraum. Bisher war es – allerdings nicht mehr für Fakultätsgremien – auch am Freitagvormittag noch möglich, abzustimmen. Diese Möglichkeit entfällt 2013 – so dass bereits ab 9 Uhr am Freitag, 25. Januar, die Stimmauszählung beginnt. Diese hatte in der Vergangenheit insgesamt gut 5 Stunden gedauert – mit vorläufigen Wahlergebnissen ist also bereits am Nachmittag, nicht erst am Abend zu rechnen – Monsters of Göttingen wird wie in den vergangenen Jahren natürlich berichten. Letzte Chance für die Studierenden ihre Stimme abzugeben ist damit in diesem Jahr also am Donnerstag. Die Wahllokale schließen um 17 Uhr.
Vielleicht ist es auch nur diesen geänderten Terminen geschuldet – aber die Wahlbeteiligung scheint höher zu sein als in den vergangenen Jahren. So hat die Rechtsabteilung der Universität, die die Durchführung der Wahlen überwacht, bereits Stimmzettel für die Urabstimmungen nachbestellt, berichtet AStA-Vorsitzender Tobias Fritzsche am Mittwochabend in der wohl letzten Sitzung des Studierendenparlaments in alter Zusammensetzung.
Business as usual
Inhaltlich bieten die Programme der Gruppen und ihr Wahlkampf wenig Überraschungen: Die Gruppen kämpfen mit oder ohne allerlei Argumenten um die Diskurshoheit in der Frage, was den Studierenden am Ende nützt – an politischem Engagement, Service des AStA, Kulturangeboten und sozialem Engagement. Am Ende unterstreichen die Gruppen vor allem ihr Profil und ihre Herangehensweise an Hochschul- und Allgemeinpolitik.
Wie üblich auch das Bild im ZHG: Vor allem RCDS und Jusos waren hier früh und mit viel Personaleinsatz präsent. Der obligatorische Waffelstand der ADF fand dieses mal nur in der Wahlwoche statt, Schwarzrot Kollabs bietet bunten Kontrast mit einem als Gesamtkunstwerk angelegten Wahlstand während es nebenan bei den Piraten Kaffee gibt. Grüne Hochschulgruppe und Basisgruppenliste bieten einen eher nüchternen Auftritt während es gegenüber bei der „Partei“ hin und wieder Likör gibt. So haben Interessierte oder Menschen, die interessiert tun, die Möglichkeit sich ein kleines eher unausgewogenes Frühstück einzusammeln. Daneben suchen zahlreiche Publikationen ihre Leser_innen – modernere Drucktechnik sorgt dafür, dass immer mehr von ihnen in Farbe und Hochglanzdruck daherkommen.
Landtagswahlen und parteinahe Gruppen
Eine Besonderheit des Wahlkampfs ist aber, dass er sich mit einem anderen Wahlkampf überschnitt: Bereits am vergangenen Wochenende fanden Landtagswahlen statt. Schon seit letztem Jahr hatte sich der „linke AStA“ gegen Studiengebühren stark gemacht – unmittelbar vor der Wahl trat aber dann eher die Parteinähe einzelner Gruppen in den Vordergrund. Die Juso-Hochschulgruppe machte sich wenig überraschend gegen „schwarz-gelb“ stark: ein Transparent mit einer entsprechenden Abwahl-Empfehlung war zunächst über dem Wahlstand zu sehen. Der RCDS warb in einer ihrer Publikation nebst Flyer für die CDU und die Linke.SDS hatte ebenfalls Flyer mit einer Wahlempfehlung zur Landtagswahl im Programm.
Das Transparent musste jedoch abgehängt, die Publikation und die Flyer zurückgehalten werden: Darum wurden die Gruppen von der Universität gebeten. Auf Anfrage von Monsters erläutert die Universität, dass das auf eine Selbstverpflichtung der Universität zurückgehe. In den letzten vier Wochen vor einer Landtags- oder Bundestagswahl verpflichte die Universität sich selbst „politisch neutral zu bleiben“. Das sei zwar keine Anordnung, aber eine Empfehlung des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur. Diese Wahl ist nun abgeschlossen – und der RCDS darf seine Publikation wieder verteilen – mit Interview mit einem abgewählten Ministerpräsidenten. Ob das Transparent „schwarz-gelb abwählen“ noch einmal gehisst wird, ist für die kommenden Jahre wohl vorerst zweifelhaft.
Disclaimer: Der Autor sitzt in der noch laufenden Legislatur noch für eine Hochschulgruppe im Studierendenparlament.