Umstrittener Neubau

Uni-Lernzentrum mit Legitimationsproblem
von am 13. Dezember 2010 veröffentlicht in Hintergrund, Unipolitik

Abgesehen vom „Finanzskandal“ des Göttinger AStAs beschäftigt ein weiteres Thema die Hochschulpolitik an der Uni Göttingen: Der geplante Bau des Lern- und Studienzentrums (Monsters berichtete). Tauchte der Neubau zur Mitte des Jahres noch als Randnotiz in Kommissionsberichten auf, bekam er im weiteren Verlauf immer mehr Aufmerksamkeit. Zugleich bemüht sich die Universität – mit Unterstützung durch den AStA – darum, den geplanten Neubau zu legitimieren. Das wird aber schon deshalb schwierig, weil es Unstimmigkeiten gibt.

Informations- und Diskussionsveranstaltungen

Der Göttinger AStA – an dem auch die Gruppe ADF beteiligt ist, aus deren Umfeld auch der Vorschlag zum Bau des Zentrums stammen soll, hatte im Studierendenparlament angekündigt, Informations- und Diskussionsveranstaltungen zum Neubau veranstalten zu wollen. Diese fanden dann Ende November statt. Die vielleicht auch aufgrund der kurzfristigen, schlichten Bewerbung schwach besuchten Veranstaltungen brachten auch wenig neue Einsichten. Allerdings mussten Vertreter der Universitätsleitung einräumen, die Verwendung von Landesmitteln anstelle von Studiengebühren nicht weiter geprüft oder angefragt zu haben.

Gleichzeitig wurde mit der Organisation solcher Veranstaltungen, aber auch der Art und Weise ihrer Durchführung deutlich, dass der Universität immer wichtiger wird, den Neubau zu legitimieren. So wird in diesem Zusammenhang regelmäßig die Zustimmung demokratisch gewählter Organe mit studentischer Beteiligung hervorgehoben. Gemeint ist hier die „zentrale Kommission für Lehre und Studium“ (zKLS+), die über einzelne Verwendungen von universitätsweiten Studiengebühren entscheidet – oder genaugenommen Empfehlungen ausspricht. Als beim Präsidium angesiedelte Kommission ist sie aber nicht direkt demokratisch gewählt – anders als das Studierendenparlament – und es sind auch nur wenige hochschulpolitische Gruppen in der Kommission vertreten.

Der Neubau des »Lern- und Studienzentrums« soll ab April 2011 beginnen und im Dezember fertiggestellt sein. Er soll 8 Millionen Euro kosten, die aus Studiengebühren bezahlt werden sollen. Er wird Räume unterschiedlicher Größe bieten, die für Lerngruppen über das Internet gebucht werden können. Die Räume werden mit Internetanschlüssen, Strom, bequemen Bürostühlen und Tafeln oder Whiteboards ausgestattet.
Weiterhin sollen jährliche Kosten in Höhe von 400.000 Euro aus Studienbeiträgen bezahlt werden.

Das Gebäude soll auf der jetzt noch zum Parken genutzten Fläche zwischen Weender Landstraße und dem Studentenwerksgebäude (Zentralmensa) entstehen. Wir hatten das Projekt und Kritik daran bereits im Juli vorgestellt.

Umfrage

Außerdem wird regelmäßig auf die durchgeführte Studierendenumfrage verwiesen. Die Umfrage lief unter dem Titel »Bedingungen für Lernen und Selbststudium an der Georg-August-Universität Göttingen« und sollte vorgeblich eine Bearbeitungszeit von 10 Minuten für insgesamt bis zu über 25 Fragenkomplexen mit teilweise ausführlichen einleitenden Informationen benötigen. Sie wurde per E-Mail an die Studierenden beworben. An der Umfrage hatten sich gut 2300 Studierende beteiligt, allerdings nur 1852 bis zur letzten Frage durchgehalten, in der die Verwendung von Studiengebühren angesprochen wurde. Die Umfrage wurde vom 24. Mai bis zum 7. Juni durchgeführt.

Der Umfrage zufolge sprächen sich nach Angaben der Uni-Leitung knapp siebzig Prozent der Studierenden für den studiengebührenfinanzierten Neubau aus. Konkret bezieht sich dieser Schluss wohl auf die beiden letzten Fragen: »Das Vorhaben zum Neubau eines Lern- und Studienzentrums wurde Ihnen soeben vorgestellt. Wie stark sind Sie daran interessiert, dass dieses Bauvorhaben realisiert wird?« sowie »Können Sie sich vorstellen, daß für das vorgestellte Vorhaben auch Studienbeiträge eingesetzt werden?«. Dabei war die erste dieser Fragen so konzipiert, dass aus einer Skala von null („Überhaupt nicht interessiert“) bis fünf („Sehr interessiert“) zu wählen war. Diese Werte wurden auf einer Prozentskala abgebildet, aus der sich eine Zustimmung zum Neubau von 70% errechnet.

Die zweite Frage war schlicht mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten. Ein überwiegendes Interesse am Neubau und die Vorstellung, dass dafür Studienbeiträge verwendet werden, hatten in der Schnittmenge 56,4% der Studierenden. Die Diskrepanz zur offiziellen Angabe von „knapp siebzig Prozent“ ergibt sich daraus, dass die für diese Zahl verantwortlichen Gremien in ihrer Auswertung allein die Zahl derer nahmen, die die zweite Frage mit „ja“ beantwortet hatten, und nicht nur die Zustimmung derer, die überhaupt ein überwiegendes Interesse am Neubau hatten.

Für die Aussagekraft der Studie wird seitens der Universitätsleitung auf die Durchführung durch das Methoden-Zentrum Sozialwissenschaften (MZS) der Universität verwiesen. Auf Nachfrage erklärt Prof. Steffen Kühnel, Leiter des Zentrums, wie die Umfrage durchgeführt wurde und wie weit mögliche Schlüsse nach wissenschaftlicher Einschätzung gehen können. So war das Methodenzentrum am Entwurf der Umfrage beteiligt, bei dem Fragestellungen vorgegeben waren. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte die Beauftragung durch das Gebäudemanagement der Universität. Dass dieses zu diesem Zeitpunkt bereits tief in die Planungen um den Neubau involviert war, wird später noch deutlicher werden. Das MZS kümmerte sich dann um Überprüfung und technische Durchführung der Umfrage. Die Bewerbung gehörte nicht dazu – diese wurde dann der Einladungsmail nach im Auftrag des studentischen zKLS+-Vorsitzenden Zigenhorn durchgeführt.

Anschließend stellte das MZS die resultierenden Daten den Auftraggebern zur Verfügung. Kühnel betont, dass in Abschlussbericht und Präsentation darauf hingewiesen worden sei, dass die Ergebnisse nicht statistisch mit einer bestimmten Fehlerwahrscheinlichkeit abgesichert werden können, da die zugrundeliegende Stichprobe keine Zufallsauswahl sei. Kühnel weist auch darauf hin, dass empirische Befunde wie das Ergebnis einer solchen Umfrage lediglich Hilfsmittel bei einer politischen Entscheidung sind, nicht etwa bestimmte Entscheidungen vorgeben.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Studie daher zunächst ohne Makel. Bestimmte Deutungen daraus sind aber politisch, und sind in der Allgemeinheit, in der sie geäußert werden, oft nicht haltbar. Die Ungewissheit bei der Stichprobe bleibt. So würde das Bild beispielsweise bereits erheblich kippen, wenn die Befragungs-Abbrecher am Ende der Studie gar nicht interessiert am Bau eines Studienzentrums gewesen wären – nachdem sie Frage um Frage ihren Lernraumbedarf angeben mussten. Solche Faktoren kann eine so durchgeführte Studie aber nicht bemessen. Im Rahmen des Möglichen lag nur ein Abgleich bestimmter Merkmale gegen die Studierendenstatistik, der laut Kühnel keine größeren Abweichungen ergab. Das heißt, dass immerhin grob die Studienfach- und Semesterverteilung der Befragten mit der der gesamten Universität übereinstimmt.

Als Legitimationsgrundlage taugt die Umfrage daher nur begrenzt. Mit der recht einseitigen Beschränkung auf die eine Prozentzahl, die bei differenzierter Betrachtung geringer ausfallen müsste, tut sich die Universität bei der Rechtfertigung jedenfalls keinen Gefallen.

Ausschreibung vor Verabschiedung

Allerdings wird klar, dass völlig unabhängig von Legitimation der Bau ohnehin wohl bereits beschlossene Sache war. Nach den Angaben in den Informationsveranstaltungen sprach die zKLS+ ihre Empfehlung schließlich am 22. Juni aus. Zu diesem Zeitpunkt war die Umfrage auch bereits abgeschlossen und die Ergebnisse lagen vor. Am 7. Juli befürwortete dann der Senat das Projekt und das Präsidium, zuständig für die Verwaltung der universitätsweiten Studiengebühren, beschloss es dann am 14. Juli. Die Pressemitteilung der Universität vom 19. Juli schließt mit den Worten, dass zum Erscheinungsbild Entwürfe von Architekten eingeholt würden.

Das verschleiert die zeitlichen Zusammenhänge wohl aber unnötig: Denn bereits am 22. April, also lange vor der Umfrage und auch der Verabschiedung des Projekts durch die zKLS+, wurde der Neubau vom Gebäudemanagement der Universität ausgeschrieben (Ausschreibung im EU-Informationssystem „TED“). Die Ausschreibung war auf den 21. Mai befristet – wenige Tage, bevor die Umfrage starten würde. Und auch auf die Größe und Ausgestaltung des Gebäudes hatte die Umfrage wohl wenig Einfluss: In der Ausschreibung ist bereits von 700 Arbeitsplätzen – mit genauen Angaben zu Zahlen von Einzel- und Zweier- sowie Gruppenarbeitsplätzen – die Rede. Diese Zahl taucht dann viel später in der Pressemitteilung der Universität leicht aufgerundet wieder auf.

Fragwürdige Legitimationsversuche

So muss sich das Prozedere um den Neubau wohl den Vorwurf gefallen lassen, dass sich hier die Universität die Legitimation für ihr Vorhaben erst besorgt hat, als die wesentlichen Details bereits in trockenen Tüchern waren. Die fragwürdige Reduktion auf ein Einzelergebnis der Umfrage und der Abschluss ganz wesentlicher Vorplanung noch vor der Umfrage und der Entscheidung der zKLS+ werfen Zweifel an der Entstehungsgeschichte auf. Für die Universität gibt es wohl aber ohnehin kein Zurück mehr. Durch die Informations- und Diskussionsveranstaltungen sollte wohl ein Protestventil geschaffen werden. Möglicherweise verfrüht: Der Protest formt sich erst noch. So wurde für die jüngste Sitzung des Studierendenparlaments sogar der Antrag gestellt, eine Urabstimmung über den Neubau des Lernzentrums durchzuführen – wie beim Semesterticket mit den Uni-Wahlen. Nach Absprache mit der Uni-Rechtsabteilung wurde der Antrag aber nicht zugelassen – und somit auch nicht verabschiedet. Neben dem AStA-„Finanzskandal“ wird das Thema Lernzentrum aber sicher die Hochschulpolitik bei den kommenden Wahlen bestimmen.

Artikel teilen


Themen

,

4 Kommentare auf "Uni-Lernzentrum mit Legitimationsproblem"

  1. Chx sagt:

    Ach Hans-Werner, vielleicht solltest du etwas weniger tendenziell schreiben. Die Veranstaltungen waren nämlich sooo schlecht beworben. Wie wäre es z.B. mit der Information, dass zu den Info- und Diskussionsveranstaltungen eine Mail an alle Studierenden verschickt wurde? Und das Großplakat in der Mensa konnte man auch nur schwer übersehen. Zur Finanzierung: Du machst hier quasi einen Skandal auf, dass die Uni sich keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten gesucht hat. Wie wäre es mit der Information, dass die Landesmittel für den Hochschulbau die Errichtung des Gebäudes in den nächsten 10 Jahren nicht ermöglicht hätten? Das wurde auf den Veranstaltungen deutlich. Vielleicht solltest du auch erwähnen, dass auf den AStA-Veranstaltungen fast ausschließlich bekannte Hopo-Gesichter waren. Ein breites Interesse der Studierendenschaft an einer Auseinandersetzung mit dem Projekt scheint also nicht gegeben zu sein.

  2. Studiengebührenzahler sagt:

    Danke für den gut recherchierten Artikel. Es wird sehr deutlich, dass die Entscheidungen schon gefällt waren, als man uns dann noch pro forma einbezogen hat. Dieser Fragebogen war wirklich ein Maraton. Ärgerlich, dass das Methodenzentrum sich darauf eingelassen hat. Zu dem Komantar 1 muss man wohl nichts sagen. Die AStA Leute sollten lieber mal kläen wo die 20.000 Euro sind, als hier die Komentarspalten bei monsters voll zu schreiben.

  3. Schmendi sagt:

    Im Grunde können wir doch froh sein, das die Veranstaltung so schlecht beworben worden ist. Wären mehr Leute dagewesen, hätte hinterher wieder jede Menge Geld in der Kasse gefehlt – das kennen wir ja schon zur genüge….

  4. death_souls sagt:

    genau genommen finde ich die vorkomnisse um dieses lernzentrum viel skandalöser als diese finanzierungsgeschichte.
    es würde ja mal interessieren, welche seilschaften es zwischen den studierendenvertreter einer bekannten uni gruppe und der universitätsverwaltung tatsächlich gibt- sie sind enorm.dieser filz zwischen beratungsfirma und „studivertretern“ ist meiner meinung nach viel anstößiger. ich tippe mal, dass beim bau des studienzentrums mehr honorare und provisionen geflossen sind, als bei diesem „WM- projekt. letzteres wird dem asta aber das genick brechen.

Schreibe einen Kommentar

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu schreiben. Anmelden | Registrieren

Bitte lese dazu unsere Regeln und Hinweise zum Kommentieren.