Alte und neue Formen staatlicher Repression
von Initiative fur gesellschaftliches Engagement am 22. März 2010 veröffentlicht in Hintergrund, Politik, politische JustizDie Frage nach der gegenwärtigen Entwicklung staatlicher Repression gegen diejenigen, die sich aktiv und kritisch am politischen Geschehen beteiligen, soll vorrangig am Beispiel des Umgangs mit dem Versammlungsrecht aufgeschlüsselt werden. Das Grundgesetz garantiert zwar in Art. 8 GG das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, aber schon damals war der Parlamentarische Rat äußerst skeptisch gegenüber diesem Willensausdruck des Volkes eingestellt. In Absatz zwei sah er sofort die Möglichkeit eines einschränkenden Gesetzes für Versammlungen „unter freiem Himmel“ vor.
Die Geschichte der Bundesrepublik lässt sich auch als nicht endender Streit um dieses urdemokratische Grundrecht beschreiben. Erst die selbstbewusste Inanspruchnahme des Rechts auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch die Bürger und Bürgerinnen hat ein Bewusstsein für diese Menschenrechte geschaffen. Die Studentenbewegung, die neuen sozialen Bewegungen, Friedensbewegung und Frauenbewegung haben aus den wohlgeordneten Aufmärschen heraus hin zu selbstbewussten und kreativen Protesten geführt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich seit dem Brokdorf-Beschluss, 1985, immer wieder, wenn auch nicht immer ausreichend, schützend vor dieses Grundrecht gestellt. Das Interesse der Exekutive war es, dieses Grundrecht zumindest in der Praxis einzuschränken, es auszuhebeln, es unter polizeilichen Vorbehalt zu stellen.
Dieser Konflikt dauert an und wird in immer neuen Formen ausgetragen. Von den Innenministerien wird der Öffentlichkeit weisgemacht, polizeiliche Mittel und Möglichkeiten der Strafverfolgung reichten nicht aus, für einen ordnungsgemäßen Verlauf von Demonstrationen zu sorgen. Mit dem Vorwurf der Gewalttätigkeit wird jeder Protest diskreditiert, der die Ordnung nur etwas stört, der die Finger in die Wunde menschenrechtswidriger, undemokratischer Politik legt.
Die Gewalt der Bürger nähme zu, ist eine immer wiederkehrende Behauptung und führt zu der Forderung nach immer mehr Eingriffs- und Strafverfolgungsmöglichkeiten. Im Juni 2009 hat die Innenministerkonferenz beschlossen, eine Studie zur „zunehmenden Gewalt gegen Polizeibeamte“ beim Kriminologischen Forschungsinstitut in Auftrag zu geben. Die letzte Untersuchung zu demselben Thema hatte dieses 2000 vorgenommen. 1994 hatte die Polizeiführungsakademie ein „graues Papier“ zu den Angriffen auf Polizeibeamte polizeiintern publiziert.
Auf der anderen Seite sind Bürger und Bürgerinnen immer wieder von polizeilichen Maßnahmen betroffen. Es entsteht der Eindruck, der Druck auf diejenigen nehme zu, die politisch aktiv sind, die im Widerspruch zum politischen Mainstream stehen und Protest organisieren. Wie auch die Verfolgung von denjenigen wachse, die an Versammlungen teilnehmen, diese anmelden oder leiten. Von polizeilichen Gewaltübergriffen auf DemonstrationsteilnehmerInnen ist häufig zu berichten. Diese staatliche Gewalt ist jedoch nicht Gegenstand systematischer Untersuchungen. Klagen gegen Polizeibeamte sind nur in ganz seltenen Fällen erfolgreich. Sie scheitern schon an der Unmöglichkeit, die vermummten Täter zu identifizieren. Erfolgen sie überhaupt, werden sie meist mit Klagen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte beantwortet. Eine Vielzahl von Prozessen gegen Demonstrationsteilnehmer führt zwar zu Freisprüchen oder Einstellungen, aber die abschreckende Wirkung entfalten die Prozesse trotzdem. Über diese unberechtigten Klagen erfährt die Öffentlichkeit viel zu selten. Statistiken darüber fehlen. Rechtswidrige Eingriffe der Polizei gegen Bürger und Bürgerinnen haben fast keine Nachteile für diese. Leider gelingt es bisher kaum, Entschädigungen für erlittene rechtswidrige staatliche oder polizeiliche Maßnahmen einzuklagen, die den Staat tatsächlich treffen.
Öffentlichkeitswirksam gegen Demos
Eine grundlegende und abschreckende Taktik sind die Berichte von Polizei und Exekutive über drohende Gewalttaten bei Demonstrationen. Der schon in andere Sprachen übernommene Begriff vom „Schwarzen Block“ ist zum Synonym für Gewaltbereitschaft geworden. Der Öffentlichkeit wird vorgegaukelt, es gäbe eine Quasi-Organisation, die erkennbar herausgefiltert und der alle Gewalttätigkeiten zugeschrieben werden könne.
Versuche, spaltend zu wirken, sind ebenfalls alt. Der Versammlungsleiter und die Demonstrierenden sollen sich von einem imaginären schwarzen Block distanzieren. Auch nach den Demonstrationen – das könnte im Lernen der Public Relation Arbeit neu oder verstärkt hinzugekommen sein – berichtet die Polizei über die Gewalttätigkeit der Demonstrationen, über die Zahl der verletzten Polizisten. Das Maß, in dem sie lügend berichtete, hat im Kontext der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm das bisherige Maß überschritten. Die Zahl der verletzten Beamten am Tag der Großdemonstration wurde extrem übertrieben. Zwei Beamten, die kurzfristig stationär behandelt werden mussten, stand die Behauptung von fast 500 verletzten Beamten gegenüber. Gravierender noch waren die falschen Behauptungen über die Erfahrungen mit den Demonstrationen rund um Heiligendamm nach drei Protesttagen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht. Obwohl die Lügen aufgedeckt waren, wurden sie gegenüber dem höchsten Gericht wiederholt und trugen erheblich zum zweifelnd bestätigten Versammlungsverbot bei. Aber auch die Ereignisse um den 1. Mai 2009 in Berlin lassen ähnliches zu Tage treten. Nach den ersten Berichten über immense Gewaltorgien und fast 500 verletzte Polizeibeamte, wird erst im September ein gemäßigteres Resümee gezogen. „Von 479 verletzten Polizisten haben fast alle Prellungen im Beinbereich und im Armbereich aufgrund von Stein- und Flaschenwürfen gehabt“, berichtet Polizeipräsident Dieter Glietsch. Gravierende Verletzungen habe es in diesem Jahr nicht gegeben. (FAZ, 4.9.2009) Zugleich wird nun berichtet, es habe nach diesen „schwersten Mai-Krawallen in Berlin seit Jahren“ (Berliner Zeitung, 4.5.2009) weniger Sachschäden gegeben als früher, keine geplünderten und zerstörten Geschäfte (FAZ, 4.9.2009). Vor Gericht steht auch ein 24 Jahre alter Bundespolizist, der privat in Berlin gewesen sein und Pflastersteine auf die Polizei geworfen haben soll.
Demonstrationen unter polizeilicher Kontrolle
Der demonstrative Alltag zeigt ein anderes als das polizeiliche Bild. Demonstrationen können sich nicht ungehindert äußern. Zugangskontrollen schrecken ab. Videoaufnahmen, die bei fehlenden Anhaltspunkten für eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung rechtswidrig sind, wie das Verwaltungsgericht Münster im August 2009 urteilte, widersprechen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gefährden die Demokratie. Demonstrationen werden als geschlossene Kessel geführt, denen die Möglichkeit genommen ist, Öffentlichkeit zu erreichen. Gegen Demonstrationsteilnehmer wird mit Schlagstöcken und Pfefferspray vorgegangen.
Ein solches Vorgehen betrifft prinzipiell alle Demonstrationen, es betrifft die Teilnehmer nur um so eher, um so mehr sie provozieren, um so mehr sie Themen ansprechen, die grundlegende gesellschaftliche Fragen thematisieren. In den 1980er Jahren ging die „Gewalt“ von den Sitzblockaden der Friedensbewegung aus. Deren Teilnehmer wurden wegen „nötigender Gewalt“ verurteilt. Erst das Bundesverfassungsgericht hat 1995 dafür gesorgt, dass die Verurteilungen aufgehoben werden mussten, da mit Sitzblockaden keine Gewalt ausgeübt werde. Die Auseinandersetzungen um diese Bewertungen gehen jedoch bis heute weiter. Unmittelbare polizeiliche Gewalt, Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke wurden auch gegen die friedlich über die Wiesen strebenden Demonstrierenden beim Protest gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm eingesetzt. Seit es die „Rebel Clowns Army“ gibt, stört deren irritierend-provozierendes Spiel mit theatralisch-clownesken Elementen die Polizei immens. Schnell wurden sie zum Ziel polizeilicher Übergriffe. 2008 wurden die ersten polizeilichen Auflagen erteilt, in denen Clowns die Teilnahme an Demonstrationen quasi verboten wurde. Noch die absurdesten Auflagen – Clowns dürfen Polizeibeamten nicht näher als drei oder fünf Meter kommen – machen deutlich, dass die friedliche Irritation wie auch die Versuche, Konfrontationen zu reduzieren, als bedrohlich wahrgenommen werden. Die Gerichtsurteile zu solchen Auflagen sind jedoch noch widersprüchlich.
Immerhin haben die Dokumentationen polizeilicher Übergriffe am Rande der Demonstration „Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn“ im September 2009 in Berlin dazu geführt, dass endlich einmal am nächsten Tag in den Medien über diese polizeiliche Gefährdung von Demonstrationsteilnehmern berichtet wurde.
Mit Auflagen das Versammlungsrecht aushebeln
Immer wieder greifen die Ordnungsbehörden zu dem Mittel der Einschränkung des Versammlungsrechts durch Auflagen. Detailliert wird festgelegt, was alles bei der jeweiligen Versammlung verboten ist, wie sich die Teilnehmenden zu verhalten haben, was der Versammlungsleiter durchsetzen muss. Solche Auflagen verschaffen der Polizei vor allem Gründe, in die Versammlungen nach eigenem Gutdünken einzugreifen. Sie hebeln das Selbstbestimmungsrecht über den Verlauf der Versammlungen aus. Sie dürften nur erlassen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass Gefahren von einer Versammlung ausgehen. Sie sollen Versammlungen ermöglichen, wenn anderenfalls habhafte Gründe für deren Verbot bestünden. Sie sollen also das Recht auf Versammlungsfreiheit schützen. In der Praxis werden solche Auflagen meist ohne solche rechtfertigenden Gründe erlassen, sind also rechtswidrig. Der Bayerische Gerichtshof München urteilte 2007, dass 21 von 25 in Mittenwald 2006 erlassene Auflagen gesetzwidrig seien. Das hindert die Ordnungsbehörden allerdings nicht, sie weiterhin zu erlassen. Im Jahr 2008 wurde deutlich, dass sie darüber hinaus ein willkommenes Mittel sind, rechtlich gegen Versammlungsleiter vorzugehen. Immerhin beruhte der Brokdorf-Beschluss des BVerfG 1985 auch auf der Auseinandersetzung um Rechte und Pflichten des Versammlungsleiters. Das Verfassungsgericht machte deutlich, dass nicht eine Person die Verantwortung für das vielfältige Geschehen bei einer großen Demonstration übernehmen kann, zu der viele verschiedene Gruppen aufrufen. Es forderte, den Schutz des Versammlungsrechts weit auszulegen. Störungen von Einzelnen oder einzelnen Gruppen seien zu beheben, ohne die gesamte Versammlung aufzulösen. Mit der Erteilung von Auflagen versuchen die Ordnungsbehörden nun, diese orientierende Rechtsprechung auszuhebeln. Versammlungsleiter sollten dafür verantwortlich gemacht werden, dass alle Auflagen – von der Länge der Transparentstangen bis zur Geh-Geschwindigkeit der Teilnehmenden – eingehalten würden. Anderenfalls wären sie verpflichtet, die Versammlung aufzulösen. Das, was die Polizei nicht darf, nämlich die Versammlung aus nichtigen Gründen auflösen, soll nun der Versammlungsleiter tun. In mindestens vier Städten standen im Jahr 2008 Versammlungsleiter vor Gericht – in Kalrsruhe, München, Rostock und Friedrichshafen. Während die anderen spätestens in zweiter Instanz freigesprochen wurden, ist der Demoanmelder in Karlsruhe in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden. Gegen das Urteil hat er Berufung eingelegt, die aber noch nicht verhandelt worden ist.
Ausforschung politischer Zusammenhänge
Die Versuche, die KritikerInnen der gesellschaftlichen Zustände, die politisch Aktiven und Kreativen geheimdienstlich auszuforschen, sind uralt, die technischen Mittel jedoch erlauben ein immer tieferes Eindringen in die Kommunikation. Rund um die Bürgerinitiative Umweltschutz im Wendland entstanden in den 1990er Jahren, und nicht nur zu dieser Zeit, Aktenberge über Veranstaltungen, Personen und deren Telefonate. Über Rolf Gössner, Bremer Publizist, Bürgerrechtler, Rechtsanwalt und stellvertretender Verfassungsrichter, wurden seit 1970 vom Bundesamt für Verfassungsschutz Daten gespeichert. Nach zahlreichen Widersprüchen und einer anhängigen Klage beim Verwaltungsgericht Köln wurde seine Beobachtung 2008 eingestellt.
Die Hausdurchsuchungen im Vorfeld der Proteste gegen den G8-Gipfel dienten der Kriminalisierung dieser Bewegung, aber sie brachten eine hohe Solidarisierungswelle und eher steigende Beteiligung an den Protesten. Sie machten auch einer breiteren Öffentlichkeit deutlich, wie konstruiert die Beschuldigungen der Bildung von terroristischen Vereinigungen sind. Zunächst musste die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen politische Aktivisten aus Norddeutschland und Berlin wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a StGB einstellen. Die Ermittlungen, die nun „nur“ noch den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB und Brandstiftung betrafen, wurden an die Staatsanwaltschaft Flensburg abgegeben. Auch dort wurde das Verfahren schließlich eingestellt. Mit haarsträubenden und nicht haltbaren Beschuldigungen waren Überwachungen legitimiert worden. Weil jemand jemanden kennt, der beschuldigt wird, und politisch aktiv ist, wird er observiert und abgehört. Ohne stichfeste Beweise waren Aktive von Totalüberwachung betroffen. Im Juni 2008 kommt das Landgericht in Flensburg zu dem Schluss, dass die Razzien im Juni 2007 rechtswidrig waren und nicht hätten angeordnet werden dürfen.
Der § 129a StGB war von Beginn an (1976) ein reiner Schnüffelparagraph, der nicht der Verfolgung von Straftaten dient, sondern der Ausforschung politischer Zusammenhänge.
Betroffen von diesen Maßnahmen sind immer konkrete Personen, die den Druck aushalten müssen, die der Solidarität bedürfen, um dem standhalten zu können. Und betroffen sind alle, denn die Repression wirkt auf alle, die politisch aktiv werden könnten. Abschreckung ist der gewollte Effekt, der die politische Arbeit immer wieder schwierig macht und zugleich die Demokratie gefährdet.
Die Gerichte bieten bestenfalls im Nachhinein Schutz. Diese Erfolge kommen immer zu spät, weil all diese Maßnahmen dann längst erfolgt sind, weil sie letztlich abschreckend wirken und wirken sollen. Zugleich zeitigt dieses rechtswidrige Vorgehen der Behörden für diese keine Konsequenzen und wird folglich bei nächster Gelegenheit wiederholt.
Die technischen Entwicklungen im Bereich der Datenspeicherung, der komplexen Auswertung von Daten und ihrer Weitergabe sind Grundlage dieser staatlichen Ausforschung und Überwachung. Nicht nur innerstaatlich sind fast alle Grenzen der Datenauswertung gefallen. Die europäische Zusammenarbeit schafft zwar die Grenzen für die Daten ab, errichtet diese jedoch wieder für die Bürger selbst. Die reinen Verdachtsdateien des BKA führen zu Ausreiseverboten, Meldeauflagen etc. Klagen gegen Ausreiseverbote können zwar erfolgreich sein, wie im Kontext der Proteste gegen den NATO-Gipfel im Frühjahr 2009, ihnen folgen jedoch Einreiseverbote, weil die Daten längst migrieren konnten.
Mit Gesetzen gegen das Versammlungsrecht
Die schon beschriebenen Versuche, das Versammlungsrecht auszuhebeln, scheitern heute teilweise noch an den Gerichten. Deshalb sind die Versuche, auf Länderebene neue Versammlungsgesetze zu erlassen, als Angriffe auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu verstehen. Das Bayerische Versammlungsgesetz war der erste Versuch, gegen alle „extremistischen“ Gruppen und Versammlungen polizeiliche Eingriffsbefugnisse zu schaffen. Wer „extremistisch“ ist, bestimmt aber der demokratisch unkontrollierbare Verfassungsschutz mit seinen geheimen Informationen. Das bayerische Versammlungsgesetz ist ein Lehrbeispiel in Sachen Generalklauseln und der Einführung unbestimmter Rechtsbegriffe. Die Polizei wird letztlich bestimmen, was verbotenes „militantes und aggressives“ Auftreten ist. Das Uniformierungs- und Militanzverbot ermöglicht es, auch Streikposten der Gewerkschaften als „einschüchternd“ auszulegen, um dagegen vorzugehen. Für den Bürger besteht keine Rechtssicherheit mehr. Die Demokratie gefährdende elektronische Überwachung von Demonstrationen soll fast jederzeit möglich sein. Der Versammlungsleiter wird zum Erfüllungsgehilfen der Polizei gemacht und mit hohen Bußgeldern und Strafen bedroht.
Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang 2009 in einer Eilentscheidung dieses Gesetz für verfassungswidrig erkannt (1 BvR 2492/08 vom 17.2.2009). Die neue bayerische Landesregierung, an der nun die damals noch mitklagende FDP beteiligt ist, hat ein neues Gesetz angekündigt.
Die Entwürfe anderer Bundesländer, die dieses rechtswidrige Gesetz einfach kopieren wollten, liegen seitdem ebenfalls auf Eis. Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hatten entsprechende Pläne. In Niedersachsen soll nach Informationen des „Bündnis gegen das neue Niedersächsische Versammlungsgesetz“ Anfang des Jahres 2010 ein neuer Entwurf vorgestellt werden. Die neue sächsische Regierung aus CDU und FDP hat am 30. Oktober 2009 den Entwurf eines Versammlungsgesetzes vorgelegt. Dort war bisher betont worden, dass sich ein neues Versammlungsgesetz gegen die extreme Rechte wenden solle. Nun soll das Gesetz allgemein „Extremisten in Sachsen deutliche Grenzen setzen“. Vor allem die Verletzung der „Würde der Opfer“ soll weitgehende Auflagen und Verbote für Versammlungen ermöglichen. Als Opfer werden sowohl die der nationalsozialistischen als auch die der kommunistischen Gewaltherrschaft verstanden. Opfer im Sinne dieses Gesetzes ist auch die von der Bombardierung Dresdens betroffene Zivilbevölkerung. Ein ausufernd-unbestimmter Rechtbegriff wie die „Würde der Opfer“ wird auch hier vor allem der Willkür Tür und Tor öffnen.
So begrüßenswert die Eilentscheidung des BVerfG ist, so ist sie doch kein Grund, sich erfreut zurückzulegen. Wie in so vielen Fällen von Recht sichernden Verfassungsgerichtsentscheidungen, werden die Grenzen des Grundrechts enger werden. Die Legislative wird die Möglichkeiten nutzen, das Recht einzuschränken. Der Streit um das Recht auf Versammlungsfreiheit wird letztlich auf der Straße ausgetragen. Das Recht wird nicht einmal auf Dauer erstritten, sondern ist immer neu bedroht. Es bedarf der Menschen, die immer neue Formen des provozierenden Eintretens für Menschenrechte und Demokratie entwickeln, die sich das Recht nicht nehmen lassen, sich „ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“.