Bascha Mika

Von wegen freiwillig
von am 13. Mai 2011 veröffentlicht in Kultur

Sind Frauen Komplizinnen ihrer eigenen Unterdrückung? Im ausverkauften alten Rathaus verteidigt die Autorin Bascha Mika am Donnerstagabend diese These aus ihrem Buch „Die Feigheit der Frauen“. Eine Streitschrift, die vieles richtig benennt, aber so manches falsch analysiert.

Es gibt Feminist*innen, die geben den Männern die Schuld an der patriarchal organisierten Gesellschaft, die Frauen systematisch gegenüber Männern benachteiligt. Andere argumentieren vor Allem mit gesellschaftlichen Strukturen, die dieses System am Leben erhalten. Und jetzt kommt Bascha Mika auf Einladung des Literarischen Zentrums ins Göttinger Rathaus und sagt, die Frauen seien selber Schuld.

Zumindest zum Teil: Mika spricht von „Komplizinnen“, zu denen viele Frauen sich machen würden – und auf die sei sie zornig. Ganz explizit geht es ihr nicht um Frauen, die sich von vorne herein ein Leben an der Seite eines männlichen Ernährers gewünscht hätten. Zornig ist Mika auf „tolle Frauen“, die sich ein selbstbestimmtes Leben gewünscht hätten und später dennoch die Entscheidung für ein Leben unter der Knute der männlichen Dominanz getroffen hätten. Als Hausfrau und Mutter und nicht als Karrierefrau.

An Mikas Seite hat das Literarische Zentrum die Germanistin Janet Boatin gesetzt, die Paroli bieten soll. Das gelingt ihr recht ordentlich, rhetorisch ist die junge Frau der erfahrenen Autorin gewachsen. Boatin kritisiert, dass Mika von den Frauen eine „Anpassung an eine leistungsorientierte Gesellschaft“ erwarte, in ihrem Buch „infantilisierend“ über Frauen schriebe, die zudem alle einem sehr begrenzten Milieu entstammten. Mika erklärt sich und widerspricht, aber eine wirklich kontroverse Diskussion entsteht nicht.


Bascha Mika und Janet Boatin

Bascha Mika ist im Widerspruch der Freiwilligkeit gefangen. Sie erkennt an, dass gesellschaftliche Strukturen Frauen in Rollenbilder zwängen. „Ich weiß, dass es verdammt schwer ist, aus den traditionellen Rollenmustern auszubrechen“, sagt sie. Dass es einen „wahnsinnigen gesellschaftlichen Druck“ gibt. Dann liest sie aus ihrem Buch, dass Frauen „freiwillig“ die eigene Ohnmacht wählen würden. „Heute haben Frauen die Wahl“, sagt Mika in Abgrenzung zu noch schlimmeren Zeiten. „Ihr Los ist selbst gezimmert.“ Immer wieder betont sie die angebliche Freiwilligkeit. Doch wie weit ist es damit her, wenn Entscheidungen unter Druck und Zwang getroffen werden?

Wenn Frauen nun ihr Verhalten ändern, nicht mehr in Rollenfallen tappen, sondern den Weg der Selbstbestimmung gehen würden, dann würde sich schon alles ändern, sagt Mika. Aber würde es nicht mehr Sinn machen an jene zu appellieren, die von diesem System profitieren? Die durch dominantes Verhalten ganz aktiv daran beteiligt sind, Frauen in bestimmte Rollen zu zwängen? „Männer sind priviligiert“, sagt Mika. „Warum sollten sie etwas ändern wollen? Nur die Unterpriviligierten können den Impuls geben.“ Das Verhalten der Männer würde sich ändern, wenn die Frauen sich anders verhielten.

Dass es mitunter schwierig sein kann, (einen Teil der) Schuld an ihrer Misere den Frauen selbst in die Schuhe zu schieben, sagt ganz am Ende der Diskussion ausgerechnet einer der wenigen Männer im Publikum. Das, so sagt er, könnte Antifeministen in die Hände spielen. Frauen sollten sich nicht von Männern diktieren lassen, worüber sie diskutieren dürfen, kontert Bascha Mika. Den antifeministischen Diskurs befeuert sie mit ihrem Buch trotzdem. Die von ihr gewünschte Diskussion ist ohne diesen Nebeneffekt nicht zu haben.

Was die Autorin nicht leistet – und auch gar nicht leisten will – ist eine umfassende Gesellschaftsanalyse. Sie spricht über Symptome und macht Vorschläge, wie diese zu beseitigen wären. Mit vielem hat sie recht, mit anderem wiederum gar nicht. Sie überhöht die Lohnarbeit, schreibt ihr „Lebenssinnstiftung“ zu. Ökonomische Hintergründe der patriarchalen Verhältnisse (die Mika so nicht nennen würde) bleiben unbeachtet. Soweit sie die Schuldfrage stellt, begibt sie sich zumindest auf gefährliches Glatteis. Streiten lässt sich darüber ganz wunderbar, auch mit einer Bascha Mika, die sich auf dem Podium nie im Ton vergreift, sachlich bleibt, mit Argumenten hantiert, sympathisch erscheint.

„Im Geiste sind wir Schwestern“, sagt Moderatorin Boatin zum Abschluß. Und das es gut und notwendig ist, über das Thema zu streiten. Das sehen im Publikum wohl so ziemlich alle so, auch wenn ein bisschen mehr Streit nicht das schlechteste gewesen wäre. Viele Feminist*innen sind gekommen, um mit Bascha Mika zu streiten. Hauptsächlich Frauen, von 18 bis 68. „Ich habe mich so aufgeregt, als ich das Buch gelesen habe“, sagt eine Zuschauerin nach der Veranstaltung. „Aber jetzt finde ich sie gar nicht mehr so schlimm.“ Immerhin.

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2 Kommentare auf "Von wegen freiwillig"

  1. trololo sagt:

    Wenn Feminismus falsch läuft.
    Als ob mehr Frauen in Managerpositionen die Befreiung bedeuten würden.
    Ich find’s auch wirklich schlimm,. wenn sich jemand dazu entscheidet, keiner Erwerbsarbeit nachzugehen, egal ob man vielleicht gerne Kinder hätte (aber diese sexistischen Männer(und zwar alle, da man da ja eh keine Unterscheidungen treffen kann) wollen einfach nicht schwanger werden! Man und dann liegen diese faulen Weiber den ganzen Tag zu Hause, anstatt ihrem Land zu dienen und Geld zu erwirtschaften, man man man!
    Oder noch schlimmer, man ist einfach sozial so konditioniert auf das klassische Rollenklischee und muss sich dem sozialen Druck beugen; man ist das echt ein Schlag in’s Gesicht für die Gleichberechtigung wenn man versucht sein Leben möglichst wenig schlimm zu gestalten!
    Beunruhigend, was für regressive Feminismustheorien öffentlicher Raum finden um sich auszubreiten.

  2. retmarut sagt:

    Ich denke, der Satz: „Eine Streitschrift, die vieles richtig benennt, aber so manches falsch analysiert.“ ist ganz zutreffend auf Bascha Mika. Ihre Beschreibung ist oftmals nicht verkehr, aber die Analyse führt auf Holzwege und Sackgassen.

    Es ändert sich eben gesellschaftlich nichts grundsätzlich, wenn höhere Funktionen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik mehrheitlich von Frauen besetzt würden. Das hat nichts mit der „Schlechtigkeit“ jener aufgestiegenen Frauen zu tun, nichts mit „Verrat“, sondern schlicht damit, dass der Antagonismus Mann vs. Frau nicht derjenige ist, der die Basis dieser Gesellschaft bildet. Grundwiderspruch dieser kapitalistischen Gesellschaftsformation ist weiterhin derjenige zwischen den Eigentümer_innen an Produktionsmitteln und denjenigen, die (in Ermangelung solcher) ihre Arbeitskraft als Ware zu Markte tragen müssen. Die ökonomische Basis dieser bürgerlichen (kapitalistischen) Gesellschaft bildet somit ein Klassenwiderspruch.
    Das heisst nicht, dass andere Widersprüche (also z.B. Rassismus oder die Geschlechterdiskriminierung) dadurch wegfielen. Zur Aufrechterhaltung des Status quo und zur Spaltung der ausgebeuteten Klassen sind Kategorien wie Rassismus, Geschlechterdiskriminierung, Nationalismus etc. allemal nützlich Hilfsmittel.

    Der emanzipative Kampf gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, also auch der Kampf um die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Gleichstellung der Frau, ist grundsätzlich von der Linken zu unterstützen. Aber nicht etwa, um damit identitär-utopistische Hoffnungen zu pflegen, unter einer Bundeskanzlerin oder weiblichen Konzernchefs etc. sähe Politik und Wirtschaft „besser“ oder „humaner“ aus als heute. Sondern weil erst das Zerreißen all dieser Diskriminierungsschleier den unverstellten Blick auf den eigentlichen, viel tiefersitzenden Widerspruch freigibt, also der systemisch angelegte Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Bourgeoisie und Proletariat.

    Bürgerliche Frauenbewegung oder rein identitäre Politik kann und wird keine grundsätzliche Problemlösung bringen. Diese kann nur durch die Einbettung der Frauenemanzipation in die soziale Frage und die damit verbundenen Kämpfe erfolgen, was aber Bascha Mika z.B. bewusst ausblendet.
    Im Antrag der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen (27.08.1910), wo der Kampf um das Frauenwahlrecht und die Einführung des internationalen Frauentages beschlossen wurde, wurde damals schon sehr deutlich klargestellt: „Die Forderung [insb. Agitation für das Frauenwahlrecht] muß in ihrem Zusammenhang mit der ganzen Frauenfrage der sozialistischen Auffassung gemäß beleuchtet werden.“ – Ohne diese ’sozialistische Auffassung‘, also die Inbezugsetzung der Frauenfrage zur bestehenden Klassenauseinandersetzung, läuft Feminimus in Gefahr zu einem stumpfen Schwert zu werden, das maximal noch als Steigbügel dem Aufstieg bürgerlicher Frauen dient, im schlimmsten Fall aber zu regressivem Antifeminismus verkommt, welcher ja mittlerweile wieder unverhohlen durch die Leitmedien schwappt und teils absurde Züge annimmt.

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