Bühlstraße 28: Pacht zum Nulltarif läuft aus
Geschichte und Zukunft eines Wohnheims
von Wieland Gabcke am 13. Juli 2012 veröffentlicht in Hintergrund, Titelstory, Unipolitik„Wer hier kauft, kauft uns mit!“ steht auf einem Transparent an der Südseite des über 30 Jahre alten Wohnheims Bühlstraße 28 geschrieben. Die Mietverträge der Bewohner*innen laufen zum Ende des Jahres aus. Dann soll die städtische Immobilie verkauft und könnte schlimmstenfalls abgerissen werden. Das Studentenwerk hat kein Interesse mehr an dem Wohnheim, obwohl es schwarze Zahlen schreibt. Alternativen wurden den Bewohner*innen angeboten, doch die kämpfen lieber für den Erhalt der Bühlstraße 28 und dessen langer Geschichte.
Verpachtung zum Nulltarif: Einnahmen und Ausgaben des Studentenwerks
Das im Besitz der Stadt befindliche Gebäude wurde seit Beginn des Nutzungsverhältnisses 1970 zum Nulltarif an das Studentenwerk verpachtet und vom Studentenwerk an eine Wohngemeinschaft von sechs Personen vermietet. Das geschah im Rahmen des „Göttinger Modells“ zur Schaffung studentischen Wohnraums. Seitdem ist das Studentenwerk für die „Instandhaltung des Gebäudes, der Freifläche und der Einfriedungen“ zuständig, während die Stadt „für die Dauer des Nutzungsverhältnisses keine Gewähr für den baulichen Zustand“ leiste, wie es im Nutzungsvertrag heißt. Die Kosten für die Instandhaltung muss das Studentenwerk Ende jeden Jahres gegenüber der Stadt nachweisen.
Steht im Weg: Planung für die Osttangente („GN“ vom 8.10.1974)
Doch für die Instandhaltung des Wohnraums war in den letzten 30 Jahren nicht allein das Studentenwerk verantwortlich. Die Bewohner*innen des Wohnheims haben sich als Hausgemeinschaft um die Pflege des Gartens, die Möblierung oder die Sanierung des Dielenfußbodens gekümmert. Deshalb waren die derzeitigen Bewohner*innen der Bühlstraße 28 auch bestürzt, als sie Mitte Juni von dem geplanten Verkauf des Gebäudes aus der Presse erfuhren. In einem Brief an das Studentenwerk zeigten sie sich enttäuscht, in die Entscheidungsprozesse nicht eingebunden worden zu sein, und machten deutlich, diesen über Jahre erkämpften und aktiv erhaltenen Wohnraum „nicht stillschweigend aufzugeben“.
Also wendete sich die Hausgemeinschaft an den Bauausschuss und erreichte in der Sitzung vom 21.6.2012, dass der Verkauf neu beraten, und eine Weiternutzung als studentischen Wohnheim als Verkaufsbedingung eventuell festgeschrieben werden solle. Erstaunen rief in dieser Sitzung vor allem die Tatsache hervor, dass die Bühlstraße 28 seit den Siebziger Jahren für null Euro pro Jahr an das Studentenwerk verpachtet wurde, wie Harald Melzer vom Fachbereich Gebäude- und Immobilienwirtschaft erklären musste. Die Bewohner*innen stellten sich fortan die Frage „Was hat das Studentenwerk denn mit unserem Geld gemacht?“
Jörg Magull, Geschäftsführer des Studentenwerks nennt gegenüber Monsters of Göttingen keine Zahlen was die laufenden Kosten angeht, führt aber auf, dass vom Studentenwerk „selbstverständlich alle städtischen Gebühren und Abgaben sowie Entsorgungskosten“ aufgebracht werden müssten. „Neben Versicherungen und den Verwaltungsaufwendungen sind ferner sämtliche Kosten, die der Unterhaltung und Pflege des Objektes und Grundstückes dienen, in der Verantwortung des Studentenwerks,“ so Magull.
Die Mieten sind auch in diesem Wohnheim in den letzten 10 Jahren wie überall in Göttingen gestiegen. Vor 2004 zahlten die Bewohner*innen der Bühlstraße 28 pro Person noch 156 Euro warm. Im selben Jahr investierte das Studentenwerk 4.400 Euro in einen neuen Brennwertkessel, in Folge dessen stieg die Miete auf 189 Euro warm. Die größte Investition der letzten zehn Jahre war die Dachsanierung 2008 im Werte von 19.200 Euro. Gegenfinanziert wurden die Kosten abermals mit einer Mieterhöhung auf nun 209 Euro Warmmiete. In den letzten zehn Jahren ergeben sich aus der Warmmiete im Schnitt Einnahmen von 125.000 Euro, von denen die von Magull genannten Kosten natürlich abgezogen werden müssen.
Neues Dach bekommen: Das 1881 erbaute Haus in der Bühlstraße 28
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Finde es auch eine Frechheit! Wenn man so lange Zeit viel Herzblut in eine Sache gesteckt hat und man das ganze verlieren soll nur weil irgendwer anders egoistischerweise seine Anliegen als wichtiger erachtet!
Kann sich so ein Wohnheim durch die Mieter nicht selbst tragen? Dann wäre es doch stark wenn sich die WG’s und das gesamte Heim selbstverwalten würden.