Bühlstraße 28: Pacht zum Nulltarif läuft aus

Geschichte und Zukunft eines Wohnheims
von am 13. Juli 2012 veröffentlicht in Hintergrund, Titelstory, Unipolitik

Wandel in der Wohnraumpolitik: Einzelappartements oder Wohngemeinschaften?

Das Desinteresse an der Bühlstraße 28 lässt sich auch mit der veränderten Wohnraumpolitik des Studentenwerks erklären, nämlich dem schrittweisen Umbau des Wohnraums hin zu Einzelappartements. Magull betont, das Studentenwerk Göttingen habe „in den letzten Jahren einen Nachfragerückgang an Wohngemeinschaften“ festgestellt. Die Nachfrage an Einzelappartements sei hingegen steigend. „Eine Anpassung an die aktuellen Nachfrageentwicklungen ist für das Studentenwerk unerlässlich, um auch zukünftig eine Auslastung der Wohnheime sicherzustellen.“

Auch bei dieser Entwicklung spielt der Prozess der „Entmietung“ eine wichtige Rolle. Ein Beispiel dafür ist das ebenfalls in den Siebzigern besetzte Gebäude im Kreuzbergring 4. Ähnlich wie die Bühlstraße 28 sollte es vor mehr als 30 Jahren einer großzügigeren Verkehrsplanung weichen. Nachdem auch dieser Plan im Zuge heftiger Proteste verworfen wurde, etablierten sich dort nach der Hausbesetzung Wohngemeinschaften und schließlich ein vom Studentenwerk verwaltetes Wohnheim. Vor einigen Jahren wurden dort Einzelmietverträge eingeführt, die das Studentenwerk ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr verlängerte. Im Zuge dieser „Entmietung“ zogen einzelne Mieter*innen nach und nach aus, so dass zunächst einzelne Zimmer und schließlich ganze Wohnungen im Kreuzbergring 4 leer standen. Diese wurden saniert, zu Einzelappartements umgebaut und zu höheren Mieten an Einzelpersonen vermietet. Im Frühjahr 2010 zog dann die letzte Wohngemeinschaft aus. Der Unterschied zur Bühlstraße 28 ist hier, dass das Studentenwerk auf Grund der wesentlichen größeren Wohnfläche daran interessiert war, das Gebäude zu behalten und möglichst profitabel zu betreiben.

Die Bewohner*innen der Bühlstraße 28 sehen den Umbau von selbstverwalteten Wohnheimen in Richtung Einzelappartements kritisch. Sie bezweifeln, dass Einzelappartements wirtschaftlicher seien als Wohngemeinschaften. Sie wollen auch, dass es ihrem Wohnheim nicht genauso ergeht, wie dem Kreuzbergring 4 und versuchen die seit über 30 Jahren gewachsene Wohnkultur in der Bühlstraße 28 für die Zukunft zu erhalten: „Anders als in anonymen Wohnheimen mit abgeschlossenen Kühlschrankfächern und Zimmertüren findet in der Bühlstraße 28 ein lebendiges miteinander Leben, Diskutieren und Gestalten statt. Seit mehreren Generationen engagieren sich Studierende aktiv für dieses Haus und sein Grundstück.“


Steht nicht unter Denkmalschutz: Gründerzeitbau Bühlstraße 28

Um Öffentlichkeit für ihr Anliegen zu suchen, hat die Hausgemeinschaft in der Bühlstraße 28 einen Blog eingerichtet. Derzeit kümmern sie sich darum, das Haus von interessierten Investoren, die einer Nutzungsbedingung als studentisches Wohnheim zustimmen würden, kaufen zu lassen. Ob dieser Vorschlag den Bauausschuss und die Verwaltung überzeugt, wird sich in den nächsten Bauausschuss-Sitzungen zeigen. Auch die Zusage des Studentenwerks ist bei diesem Vorhaben notwendig. Falls die Bewohner*innen mit ihrem Vorhaben scheitern, könnte dem 1881 im Fachwerkstil erbauten Gründerzeithaus in der Bühlstraße 28 Anfang 2013 zum zweiten Mal in seiner Geschichte der Abrissbagger drohen.

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Ein Kommentar auf "Geschichte und Zukunft eines Wohnheims"

  1. madame_currie sagt:

    Finde es auch eine Frechheit! Wenn man so lange Zeit viel Herzblut in eine Sache gesteckt hat und man das ganze verlieren soll nur weil irgendwer anders egoistischerweise seine Anliegen als wichtiger erachtet!

    Kann sich so ein Wohnheim durch die Mieter nicht selbst tragen? Dann wäre es doch stark wenn sich die WG’s und das gesamte Heim selbstverwalten würden.

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