Neubau Studiengebäude

Die Uni buddelt Leichen aus
von am 14. Juli 2011 veröffentlicht in Titelstory, Unipolitik

Auch das noch! ADF und Universität wollten sich schnell mal ein schickes neues Gebäude (finanziert aus Studiengebühren) auf den Campus stellen, doch alles, was schief gehen konnte, ging bisher schief. Wie jetzt bekannt wurde, befindet sich unter dem Bauplatz auch noch ein Friedhof.

Mit einer fragwürdigen Umfrage wollte die Universität den Neubau im vergangenen Jahr von den Studierenden legitimieren lassen. Vor allem linke hochschulpolitische Gruppen hatten etwas dagegen, die Umfrage sei methodisch nicht sauber gewesen. Ihr Hauptkritikpunkt am Projekt: Gebäude dürften nicht aus Studiengebühren finanziert werden. Die Uni ließ sich davon jedoch nicht beirren, Baubeginn sollte im April sein. Dann hatte aber auch noch die Stadt etwas an den Bauplänen auszusetzen und auch das GT kritisierte (Monate nach MOG) die undurchsichtige Planung des Gebäudes. So verzögerte sich der Baubeginn, seit ein paar Tagen tut sich jetzt aber etwas westlich der Zentralmensa.

Gut versteckt hinter Bauzäunen und Planen haben jedoch nicht Bauarbeiter_innen ihre Tätigkeit aufgenommen, sondern eine private archäologische Firma sondiert das Gebiet, so Uni-Sprecher Bernd Ebeling. Grund dafür: Von 1851 bis 1910 wurde das Gelände als Friedhof genutzt. Die archäologische Auswertung der Befunde ist deshalb von der Stadt im Bebauungsplan vorgeschrieben worden.

Blick auf den jetzigen Parkplatz zwischen Zentralmensa und Weender Landstraße
Verborgen hinter Plastikplanen werden katholisch bestattete Gebeine erkundet.

Schon vor einiger Zeit hatten Bauarbeiter bei Kabelarbeiten Überreste von Särgen und Knochen auf dem Uni-Parkplatz zu Tage gefördert. Das berichtet Stadtsprecher Detlef Johannson. Er weiß auch, was mit den Leichenresten nach der Bestandsaufnahme passieren soll: Sie werden wieder an die katholische Gemeinde übergeben und erneut beigesetzt. Das Friedhofsgelände war Anfang der 1960er Jahre von der katholischen Kirche an die Universität verkauft worden, so Johannson weiter. Damals sei der Friedhof bereits völlig verwildert gewesen. 1964, als mit dem Bau der heutigen Zentralmensa begonnen wurde, sei der Friedhof dann eingeebnet worden. Auch die Mensa stehe zu Teilen auf diesem Gebiet.

Eher unappetitlich findet das Elena Ségalen, die Vorsitzende des Göttinger AStA. „Der Ort für das Lern- und Studienzentrum ist mehr als unpassend gewählt“, sagt sie. „Uni und Studierendenschaft sollten sich überlegen, ob sie das wirklich so haben möchten.“ Der geplante Neubau wird also weiterhin für Gesprächsstoff sorgen. Zur Ruhe kommt so schnell offenbar keine_r…

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11 Kommentare auf "Die Uni buddelt Leichen aus"

  1. Rakete sagt:

    Witzige Geschichte, aber alles andere als ein Argument gegen dieses Bauvorhaben…

  2. Pommesdieb sagt:

    „Uni und Studierendenschaft sollten sich überlegen, ob sie das wirklich so haben möchten.“

    und bitte auch gleich die mensa abreißen, ist ja schließlich genauso unappetitlich, über einem friedhof sein mittag zu essen. ach was rede ich da, am besten gleich den ganzen zentral campus, schließlich kann man angesichts der vielen katakomben und unterirdischen geheimnisse nicht sicher sein, dass irgendwo was unangemessenes schlummert. so langsam macht sich der asta mit dieser thematik echt lächerlich.

    und das mog immer fort erwähnt, dass der adf involviert sein soll, ist genauso lächerlich. die uni baut das ding und fertig.

    wenn schon stänkern, dann konzenntriert euch darauf, dass die kosten im rahmen bleiben, sowohl im bau als auch im betrieb und das ganze kein fass ohne boden wird…

  3. berger sagt:

    Danke für den Beitrag! Ein Blick durch den Bauzaun lohnt sich tatsächlich – bisher wurde schon allerhand altes Mauerwerk freigelegt. Was das Bauvorhaben angeht: Angesichts der Horden Studis in ihrer „Lernphase“, die allsemesterlich über die SUB herfallen und die ruhige Atmosphäre zerstören, bin ich hin- und hergerissen zwischen Entsetzen über den Umgang mit Studiengebühren und der Aussicht auf eine Auslagerung der Bulimielerner in eine für sie geeignetere Umgebung 🙂

  4. Die Mitte erobern! sagt:

    Hier die vollständige PM des AStA vom 15. Juli:

    Friedhof auf dem Baugelände des Lern- und Studienzentrum (LuST)
    Bau wird sich weiter verzögern

    Der AStA der Universität Göttingen hat Informationen zugespielt bekommen, dass sich der Bau des Lern- und Studienzentrums weiter verzögern wird. Bereits seit längerer Zeit kritisiert der AStA die Entscheidungsfindung und das Finanzierungskonzept des Großprojekts der Universität. Das Gebäude, dessen Rohbau eigentlich bereits in diesem Winter fertig sein sollte, sowie die Unterhaltskosten sollen vollständig aus Studiengebühren bezahlt werden. Insgesamt wurden so für mehrere Jahre über 9 Millionen Euro fest verplant. Von einer ausreichenden Partizipation der Studierendenschaft an den Entscheidungsprozessen kann nicht gesprochen werden (vgl. unsere PM vom 26.05.2011, online unter: http://www.asta.uni-goettingen.de/98).

    „Wir haben einen Anruf vom Vorsitzenden der zentralen erweiterten Kommission für Lehre und Studium (zKLS+) erhalten, der für das Lern- und Studienzentrum mitverantwortlich ist. Nach seinen Aussagen befindet sich auf dem für den Bau verplanten Gelände ein alter Friedhof, der nun archäologisch erschlossen werden muss“, so eine Sprecherin. „Nach den Streitigkeiten zwischen Universität und Stadt, dem ungeeigneten Boden und der Umsetzung des Reitstalltors ist das jetzt schon die vierte große Panne vor Baubeginn. Das Konzept war wohl einfach nicht zu Ende geplant“, so die Sprecherin weiter. Die Planungen erscheinen auch deshalb kopflos, weil der Friedhof bereits beim Bau des Geisteswissenschaftlichen Zentrums (heute: Zentralmensa) eingeebnet wurde, was bei einer angemessenen Evaluierung des Bauorts in Erfahrung gebracht hätte werden können.

    Recherchen des AStA ergaben, dass es sich bei dem Begräbnisplatz um einen alten Friedhof der katholischen Gemeinde Göttingens handelt (vgl. für die nachfolgenden Fakten die Literaturliste im Anhang). Das Grundstück wurde ab 1849 von Ernst Friedrich Vollmer aufgekauft und der katholischen Kirche zur Friedhofsnutzung übergeben. Am 21. Juni 1851 wurde der Friedhof eingeweiht. Weil die Stadt bei der Ausweitung des Wohnraums in dem Friedhof ein Problem sah, wurde bereits 1884 eine Schließung in Betracht gezogen. Am 01. April 1889 wurde der Friedhof geschlossen und verfiel zunehmend. Nur noch wenige Begräbnisse in Familiengruften fanden statt. Unter den auf dem katholischen Friedhof Begrabenen befinden sich auch Ernst Friedrich Vollmer selbst sowie dessen Sohn Hermann Vollmer. Weiterhin wurden Friedrich Griepenkerl, Professor für Landwirtschaft, und Eduard von Siebold, Direktor der Gynäkologie in Göttingen, hier beigesetzt.

    Der AStA befürchtet, „dass auch weitere ‚unerwartete Überraschungen‘ im Zuge des LuSt-Baus nicht auszuschließen sind, die die Kosten weiter in die Höhe treiben könnten, welche bisher vollständig von Studierenden getragen werden, ohne dass diese angemessen in die Entscheidungsfindung darüber einbezogen wurden“, so die Sprecherin.
    Der AStA betrachtet das skandalträchtige Bauprojekt als weiteren Beleg dafür, dass ein Großteil der Studiengebühren nicht für sinnvolle Zwecke eingesetzt wird, welche die Studiensituation verbessern würden. „Hier werden lediglich Gelder verpulvert, die viele Studierende unter großen Mühen erbringen müssen und die viele dringender für Lehrbücher, die Miete und den Unterhalt während ihres Studiums in Göttingen benötigen“, so die Sprecherin des AStA. „Wieder einmal zeigt sich, dass die vielen Argumente, die von Studiengebühren-Befürworter*innen heraus posaunt wurden, sich als falsch erweisen: Weder haben die Studierenden als ‚zahlende Kunden‘ irgendeinen größeren Einfluss auf die Gestaltung der Uni, noch werden sie durch überteuerte Fundamente mit umfangreicherem Wissen aus der Uni gehen. Lernkabinen – sollten sie denn einmal wirklich fertig gebaut sein – werden auch nicht gerade der Inbegriff einer Umgebung sein, in der freie Entfaltung durch kritische Reflexion stattfinden kann“.

    Der Göttinger AStA hofft, dass die Universität in Zukunft aus solchen Verfehlungen lernen und vorausschauender planen wird. Vor allem aber, dass die Studierendenschaft künftig angemessen in Entscheidungen über Studiengebührenverwendung einbezogen wird, solang es die Gebühren noch gibt. „Sollte die Universität weitere Gebäude benötigen, sind wir gerne bereit mit dem Präsidium über eine gemeinsame Strategie gegenüber dem Land zu beraten, die zu Abschaffung der Studiengebühren und zur Vollfinanzierung der Universitäten durch Landesmittel führt. Dann können auch Gebäude wieder sinnvoll gebaut werden“, so die AStA-Sprecherin.

    AStA Uni Göttingen, 15. Juli 2011

    Weiterführende Literatur zum Friedhof der katholischen Gemeinde finden sich z.B. in:

    Saathoff, Albrecht (1954): Göttingens Friedhöfe. die Stätte seiner großen Toten. Herausgegeben von der Stadt Göttingen. Göttingen: Reise. S. 26.

    Stadt Göttingen, Bauverwaltung (Hrsg.) (1979): Stadtfriedhof Junkerberg und die Friedhöfe in Göttingen. Göttingen: o.Verl. (Göttingen, Planung und Aufbau. H.18). S. 19; Karten 1 und 2.

    Wehking, Sabine (1992): „Ein jeder darf sich gleichen Rechts erfreu’n…“. Die Geschichte der Katholischen Kirche in Göttingen 1746-1990. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 58-76.

  5. death_souls sagt:

    coole sache. vieleicht findet sich unter dem parkplatz noch ein sack mit den verschwundenen 18.000 €. das wäre erneutes fehlmanagement von seiten des verblichenen rechten astas.

  6. winston_wants_victorygin sagt:

    Da hat dieser death_souls wieder mal nachgetreten.
    Womöglich stehen jetzt noch die genervten Toten wieder auf, spuken durch die Straßen und kreischen nachts „Zicke rück die Kohle Raus!“ 😉

  7. death_souls sagt:

    irgendwer hat den bauzaum umgeworfen und wir waren gestern mal gucken. es sind zwei viereckige mauerwerke zu sehen (gruften?) und tatsächlich können gräber an der verfärbung des erdbodens erkannt werden. sonst war es eher unspektakulär.

  8. bomberman sagt:

    @ winston

    jo, poltergeist in einer absurden lernlandschaft und bei zicke zuhause. dann wird ja aus dem menschen doch noch was.

    für was schreibt sich kai-horge demnächst ein?

  9. ottter sagt:

    … fragt morgen früh mal nach.

  10. Dude sagt:

    „Lernkabinen – sollten sie denn einmal wirklich fertig gebaut sein – werden auch nicht gerade der Inbegriff einer Umgebung sein, in der freie Entfaltung durch kritische Reflexion stattfinden kann“

    Made my Day! 😀

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