Studiengebühren: ja oder nein?

Perspektiven der Abschaffung
von am 26. November 2012 veröffentlicht in featured, Unipolitik

Wie wahrscheinlich ist die Abschaffung der Studiengebühren in Niedersachsen? Die Antwort bleibt unklar. Denn betrachtet man die Parteienpositionen und deren Umfragewerte ist für die neue Legislaturperiode ab Anfang 2013 noch alles offen.

Im Zuge der anstehenden Landtagwahlen im Januar versprechen alle Parteien des sogenannten linken Spektrums die Abschaffung der Studiengebühren. So schreibt Gabriele Andretta (SPD): „Eine SPD-geführte Landesregierung wird nach gewonnener Landtagswahl 2013 in Niedersachsen die Studiengebühren abschaffen und den Hochschulen die Ausfälle aus dem Landeshaushalt ausgleichen.“ Das Grünen-Wahlprogramm verspricht die Abschaffung der „Studien- und Langzeitstudiengebühren für das Erststudium einschließlich des Master-Abschlusses“ bis zum Wintersemester 2014/2015. Am weitesten geht Die Linke mit dem Versprechen Niedersachsen bis 2013 gebührenfrei zu machen, schreibt Patrick Humke. Bei den Piraten schließlich heißt es unter dem Homepage-Abschnitt „Programm“ knapp: „Wir lehnen jede Form von an das Studium gebundenen Abgaben ab.“

CDU und FDP halten weiterhin an Studiengebühren fest. Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) sagte: “Studiengebühren sind nicht ungerecht, sondern sie schließen eine Gerechtigkeitslücke.” Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag Christian Dürr bezeichnete die Abschaffung als „Verlustgeschäft für Studenten, Universitäten und das Land.“

Die Positionen sind klar, doch wer macht mit wem? Laut einer Umfrage von infratest dimap käme folgendes Ergebnis zusammen (ohne Berücksichtigung von Erst- und Zweitstimme): CDU: 41%, SPD: 34%, Grüne: 13%, FDP: 3%, Linke: 3%, Piraten: 3%, Sonstige: 3%. Die letzten vier würden es mit diesem Ergebnis nicht ins Parlament schaffen. Eine kurze Rechnung verrät, dass eine Koalition von SPD und Grünen nicht möglich wäre. Es liefe wohl auf eine übermächtige große Koalition hinaus, bei der die Studiengebühren womöglich keine besondere Priorität haben.
Doch die Möglichkeit, dass sich die Gebührengegner_innen die noch fehlenden 3% zusammenkratzen, besteht.

Egal was rauskommt, noch bis frühestens Winter 2013 bleibt die Last der Gebühren für die 25.000 Studierenden in Göttingen und für viele weitere Tausend in Niedersachsen: Die Uni bekommt 500 Euro jedes Semester zusätzlich zu Verwaltungskostenbeitrag, Studentenschaftsbeitrag und Studentenwerksbeitrag. Nicht nur Menschen aus ärmeren Familien beeinträchtigt dieser halbjährliche immense Beitrag. Die einen fangen gar nicht erst an, die anderen stellen während des Studiums fest, dass sie es nicht leisten können, weil ihnen Studium und Lohnarbeit über den Kopf wachsen. Neben der sozialen Selektivität, heißt es in einer Studie der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS), dass Frauen öfter vom Studium abgehalten werden, unter anderem, weil sie häufig weniger geldlich lohnenswerte Berufe ergreifen wollen.

Seit nun mehr 8 Jahren werden die Gebühren erhoben. Jährlich kommen so 13,5 Millionen Euro zusammen, die ausschließlich „für die Verbesserung von Studium und Lehre“ verwendet werden sollen (was z.B. die Deckung von Betriebskosten nicht beinhaltet). Es ist zur Hälfte den Studis vorbehalten über die Verwendung zu entscheiden. Die Hälfte des Geldes geht an die Fakultäten und die andere an zentrale Projekte, wie z.B. das Lern- und Studienzentrum (LuSt).

Um dieses hatte es schon so manchen Streit gegeben. Wie bei so vielen Bauvorhaben, von denen man hört, haben sich die Kosten von 8 auf 9 Millionen Euro erhöht und anscheinend regen sich schon neue Begehrlichkeiten, Gebäude aus Studiengebühren zu errichten. Von vielen wird es zudem als nutzlos gesehen, da es lediglich Arbeitsplätze bietet, in denen man die Präsenzbestände der Bibliotheken nicht wird nutzen können. Schließlich wird auch die Entscheidung für jenes Zentrum skeptisch gesehen. Als Initiative des ehemaligen ADF-RCDS-Asta geboren, sollt eine Umfrage unter Studierenden den Bedarf ermitteln. Zwar sprachen sich 70% der Befragten für das Zentrum aus, doch hatten sowieso nur 10% der Gesamtstudierendenschaft teilgenommen, was die Aussagekraft schwächt.

Immer wieder gibt es Protest gegen die Studiengebühren; zuletzt am 19.11., bei der laut Asta-Angaben 450 Menschen demonstrierten. Passend dazu kursieren seit einiger Zeit Sticker Aufschriften wie „Studiengebühren heftig tadeln“ und „Studiengebühren abwählen“.

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8 Kommentare auf "Perspektiven der Abschaffung"

  1. ist_hinterlegt sagt:

    Ähhhhh, also vielleicht wäre es gut sich vor dem Schreiben eines solchen Artikels zumindest ansatzweise mit dem niedersächsischen Wahlrecht auseinanderzusetzen! Da in beschrieben Fall nur drei Parteien in den Landtag einzögen (CDU, SPD, Grüne), hätte Rot-Grün eine recht komfortable Mehrheit…

  2. peterpan sagt:

    Was bringt ein SPD/Grüner Wahlsieg, wenn doch beide Parteien die Gebühren erst in zwei Jahren abschaffen wollen un Stephan Weil sie sogar unter Finanzierungsvorbehalt stellt? Am glaubwürdigsten hat in den letzten Jahren im Landtag die Linke gegen Studiengebühren gekämpft, deshab ist es sehr wichtig, dass die wieder rein kommen. Erstens um Druck auf SPD/Grüne zu machen und zweitens um die notwendige Mehrheit sicherzustellen, wenn sonst keine Anti-Gebühren-Koalition möglich ist… in NRW und Hessen war die Linke bei der Abschaffung der entscheidende Faktor!

  3. retmarut sagt:

    @ ist_hinterlegt:
    Richtig ist: Der Autor irrt hier.
    Anhand der Infratest-Dimap-Prognose lassen sich die Sitzverhältnisse errechnen:
    CDU: 63
    SPD: 52
    Grüne: 20
    Absolute Mehrheit sind 68 Sitze (von 135)
    Rot-Grün hätte also eine Mehrheit von 4 Sitzen. „Recht komfortabel“ sieht aus meiner Sicht anders aus.

    Aber zur Kernaussage: Wer gegen Studiengebühren ist, sollte nicht auf SPD und Grüne setzen. Beide Parteien haben bereits jetzt im Wahlkampf erklärt, dass sie erst 2014/15 aus den Studiengebühren aussteigen wollen. Wenn schon im Wahlkampf selbst so lau gegen Studiengebühren aufgetreten wird, kann mensch sich ja ausmalen, mit welchem „Elan“ die beiden Parteien an dieses Thema gehen werden – und dass es vielleicht noch ein wenig länger dauert als das avisierte Jahr 2015.

    Wer wirklich gegen Studiengebühren ist, sollte die PDL wählen, denn das ist die einzige Partei (mit Wiedereinzugschancen in den Landtag), die schon im jetzigen Landtag sowie bei Bildungsprotesten stets deutlich gegen Studiengebühren aufgetreten ist und auch im derzeitigen Wahlkampf mit klaren Positionen gegen ein Bezahlstudium auftritt. Im Landtag wäre mit der PDL eine Kraft vertreten, die eine rot-grüne Koalition bei diesem Thema immer wieder öffentlich mit Anträgen vor sich hertreiben könnte. Das würde die Abschaffung des Bezahlstudiums also eher beschleunigen als verlangsamen.

    Wer auf Rot-Grün in Fragen der Studiengebühren setzt, setzt auf ein lahmes (wenn nicht gar totes) Pferd. Auf der Prioritätenliste ist dieses Thema bei ihnen jedenfalls nicht allzu weit oben angesiedelt. Wir werden das Phänomen erleben, dass unter einer CSU-geführten Landesregierung in Bayern schneller die Studiengebühren fallen werden als unter einer rot-grünen Koalition in Hannover. Das ist bitter, aber sagt auch einiges über den Ist-Zustand bestimmter Parteien aus.

  4. peterpan sagt:

    @Vorredner: Wer ist die PDL?

  5. Darth Vader sagt:

    Der Vorredner meint die SED-Fortsetzungspartei (Partei Die Linke). Und so zwar ich zwar einer Abschaffung der Studiengebühren zustimme, so sehr ist es auch purster Populismus, die Studiengebühren schon SoSe 2013 abzuschaffen. Denn vor einer Abschaffung muss erst eine nachhaltige Gegenfinanzierung durch das Land sichergestellt sein und ein solche stellt man nicht in ein paar Tagen her. Denn wir reden hier nicht von ein paar Euro, die sich noch im Haushalt finden könnten, sondern von zig Millionen Euro. Diese müssen erst im Haushalt 2014 eingestellt werden und erst dann ist eine Abschaffung möglich und sinnvoll.

  6. peterpan sagt:

    @Darth Vader: Das sind ja Sprechblasen der Jungen Union bzw. des RCDS. Nicht sehr glaubwürdig. Die Linken sagen doch klar und deutlich, wie sie die Gebührenfreiheit 2013 finanzieren wollen: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/campus/1929349/

  7. apl sagt:

    in der dritten Polemos gibt’s den Artikel „Generalstreik gegen das Denken“, der mir nach der letzten Studiengebühren-Demo glatt ins Herz gegangen ist.
    ansonsten auch schön der taz-Artikel für Studiengebühren. t a z.de/!104210/

  8. Cheshire Cat sagt:

    Mal sehen, ob ich irgendwo diesen Artikel finde. Den taz-Artikel finde ich zwar, sagen wir mal, aufschlussreich aber nun wirklich nicht „schön“. Ich bestreite ja gar nicht, dass es an der Institution Schule auch viel Arbeit zu tun gibt, aber warum nun unbedingt eine Tirade vom alten Mann mit Bart jetzt gleich automatisch ein Argument im hier und jetzt sein soll, ist mir auch ein Rätsel. „Asta-Fritzen kämpfen im Che-Guevara-T-Shirt für ein vermeintlich kostenloses Studium. In Wahrheit aber sind sie die Vorhut reicher Ärzte-, Anwälte- und Redakteurskinder, die Papis Kohle weiter in Skiurlaube statt in die Campus-Maut stecken wollen.“ – das ist dann doch ein wenig zu viel Diffamierung auf einmal, um insgesamt noch ernst genommen zu werden. Tut zum Glück eigentlich auch kaum jemand, der Artikel wird in Wahrheit doch eh nie als Argument, sondern nur zum Trollen ausgepackt.

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