"We want Sex" im Sterntheater
„Wir sind Ladies!“
von Rakete am 14. Januar 2011 veröffentlicht in Leinwand, TitelstorySelten war ein Filmtitel so irreführend: „We want Sex“ ist die Geschichte von englischen Frauen, die im Jahr 1968 für den gleichen Lohn, wie ihn ihre männlichen Kollegen erhalten, streiken. Der Film zeigt, wie sich die Arbeiterinnen aus den Strukturen männlicher Dominanz lösen und für ihre Rechte eintreten. Mit Sex hat er rein gar nichts zu tun.
Die Frauen, die in der Näherei des britischen Ford-Werks in Dagenham arbeiten, haben es in den 1960er Jahren nicht leicht. Nicht nur, dass die Arbeitsbedingungen mehr als mäßig sind, sie werden auch schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Ohnehin ist die Welt, in der sie leben, eine männliche: 55.000 Menschen arbeiten in der Fabrik, davon 187 Frauen. Zu Hause müssen sie neben dem Job den Haushalt schmeißen und werden von ihren Männern im besten Fall mit ein wenig Respekt behandelt.
So kommt es, dass es für die Näherinnen zunächst ungewohnt ist, für sich selbst Partei zu ergreifen und ein Mann mit feministischen Allüren sie in den Arbeitskampf führt. Den Mund aufzumachen hatte den Frauen niemand beigebracht. „Wir müssen gar nichts machen, die Männer reden!“ gibt Näherin Connie (Geraldine James) auf dem Weg zum Gespräch mit den Firmenbossen Entwarnung. Und der Gewerkschaftsfunktionär instruiert: „Wichtig ist: wenn ich nicke, nicken Sie auch!“ Schnell lernt vor Allem Protagonistin Rita O’Grady (Sally Hawkins), dass ihr Kampf nur erfolgreich sein kann, wenn sie sich von den verkrusteten Strukturen in der Gewerkschaft emanzipiert, die zunächst vom Arbeitskampf der Frauen so gar nichts hält…
Es ist eine Wonne, sich Nigel Coles (Grasgeflüster, Kalender Girls) Film anzusehen, weil er das Spiel mit den Geschlechterrollen zu einem guten Ende führt. Zwar ist We want Sex vor Allem zu Beginn beladen mit Klischees, die aber im Laufe des Films alle gebrochen werden. Die männlichen Protagonisten staunen nicht schlecht, als die Frauen beginnen, aus der für sie vorgesehenen Rolle auszubrechen und für ihre Rechte einzutreten. Zudem beruht die Geschichte auf einer wahren Begebenheit: Zwei Jahre später führte die englische Regierung den Equal Pay Act ein, ein Gesetz zur Verhinderung von Lohndiskriminierung. Oder wie es im Film so schön heißt: „Eine Bezahlung, die sich nicht danach richtet, ob man einen Schwanz hat oder nicht.“
Dass dieser Film, der im Original „Made in Dagenham“ heißt, im Deutschen auf „We want Sex“ verkürzt wird, muss wohl unter fishing for attention abgebucht werden. Die Umbenennung rekuriert auf eine amüsante Szene im Film, in der die streikenden Frauen ein Transparent mit der Aufschrift „We want Sex Equality“ aus versehen nur zur Hälfte ausrollen. Dass der ganze Film nun auf diese missverstandene Botschaft herunter gebrochen wird, wird der Geschichte nicht gerecht. Im Gegenteil: es wirft ein schlechtes Licht auf die Marketingstrategen, die sich das ausgedacht haben. Emanzipation verkauft sich dann eben doch nicht so gut wie das Wort mit den drei Buchstaben.
Gut, dass „We want Sex“ mehr kann, als der Titel verspricht. Ein bisschen zu glatt zwar und ohne große Überraschungen, aber eine schöne Geschichte darüber, wie Frauen für ihre Rechte eintreten und sich über männliche Dominanz hinwegsetzen.
We want Sex läuft seit dem 13. Januar im Sterntheater
Alle Fotos: © TOBIS
„Eine Bezahlung, die sich nicht danach richtet, ob man einen Schwanz hat oder nicht.“
Nein, danach geht es dem Kapital nicht. Es geht ihm darum, ob die Möglichkeit zur Schwangerschaft besteht. Daran entscheidet es sich, welche Arbeitsmöglichkeiten zur Wahl stehen oder halt auch nicht. Einem Unternehmen, einem Konzern oä. ist eine Arbeitskarft die nicht Schwanger werden kann natürlich lieber, weil kein dementsprechender Ausfall zu erwarten ist. Das Gleiche gilt auch für Ältere oder Kranke.
Die erzählen, mal so nebenbei, auch nix von Dominaz Jüngerer oder Gesunder.
Also nix mit der immer und immer wieder erwähnten, damit es auch blos keineR überließt, männlichen Dominanz.
Außerdem hört sich das ja fast so an als würde hinter der „männlichen“ Lohnarbeit das Paradies auf Erden warten. Das dem nicht so ist sollte hoffentlich allen LeserInnen hier bewußt sein.
Als ob sich männliche Dominanz nur im Lohngefälle ausdrücken würde… Steht ja aber auch im Text. Vielleicht hätte ichs noch ein paar mal mehr wiederholen sollen 🙂
@ lala
Achso, die Möglichkeit zur Schwangerschaft hat also nix damit zu tun, ob ne Person nen Schwanz hat?
Das es auch andere Achsen der Macht und Diskriminierung gibt, hat ja hier wohl auch niemensch bestritten.
Und das Lohnarbeit nicht das Gelbe vom Ei ist, ändert ja auch nix daran, dass wenn mensch schon für Geld schuften geht, die Bezahlung dafür nicht vom Geschlecht abhängig sein sollte.
Richtig, der Schwanz spielt da keine Rolle. Da könnte auch eine Blume oder rein gar nichts sein. Ich interpretiere auch mehr als den Verweis auf den Schwanz in das von mir zitierte Zitat. Da gehts mE eher um die Männer als solche, als um ihr Geschlechtsorgan. Und dem wollte ich entgegenstellen, dass nicht der Mann sich einfach mal so, weil er halt ein Mann ist, in die Lohnarbeit buxiert hat und aus purer Gehässigkeit den Frauen die reproduktive Sphäre übergeben hat, sondern dass dahinter ein System steckt, welches genau diese Sortierung vornimmt. Die Gleichheit ist das Problem an der Sache und nicht die meist kritisierte Ungleichheit. Gerade weil im Prozess der Ausbeutung alle nach den gleichen Kriterien der Wertschöpfung sortiert werden, fallen halt die, die diese Kriterien nicht so vollständig erfüllen hinten runter. Dazu zählen nun mal Frauen, Kranke und Alte. Bei Ausländern kommt noch das Kriterium der Sprache (und mit Ausnahmen noch viele weitere) hinzu.
Ich gebe dir doch völlig Recht, dass wenn schon Lohnarbeit, natürlich auch die Kohle nicht vom Geschlecht etc abhängig sein sollte. Ist es aber – und die Gründe dafür gilt es zu beseitigen. Somit darf aber auch die Lohnarbeit, als eine dieser Ursachen, in einer emanzipatorischen Forderung kein positiver oder erstrebenswerter Charakter zugesprochen werden.
Hi,
1. Schwangerschaft oder nicht, ist nicht der Punkt. ArbeiterInnenmacht erwächst (1) aus der jeweiligen Stellung im Produktionsprozess und (2) aus der MAcht, die durch Organisation, also kollektive Aktion entsteht.
Das Kapital zahlt so wenig, wie es zahlen kann, was es durchsetzen kann. Da muss man nichts pseudoobjektivieren mit Schwangerschaft oder ähnlichem. Gesellschaftliche Unterdrückungsstrukturen unterstützen die Durchsetzungsfähigkeit des Kapitals, da mit ihnen die breite der kollektiven Aktion (da angeblich nicht legitim) abnimmt.
2. Was ich eigentlich schreiben wollte: Der Film enthällt den besten Anmachspruch der Welt. Mich stört ja am Flirten oft das uninteressante Gespräch, aber wenn ich mit „Ich denke die gesamte Arbeiterklasse sollte sich vereinigen“ angegraben werde, dann bin ich gerne zum weiteren Gespräch bereit. Das kann dann gegebenenfalls mit der Vereinigung enden.
Nur für den Fall, dass mich wer angraben will …
P.S.: Auch wenn jetzt dieser Spruch bekannt ist, lohnt es sich in den Film zu gehen.
Schade finde ich, dass der Film bei der gleichen Bezahlung von Mann und Frau aufhört und nicht zumindest darauf anspielt, dass Frauen nicht die gleichen Aufstiegschancen haben wie Männer, ihnen weniger zugetraut wird, ihnen bestimmte Fähigkeiten, die bei Männern positiv gewertet werden negativ ausgelegt werden usw. Der Film ist meiner Meinung nach zu versöhnlich, es scheint als wäre alles erreicht.
Comment von genderfuck — 15. Januar 2011 @ 14:54 „fallen halt die, die diese Kriterien nicht so vollständig erfüllen hinten runter. Dazu zählen nun mal Frauen, Kranke und Alte…“
Bist du schon mal auf die Idee gekommen dass der Arbeitsausfall den das Kinderkriegen für eine Frau bedeutet durch unsere heutiges immer noch patriachal geprägtes System bedingt wird?
Nach den Kriterien der Wertschöpfung würde bedeuten, dass die marktwirtschaftlich wertvollere Arbeitskraft weiterarbeiten würde und das könnte genauso gut die Frau sein wenn der Mann die Kinderbetreuung übernehmen würde.
@luc
Du meinst den Kommentar von lala, nicht meinen.
stimmt
Habe den Film auch gesehen. Nicht nur der Geschlechteraspekt ist interessant. Der Film zeigt auch Europa am Vorabend der Globalisierung: Starke Kernbelegschaften und eine „Revolution der Erwartungen“, die sich in entsprechend harten Lohnkämpfen auch außerhalb der Kernbelegschaften nieder schlagen. Das Kapital gerät in eine ernstahfte Profitklemme. Was folgt sind die 80er Jahre. Der Beginn der Kapitalflucht in die Perepherie und Semiperepherie – besser bekannt unter dem Stichwort Globalisierung. Die Arbeiterklasse gerät in den Betrieben unter Druck. Es folgt der politische Angriff. In UK und USA Thatcher und Reagan. In Deutschland etwas verspätet die geistig moralische Wende unter Kohl. In so fern hat der Film auch etwas tragisches.