Spezialeinheit BFE

Die schnelle Eingreiftruppe
von am 11. Januar 2011 veröffentlicht in Hintergrund, Polizei & Justiz

Sie sind für ihre Brutalität und Kompromisslosigkeit bekannt: die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten der Polizei. Spezialisiert darauf, Einzelne aus Menschenmengen heraus festzunehmen, werden sie häufig auf Demonstrationen eingesetzt. In der zewiten Jahreshälfte 2011 soll in Göttingen eine solche Einheit mit 40 BeamtInnen stationiert werden.

Wie es aussieht, wenn BFE-PolizistInnen ihre Arbeit machen, war in Göttingen zuletzt im November 2009 zu beobachten. Ein Demozug mit knapp 2000 Autonomen stand in der Weender Landstraße am Mahnmal von Conny Wessmann. Die Antifaschistin Conny war vor 20 Jahren an dieser Stelle von der Polizei in den fahrenden Verkehr getrieben worden und starb an ihren Verletzungen.

Ausgerechnet an dieser Stelle prügelte sich ein BFE-Greiftrupp ohne Vorwarnung von der Seite in die Demonstration, um aus ihrer Mitte einen Minderjährigen festzunehmen. Der junge Mann soll sich „passiv bewaffnet“ haben, später ist von Vermummung die Rede.

Skandalös war an diesem Einsatz einiges. Der fehlende Respekt gegenüber dem Gedenken an Conny, die Verletzung der Verhältnismäßigkeit oder die Gewalt gegen Unbeteiligte, die hier mindestens billigend in Kauf genommen wurde. Es zeigten sich hier aber auch grundsätzliche Probleme der Einsätze dieser Einheit auf Demos. Zum einen hat sie den Ruf der Prügelkolonne nicht zu unrecht, denn Prügeln gehört zu ihren Aufgaben und wird mit dem höher angesehenen Ziel der Strafverfolgung legitimiert. Zum anderen hat die Polizei in einer Demonstration, die unter dem Schutz des Versammlungsrechts steht, eigentlich nichts zu suchen.

BFE gegen die Versammlungsfreiheit

Das Versammlungsrecht ist ein Abwehrrecht. Es soll die Ausübung des Grundrechtes auf Demonstrationsfreiheit vor Eingriffen des Staates, in diesem Fall der Polizei, schützen. Ein Schutz, der auch für nicht angemeldete Demonstrationen gilt. Das bedeutet, dass die Polizei in fast allen Fällen erst dann in eine Demonstration rein gehen darf, wenn sie diese vorher aufgelöst hat. Eine solche Auflösung darf sie nicht einfach so aussprechen, es gelten dafür hohe Hürden (einzelne Steinwürfe genügen dafür zum Beispiel nicht).

Platzverweise und Ingewahrsamnahmen als Maßnahmen des Gefahrenabwehrrechts darf die Polizei nicht anwenden, solange die Demonstration läuft. Darum berufen sich die BFE regelmäßig auf die Verfolgung von Straftaten statt auf vorbeugende Gefahrenabwehr. Strafverfolgung wird als höherrangig als der Schutz von Versammlungen vor dem Zugriff des Staates angesehen.

Allerdings müsste die Polizei auch bei der Verfolgung von Straftaten grundsätzlich die Form und Intensität ihres Einsatzes genau und verhältnismäßig abwägen, um das Demonstrationsrecht so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Insbesondere muss sie das Demonstrationsrecht derjenigen schützen, die gar nichts mit den unterstellten Straftaten zu tun haben.

Besonders verhältnismäßig erscheinen die Einsätze aber selten: oft ist zu beobachten, dass das rücksichtslose Durchgreifen der BFE gleich eine Vielzahl von Demonstrierenden betrifft. Und vielen Einsätzen scheint es mehr darum zu gehen, eine Demonstration mit Gewalt zum Stopp zu bringen, als eine einzelne Person wegen Straftaten zu verfolgen. Rechtspolitisch ist der Einsatz von BFE-Kräften auf Demonstrationen also grundsätzlich problematisch.

Nachfolgeeinheit des SEK

Dieser Teil des Artikels stammt von Christoph Ellinghaus. Erstmals erschienen die Passagen 1998 in der Zeitschrift Cilip – Bürgerrechte und Polizei. Eventuelle Änderungen in der Ausstattung der BFE seit dieser Zeit sind nicht berücksichtigt! Den ganzen Artikel bei Cilip lesen.

Der Einsatz von Spezialeinheiten bei Demonstrationen ist nicht neu; er ist eine direkte Reaktion auf die Wandlungen des sozialen Protests in Deutschland. Die Widerstandsbewegungen gegen den Bau von Atomkraftwerken und anderen Großprojekten seit den 70er Jahren gaben sich angesichts ihrer Breite und ihrer berechtigten Anliegen nicht mehr mit symbolischem Protest zufrieden, sondern gingen über zu direkten, auch militanten Aktionen. Bauplatzbesetzungen, Entzäunungen, Hausbesetzungen fanden Sympathie und Unterstützung in Teilen der Bevölkerung.

Die Polizei setzte dabei anfangs regelmäßig auf eine massive Konfrontation mit nahezu allen DemonstrantInnen und provozierte so einen Solidarisierungseffekt einerseits zwischen den unterschiedlichen Gruppen und andererseits zumindest mit Teilen der anwohnenden Bevölkerung. Aufgrund der massiven öffentlichen Kritik begann in den polizeilichen Führungsetagen die Suche nach neuen Wegen. Zunächst waren es die auf sog. Anti-Terror-Kampf trainierten Sondereinsatzkommandos (SEK), die auf die DemonstrantInnen losgelassen wurden. Das BFE-Konzept stellt eine Weiterentwicklung dieser Einsätze dar.

Das Konzept: isolieren und beweissicher festnehmen

Die „Mitwirkung der Bürger“ – sprich die Wahrnehmung des Demonstrationsrechtes – wird in der Theorie als legitim verkauft. Aber ‚Gewalttäter und Störer‘ sollen isoliert und beweissicher festgenommen werden. Ein BFE-Trupp besteht in der Regel aus fünf BeamtInnen, die mit einem Beweissicherungs- und Dokumentationstrupp (BESI bzw. BEDO) zusammenarbeiten. Die BFE ist mittels ihrer Technik in der Lage, die vom BEDO-Trupp aufgenommenen Bilder auszuwerten und noch vor Ort in Fahndungsfotos umzuwandeln. Wird eine Person auf diesen Fotos identifiziert, so wird sie gezielt und gewaltsam aus der Mitte der Demonstration herausgegriffen. Der Zugriff soll koordiniert, auf ein Codewort hin und erst nach der Beweissicherung und nach Lokalisierung des Betroffenen durch alle Mitglieder des Trupps erfolgen.

Ausrüstung

Die Ausstattung der Einheiten ist so angelegt, daß sie auch als Einsatzzüge der Bereitsschaftspolizei Verwendung finden können. Sie geht aber weit über das übliche Maß der Bereitschaftspolizei hinaus. Ein besonderer Schlagschutz, schußsichere Westen, in den Helm eingebaute Funkeinrichtungen, asiatische Nahkampfstöcke (sog. Tonfas bzw. Mehrzweckeinsatzstöcke) gehören zur Ausrüstung jedes Mitglieds einer BFE. Die BFE ist zudem nicht nur mit den Mehrzweckpistolen zum Abschießen von Gummischrot und Gasgranaten ausgestattet, sondern führt in ihrem Arsenal auch Maschinenpistolen.

Der Fahrzeugpark der Einheit umfaßt nicht nur die üblichen „Wannen“, sondern auch „neutrale“ PKWs und Motorräder für den Einsatz in Zivil. Hinzu kommen Videogeräte, Photoausrüstung, ein Nachtsicht- und ein Metallsuchgerät. Die BFE ist in der Lage, den gesamten Mobilfunkverkehr im „Einsatzbereich“ innerhalb von 5-10 Minuten unter Kontrolle zu haben.

Organisation und Gliederung der BFE, so erklärt das Thüringer Innenministerium, würden ihrer „besonderen Aufgabenstellung gerecht, unter Anwendung spezieller Beweissicherungs und Zugriffstechniken und -taktiken insbesondere das Vorgehen gegen gewalttätige Störer zu unterstützen, (und) beweiskräftige Festnahmen an den Brennpunkten unfriedlichen Geschehens durchzuführen.“


BFE bei der Conny-Demo 2009. Foto: Kai Budler

BFE kommt nach Göttingen

Eine solche Einheit soll nun auch in Göttingen stationiert werden, wenn es nach dem Willen des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) geht. In einer Haushaltsdebatte im Landtag sagte Schünemann mit Blick auf den zurückliegenden Castortranport, Niedersachsen habe „ganz klare Anerkennung von anderen Ländern für den Einsatz der Bereitschaftspolizei in Niedersachsen“ bekommen.

Deswegen wolle er diese jetzt noch ausbauen und verhandele gerade mit dem Bund über die Stationierung einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit in Göttingen. Der Bund ist für die Finanzierung der technischen Ausstattung dieser Einheit zuständig, während das Land die Personalkosten trägt.

Die Göttinger Einheit soll bereits in der zweiten Jahreshälfte 2011 einsatzbereit sein und aus rund 40 BeamtInnen bestehen. Das gab Hannovers Polizeipräsident Christian Grahl anlässlich einer Geburtstagsfeier der Göttinger Bereitschaftspolizei am 1. April bekannt. Die Pläne dazu lägen nicht nur in der Schublade, sondern würden derzeit auch schon in konkrete Planungen, unter anderem hinsichtlich der Personalrekrutierung sowie Ausrüstung, umgesetzt, so Grahl weiter. Es wird Niedersachsens fünfte BFE sein, die anderen sind in Hannover, Oldenburg und Braunschweig stationiert.

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7 Kommentare auf "Die schnelle Eingreiftruppe"

  1. beppo sagt:

    Am 22.01. wird es wieder genau so kommen und es wird weder eine Gegenwehr geben noch anschließende (praktische) Reaktionen.
    So war es bei der Conny-Demo, der Razzia i.d. Roten Str. und der unzumutbaren Aktion der Bullen bei der Holocaustgedenkveranstaltung am alten Rathaus und der Demo zur Razzia.
    Was die Bullen sich letzten Winter unbeantwortet erlauben durften ist unfassbar und jetzt ist Göttingen für die wahrscheinlich eh nur noch ´ne Lachnummer. Oktober 2005 sah das noch anders aus.

  2. wer? sagt:

    lass mich raten? 2005 hast du noch hier gelebt und seit du weg bist geht alles den bach runter…hm…

  3. atzlaf sagt:

    ja genau, weil 2005 wurden ja bekanntlich mehre hundertschaften bfe im blutigen nahkampf besiegt .

  4. Ein Linker sagt:

    Und wenn schon. WAYNE?! Mir geht es darum in dieser Stadt politische Erfolge (so marginal sie auch ausfallen mögen) zu erreichen, und nicht einen möglichen Ruf innerhalb der polizeilichen Einsatzgruppen zu verteidigen. Trottel!

  5. beppo sagt:

    @wer?: So ähnlich, nur umgekehrt (das mit dem wohnen). Das mit dem Bach ist richtigrum.
    @atzlaf: Ich bin mir nicht recht sicher auf welchen Kommentar der Deinige abzielt? Da die Auswahl sehr gering ist, vermute ich es ist der Meinige. Ich unterstelle dir jetzt mal du würdest mir unterstellen, ich wäre es evtl. auf dieser Demo oder irgendeiner Demo darauf aus, mich mit BFEs zu prügeln.
    Ich kann dir versichern, dass dem nicht so ist. War 2005 auch nicht so, aber mit viel Kreativität ist dort einiges erreicht worden. Ich wollte lediglich anregen, die ausgetrampelten Pfade zu verlassen. Kreativität statt Wanderkessel und vorführen lassen. Dazu bedarf es womöglich Partrei- ups Gruppenübergreifende Kommunikations-, Vorbereitungs- und Aktionsformen. Es wäre also schön, wenn M&M´s sowie ALIisten und wie sie alle heissen ihre Eitelkeiten mal in eine Kiste auf dem Dachboden verstauenund zusammenarbeiten würden (zumindest temporär).
    Ich hoffe;dass du wirklich mich meintest und ich dir weiterhelfen konnte.
    @Ein Linker: Ich gebe dir recht, dass mit der Lachnummer war,sagen wir mal, unglücklich ausgedrückt. Wenn es aber so läuft wie in meinem Erstkommentar und in der Antwort auf atzlaf angedeutet, fällt es mir schwer Erfolge (auch marginaler Natur) zu erkennen.
    Ich hätte an dich nur noch zwei Fragen.
    1. Warum muss mensch, wenn einem ein anderer Kommentar nicht gefällt, direkt beleidigend werden?
    2. Was bitte schön hat ( ich vermute mal John?) WAYNE mit der ganzen Sache zu tun?

  6. atzlaf sagt:

    @beppo
    ok, ich dachte das soll wieder nur so gepöbel ala früher war alles besser werden.
    Das unsere Aktionen( und aussenwirkung) im Dorf 2010 eher marginal waren stimmt voll und ganz. Und das über aktionsformen nachgedacht werden muss auch. Aber dafür immer den naziaufmarsch von 2005 als vergleich zu nehmen, ist nicht wirklich geschickt.
    Die ausgangslage ist bei solchen dingen doch relativ einzigartig, weil es ja eben das definitive „ziel“ gibt eben diesen zu stoppen, nazis zu verkloppen/beschmeißen etc..
    was auch durchaus im bereich des möglichen liegt, zumindest manchmal.
    Und so ein Geschenk wie damals, eine kilometer lange Route durchs Ostviertel, vollkommen unbewacht, entlang des Campusgeländes, kriegt mensch auch nicht alle Tage. Da ist natürlich (relativ) einfach, einen spektakulären Erfolg zu erziehlen, ohne den hier kleinreden zu wollen, aber an dem Tag hat einfach alles geklappt und bei den cops gar nix.
    Hingegen bei all den ganzen Geschichten in den letzten Jahren, gegen kapitalismus, repression, rasissmus, die liste kennt ihr ja alle, was sollen wir da „reißen“ mit 100 leuten in unserem dorf werden wir so ziemlich gar nix überwinden, was auch allen beteiligten klar ist. und das dann ausser ner runde durchs dorf latschen und Alarm!Alarm! zu rufen nicht viel bei rum kommt ist doch irgentwie auch klar.

    ein meiner meinung nach bespiel wäre zb die demo am abend des 30.01.08, nach der räumung des ersten besetzten unifreiraum, nach dem brand des oecs und dem verlust des kollaps.
    an diesem abend haben entschlossene und kreative göttinger aktivistInnen, ich denke mal aufgrund der kurzen mobizeit nahezu ohne auswärtige unterstützung, gegen ein von anfang an sehr präsentes bullenaufgebot eine nicht zu stoppende demo durchgesetzt, die jenseits von wanderkessel und spalier durch die stadt zog, und im laufe des abends 3 kesselversuche durchbrach, völlig „out of control“.

    aber recht hast du ansonsten, 18:00 gänseliesel, gegen, für, blabla, hat einafch ausgedient, das ist in den letzten 2 jahren eigntlich immer komplett BESCHISSEN gelaufen ( mit ausnahmen ja), und wird, wenn wir hier wirklich so eine Kategorie C
    bulleneinheit kriegen, geradezu fahrlässig.

  7. elGato sagt:

    das Konzept hat sich sehr bewährt. Man schickt solche Trupps immer durch Ballungszonen von Demos und provoziert durch Schubserei etc.
    Diejenigen Demonstranten, die auch nur einen Ansatz von Gegenwehr zeigen, werden sofort rabiat in die Mangel genommen. Dadurch hofft die Polizei, die größten „Unruhestifter“ vorzeitig aus der Ballungszone der Demo zu holen und die Moral der Übriggebliebenen runterzuziehen. in folgendem Podcast wurde das ganz gut erklärt, ich glaube folge #6 oder #7: http://alternativlos.org/

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