Ein Jahrzehnt Mitte-Rechts-AStA

Das Prinzip ADF
von am 3. März 2011 veröffentlicht in Hintergrund, Unipolitik

Vor über zehn Jahren trat die ADF mit einem klaren politischen Ziel auf die hochschulpolitische Bühne in Göttingen: die angebliche “Geldverschwendung” und “Selbstbedienung” durch “die Linke” an der Göttinger Uni sollte bekämpft werden. Dabei glänzte sie bereits früh selbst mit Finanzskandalen, der Rechtfertigung von Polizeigewalt gegen Studierende und mangelnder Distanz zur politischen Rechten. Am Mittwoch wird der ADF-AStA abgewählt. Eine Abrechnung.

Von Anfang an stand die ADF für das Credo, vermeintlich unpolitisch sein zu wollen. Unpolitisch, das sollte die Verdrängung linker Gruppen aus dem AStA als auch die Entsolidarisierung mit studentischen Protesten bedeuten. 1996 zog die ADF erstmals für ein Jahr in den AStA ein, im Jahr 2000 erneut. Seit 2002 ist der Arbeitskreis Demokratischer Fachschaftsmitglieder mit wechselnden Koalitionspartnern ohne Unterbrechung an der Macht.

Politik gegen die Interessen der Studierendenschaft

Für die Protestkultur auf dem Campus änderte das einiges. Zunächst deshalb, weil ADF-ASten sich nie besonders viel Mühe gegeben haben, selbst Proteste zu organisieren. Selbstorganisierte studentische Proteste wurden nicht nur nicht unterstützt, sondern zum Teil aktiv bekämpft.

Zunächst schaffte der neue AStA gleich mehrere Referate ab. Das FrauenLesben Referat sollte es nicht mehr geben, seine feministische Bibliothek wurde im Keller versteckt. Antifaschistische Referate, die sich mit rechten Umtrieben an der Uni auseinandersetzten oder auch das Öko-Referat – für die ASten unter ADF-Beteiligung war das alles zu links.

Doch der AStA ging noch einen Schritt weiter. Im Jahr 2003 ließ er den Raum der Fachgruppe Geschichte, den letzten Raum im AStA-Gebäude, auf den er keinen direkten Zugriff hatte, gewaltsam von der Polizei räumen. Es war das erste Mal in der Geschichte der Göttinger Unipolitik, dass ein AStA gegen die eigenen Studierenden die Polizei einsetzte.

Es sollte nicht das letzte Mal bleiben. Als im selben Jahr die Kürzungspolitik der Landesregierung und den damit einhergehenden Streichungen von Studiengängen an der Uni Göttingen zu Protesten auf dem Campus führten, stellte sich der AStA gegen seine Studierenden, deren Interessen er eigentlich vertreten sollte. Auf einer Vollversammlung beschloß die Studierendenschaft, als Zeichen des Protestes das Sozio-Oeconomicum, also das Gebäude der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten, zu besetzen. Der damalige Uni-Präsident Horst Kern ließ das Gebäude nach kurzer Zeit gewaltsam von der Polizei räumen – mit der Unterstützung des AStA-Präsidenten Daniel Flore (ADF).

Es wurde schnell klar, dass ein AStA nicht unpolitisch sein kann. “Neutral” war auch das Handeln des AStA im Falle der Protestaktionen gegen Bildungskürzungen nicht. Es wirkte stabilisierend auf die Politik, gegen die von anderen demonstriert wurde, auch wenn es der ADF an einem eigenen politischen Selbstverständnis mangelte. Einige ihrer Protagonisten begannen recht schnell, den AStA und die dort vorhandenen finanziellen und infrastrukturellen Ressourcen als Möglichkeiten zum eigenen Fortkommen zu begreifen. Die enge Kooperation mit der Uni, die tunlichst nicht durch Konfrontation gefährdet werden sollte, war da nur die logische Konsequenz.

Bis heute hat sich die ADF nicht maßgeblich in die Bildungsproteste an der Uni eingebracht, weder unter dem alten Motto “Gegen Bildungsklau” noch in die aktuelleren, die unter “Bildungsstreik” firmieren. Die wenigen Demonstrationen und Protestaktionen, die die ADF-ASten im letzten Jahrzehnt mit organisiert haben, stehen in keinem Verhältnis zu jenen, die von der Basis der Studierendenschaft ausgingen. Die Vertritt ihre Interessen in Göttingen immer noch am Besten selbst, weil der AStA bei seiner eigentlichen Aufgabe versagt.

Unpolitisch heißt nicht nicht rechts

Dass die ADF ihr ganz eigenes Verständnis von “unpolitischer” Unipolitik hat, zeigt sie immer wieder durch ihre Zusammenarbeit mit dem RCDS, Studierendenorganisation und Teil des rechten Flügels der CDU. Berührungsängste gegenüber Burschenschaftern, nicht selten im RCDS, der früheren LHG oder der ADF selbst organisiert, kennt sie ebenfalls nicht. Selbst als die extrem Rechte Burschenschaft Holzminda im Jahr 2004 den ehemaligen Bundeswehrgeneral Güntzel einlud, der wegen antisemitischer Äußerungen aus der Bundeswehr geflogen war, wollte sich der damalige AStA aus ADF und RCDS nicht dagegen positionieren. Vorgeschoben wurde auch in diesem Fall die angebliche politische Neutralität. Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt im RCDS selbst Burschenschafter der Holzminda organisiert, die freilich nicht gegen sich selbst protestieren wollten.

Und auch in der jüngeren Vergangenheit saß für den RCDS ein Burschenschafter auf dem Posten des AStA-Finanzreferats. Wer also der ADF bei den Uniwahlen seine Stimme gibt, verschafft auch den Rechten eine Machtposition.

Die ADF und das liebe Geld

Dass linke ASten Gelder für Demonstrationen und politische Aktionen ausgeben hatten, wollte die ADF zu Beginn ihrer Karriere als Skandal inszenieren. Der zentrale Inhalt ihrer Politik bestand von Beginn an ausschließlich in diesem Ansinnen. Andere, eigene Inhalte hatte sie nicht. Dafür eigene Finanzskandale.

Schon früh machte die ADF selbst im AStA Erfahrungen mit Ungereimtheiten mit den studentischen Geldern. Als eine der ersten Amtshandlungen hob sie die Gehälter für die ReferentInnen im AStA an und schob so defakto Gelder, die sie durch die Streichung vermeintlich linker Referate eingespart hatte, den eigenen Leuten zu. Auch fehlten bereits am Ende des Haushaltsjahres 2000 Gelder in der AStA-Kasse. Neben tausenden Euro Verlust, die der ADF-AStA mit der Organisation eines Konzertes eingefahren hatte, wurden auch Vorwürfe laut, AStA-Mitglieder hätten sich Gelder in die eigene Tasche gesteckt. Auch die Bezahlung zahlreicher Pizza-Bestellungen zu privaten Anlässen aus AStA-Geldern sorgte damals für Aufsehen, sodass die ADF 2001 ein letztes Mal abgewählt wurde.

Dieser instrumentelle Umgang mit dem Geld der Studierendenschaft setzt sich bis in die Gegenwart fort. Die politische Verantwortung für die “verschwundenen” Gelder (bis dato 28.000 Euro) im Jahr 2010 hat der AStA bereits übernommen. Im Wintersemester 2009 ließ er sogar den Semesterbeitrag, den die Studierenden an den AStA abführen, um 25% erhöhen – um mit den Einnahmen seinen Partykeller “Vertigo” zu finanzieren. Über 100.000 Euro studentische Gelder steckte der AStA in die Renovierung und die gehobene Einrichtung, zu der auch begehbare Kühlschränke gehören. Breite Proteste gegen dieses Vorhaben von zahlreichen Fachschaften ignorierte der ADF-AStA geflissentlich. Seitdem sind es vor Allem AStA und ADF, die dort gelegentlich Parties feiern. Von einer breiten, studentischen Nutzung kann keine Rede sein.

Seilschaften statt Interessenvertretung

Dass es der ADF mehr um die Reputation ihrer RepräsentantInnen als um die Vertretung studentischer Interessen geht, zeigt auch das aktuelle Beispiel des geplanten Lernzentrums. Die guten Beziehungen, die ehemalige Kader der Unipolitik sich in Jahren der Konfrontationsvermeidung mit der Universitätsleitung aufgebaut haben, nutzen sie jetzt für ihre persönliche Karriere aus. So mancher alter ADF-Kader hat seinen Job heute auch direkt in den oberen Kreisen der Univerwaltung.

Im Falle des Lernzentrums ist es noch ein wenig komplizierter. Da ist zunächst die Adiungi GmbH, eine Göttinger Firma, die Universitäten berät. In dieser Firma aktiv sind ehemalige ADF- und AStA-Kader und auch ein ehemaliger Vize-Präsident der Universität. Aus ihrer Feder stammt das Konzept für den Bau des neuen Lernzentrums, das aus Studiengebühren finanziert werden soll. Der Instanz, die über die Verwendung von Studiengebühren entscheidet (der Zentralen Kommission zur Studiengebührenverteilung), sitzt ebenfalls ein ADF-Kader vor. Gut möglich, dass sich hier der ADF-Filz gegenseitig mit Aufträgen versorgt, die aus Studiengebühren finanziert werden – aufgeklärt sind diese Vorwürfe bislang nicht.

Auch an anderen Stellen ist dieser Filz undurchsichtig. So besetzt ein anderer ehemaliger ADF-Kader eine aus Studiengebühren finanzierte Stelle, die er selbst in seiner Zeit als Vorsitzender der Kommission zur Studiengebührenverteilung zumindest abgesegnet hatte. All diese Umstände sind doch mehr als merkwürdig vor allem für (ehemalige) Mitglieder einer Hochschulgruppe, die Studiengebühren in der Theorie offiziell ablehnt.

Waffeleisen statt Argumente

Trotz all dieser mitunter skandalösen Umstände wird die ADF Jahr um Jahr erneut von den Studierenden in den AStA gewählt, einmal bereits mit absoluter Mehrheit im Studierendenparlament. Warum ist das so? An den politischen Inhalten liegt es sicher nicht, hat die ADF doch kaum welche. Nichtmal mehr die antilinke Rhetorik aus den Anfangszeiten bringt sie heute noch in Anschlag.

Seit Jahren inszeniert sich die ADF als Service-Gruppe. Am plakativsten zeigt sich das bei den Uni-Wahlen. Vor den Wahlkabinen präsentiert sich die ADF nicht etwa mit ihren politischen Positionen, sondern mit Waffeleisen. Kostenlos wirft sie dem Stimmvieh ihr Gebäck hinterher, das dieses offenbar auch noch als Argument für eine Wahl akzeptiert. Semester für Semester postiert sich AStA-Vize Kai Horge-Oppermann im ZHG, um sich um die StudienanfängerInnen zu kümmern. Vornehmlich in Sachen universitärer Orientierung denn in politischer Interessenwahrnehmung. Dafür werden er und seine ADF immer wieder aufs neue in das Studierendenparlament gewählt.

Die Finanzaffäre hat die ADF nun zu Fall gebracht. Kein im engeren Sinne politischer, sondern ein finanzieller Skandal hat ihr Schicksal besiegelt. Weil es der ADF gelingt, sich trotz aller Widrigkeiten als unpolitisch zu inszenieren, konnten ihr politische Skandale bislang nichts anhaben. Das ist bezeichnend für die ADF und auch für das politische Selbstverständnis der Studierendenschaft, ohne deren Stimmen bei den Wahlen zum Studierendenparlament die ADF nicht mehr wäre, als ein Sack heiße Luft. Im kommenden Jahr wird sich zeigen, was ein AStA alles kann, an dem die ADF nicht beteiligt ist.

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2 Kommentare auf "Das Prinzip ADF"

  1. mogli sagt:

    „Und auch in der vergangenen Legislaturperiode saß für den RCDS ein Burschenschafter auf dem Posten des AStA-Finanzreferats“
    Ich glaube dies ist eine Falschaussage. Fand den Finanzer zwar auch nicht gut und den RCDS sowieso nicht, aber der war nie in einer Verbindung glaube ich.
    Quelle am besten nochmal überprüfen. Wenn doch, dann hat er bei seiner Vorstellung damals einfach gelogen. Der stellv. StuPa Präsi war mal bei der Brunsviga.

  2. Rakete sagt:

    „vergangene Legislaturperiode“ meint die 2009er Periode – der Artikel ist schon ein paar Wochen älter. Wird korrigiert, danke.

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