Das letzte linke Uniseminar
von am 10. Oktober 2007 veröffentlicht in Politik

Dem Studium haftet immer noch die Eigenschaft an, Bildung zu verbreiten. Bildung allerdings ist nicht immer gleich Bildung. Sie meint in der einen Variante die Auseinandersetzung des je einzelnen Menschen mit seiner Umgebung und seinen Mitmenschen, um so so tatsächlich zu einem Individuum zu werden. In einer anderen Variante meint sie allerdings die Unterordnung des Menschen unter die Anforderungen der Gesellschaft: sie ist nichts als pure Ausbildung.

In der Geschichte der modernen Bildung haben sich beide Prinzipien immer ein hartes Gefecht geliefert. Zur Zeit sieht es so aus, als hätte das (neu-) humistische Bildungsverständnis keine Chance im Vergleich zur totalitären Anforderung der Gesellschaft, sich ihr und ihren Notwendigkeiten bedingungslos zu unterwerfen. Und so besteht das für den Bachelor durchstrukturierte Studium aus standartisierten Lernmodulen, die individualisierte Stundenpläne und autonomes Lernen schon von vornherein ins Reich der Phantasie verweisen. Dazu kommt, das die (auch unabhängig davon) angebotenen Lehrinhalte eher dazu tendieren, die bestehenden Verhältnisse zu stärken – anstatt sie zu hinterfragen.

Was allerdings, und darum soll es hier gehen, nicht für alle Seminare gilt. In einem langwierigen Prozess haben wir uns daher aufgemacht, die letzten kritischen Uniseminare für euch rauszusuchen. Viel gefunden haben wir nicht. Aber immer. Wer also zwischendurch Bedarf nach kritischer Reflexion hat, sollte sich vielleicht die folgenden Veranstaltung mal etwas genauer ansehen.

Angesiedelt sind diese Veranstaltungen vor allem im Bereich der Sozialwissenschaften. Außerhalb dieser Fakultät haben wir lediglich das Seminar zu den „Queeren Monstern“ in der Kulturanthropologie gefunden. Wer sich also mit geschlechterkritischem Blick mit Medien, insbesondere wohl im Film, auseinandersetzen möchte, sollte sich dies Wochenendseminar bei Scheer geben.

Auch bei den Sowis gibt es ein paar kritische Veranstaltungen zum Geschlechterverhältnis. Da wäre etwa die Veranstaltung zu „Geschlechterforschung und Naturwissenschaften – Ein komplexes Wechselspiel„. Hier soll es darum gehen, sich mal genauer anzukucken, wie die Einteilung in Männlein und Weiblein von den Naturwissenschaften aufgegriffen und verarbeitet – und gar nicht unbedingt erst hervorgebracht wird. Hervorbringen tut diese Einteilung ohnehin so einiges, eine ihr eigene Hierarchie etwa. Die nennt sich dann Patriarchat und schlägt sich durchaus auch in politischen Institutionen nieder. Und genau darum soll es im Proseminar „Gender trouble in Politics“ von Müller gehen.

Ein wenig um Geschlecht und ein wenig um kritische Auseinandersetzung (wenn vielleicht auch nicht ausschließlich) wird es auch im Seminar zu „Poststrukturalistischer Theorie“ bei Costas gehen. Neben der feministischen Theorie ist auch die antirassistische und antinationale Theorie ein Feld, in dem der Poststrukturalismus gewirkt hat. Und auch hier gibt es gleich zwei Veranstaltungen mit kritischem Impulsen: Zum einen das ebenfalls von Müller veranstaltete Seminar zu den „Migrationspolitiken der EU und ihrer Mitgliedstaaten„, zum anderen das Seminar zu „Zur politischen und sozialen Funktion von nationalen Grenze (Grenzsoziologie)

Banse ist jedoch problematisiert in diesem Semester nicht nur politische Grenzen, sondern auch den Kapitalismus, in dem Seminar „Kapitalismuskritik in der Wissensgesellschaft“ nämlich. Hier sollen aktuelle Debattenbeiträge zum Zustand des Kapitalismus angesichts der nicht abebbenden Behauptung, wir lebten in einer Wissensgesellschaft diskutiert werden. Etwas kategorialer und grundsätzlicher geht es bei Seidl im Seminar „Werttheorien“ zu r Sache. Hier soll sich nach einem Ausflug in die klassische objektive Werttheorie (Ricardo, Smith) und die neoklassische subjektive Werttheorie (Menger, St. Jevons, Walras) mit der marx’schen Werttheorie und ihren Interpretationen auseinandergesetzt werden.

Und last but not least können alle an sozialen Bewegungen und kritischer Intervention in die gesellschaftlichen Verhältnisse sich zusammen mit Krumbein um „Spontaneität und Subversion. Die aktuelle Bedeutung politischer Debatten und Protestformen des SDS“ kümmern.

Das ist nicht viel, aber doch immerhin besser als gar nichts, was wir hier zusammengetragen haben. Sollten wir wesentliches vergessen haben, könnt ihr das ja in der Kommentarspalte kundtun. Damit auch nichts verborgen bleibt ,-)

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7 Kommentare auf "Das letzte linke Uniseminar"

  1. ri0t sagt:

    Dank der Bachelor-Struktur bestimmt nicht mit viel Raum für Reflexon, aber trotzdem bestimmt inhatlich auch „linke“ Inhalte, primär wohl für Erstsemester interessant:

    bei Rosenthal

    ansonsten vielleicht noch einen Blick wert:

    bei Stephan

    und

    bei Struck

  2. Rakete sagt:

    ebenfalls nicht zu vergessen das wie immer stattfindende Bons-Seminar. Dieses Semester widmet er sich .

  3. queerin sagt:

    Auch zu empfehlen ist ganz bestimmt das Blockseminar von Robin Bauer zu .
    (ganz besonders wenn man Politikwissenschaft studiert und nen Schein in vergleichender Politikwissenschaft braucht).

    Und wenn sich jemensch der Frage widmen mag, wie sich das denn nun mit der Verschränkung verschiedener Herrschaftsformen verhält (und wenn zusätzlich gern Freitags um 8 in die Uni geht. hm, naja, wie auch immer), darf mensch sich das Seminar geben (und hier gerne für alle, die gern länger schlafen, den Inhalt referieren 🙂

    Und auch der Frage, wie es sich mit

  4. queerin sagt:

    ups. das ging aber mal daneben. soviel zum Thema technikfeindliche Linke… kann mensch das vielleicht reparieren? das wäre total nett. Schande über mich.
    Jedenfalls nochmal zum mitschreiben die Themen der Seminare:

    Robin Bauer: US amerikanische und europäische soziale Bewegungen im Vergleich.
    Weinbach: Intersectionality
    Lorenz: Staatsbürgerschaft, Nation und Geschlecht

  5. Schmendi sagt:

    Das Krumbein-Seminar is übrigens ein autonomes Seminar. Ich vermute mal von der Linkspartei-Hochschulgruppe. Wie auch immer die Nasen heißen mögen…

  6. Lony sagt:

    „Wie auch immer die Nasen heißen mögen…“

    SDS

  7. ... sagt:

    vielleicht auch nicht uninteressant, das habermas seminar (dienstag nachmittag; hella dietz), das seminar zur inklusion bei luhmann (donnerstag glaub ich) oder das weber-senett-riessmann (oder wie sie sich auch immer schreiben) seminar am montag…
    oder auch das seminar zur französischen gegenwartssoziologie, was hier ggf etwas weniger poststrukturalismuslastig sein dürfte, was ja zur abwechselung auch nicht schlecht ist…

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