Helden der Arbeit?
von Schmendi am 28. Mai 2007 veröffentlicht in PlattenNachdem Wir sind Helden im Sommer des Jahres 2003 ihr erstes Album „Reklamation“ veröffentlichten, schufen sie ganz nebenbei mit „Guten Tag“ und „Müssen nur wollen“ gleich die beiden inoffiziellen Hits der 2003er Studi-Proteste mit. Seitdem gelten die vier fröhlichen Menschen aus Berlin als „irgendwie politisch“ und Spiegel-Online fragte unlängst: „Wie klingt das linksalternative Milieu?„. Dabei hatte sich die Band mit ihrem zweiten Album „Von Hier an Blind“ doch ziemliche Mühe gegeben, das Polit-Label loszuwerden. Wer „Gekommen um zu bleiben“ als Polit-Song hören wollte, musste schon chronische Haubesetzerin mit Popmusik-Fable sein.
Sogesehen gibt es auf dem neuen und dritten Album „Soundso“ ein Rollback – oder ein Revival, je nach Sichtweise. Denn auf Soundso spielen ‚Wir sind Helden‘ mal wieder die Politkarte aus. Gleich zu Beginn stellt sich die Band mit „(Ode) An Die Arbeit“ die in letzter Zeit häufiger mal diskutierte Frage, was denn nun legitimerweise als Arbeit gelten darf und was nicht. In einem Interview bei Vanity Fair stellte Sängerin Judith Holofernes den Song ganz ausdrücklich in Zusammenhang mit den Diskussionen um das Bedingungslose Grundeinkommen:
„Ich bin lange um das Lied herumgeschlichen, weil ich Lust hatte, einen leichtfüßigen Song zu schreiben, der sich aus einer begriffsphilosophischen Ecke dem Arbeitsbegriff nähert. Mir ging es darum, was Arbeit für die Menschen bedeutet. Und was für ein Potenzial sie hat, Leute unglücklich zu machen – ob man nun Arbeit hat oder nicht. Natürlich ist die Gefahr größer unglücklich zu werden wenn man keine Arbeit hat, weil sie in unserer Gesellschaft Identifikation schafft. Es können sich aber nicht mehr so viele Leute über Arbeit definieren, wenn so viele keine haben. Da ist die Idee, jedem ein Grundeinkommen zu garantieren, natürlich sehr hilfreich, um die Verbindung von klassischer Erwerbsarbeit und Identifikation zu lösen, weil man dann auch Sachen machen kann, die eine Herzensarbeit sind und nicht so gut bezahlt werden.“
Das geht dann munter so weiter: bei „Die Konkurrenz“ geht es ein bisschen um Ellenbogengesellschaft und die recht lebenspraktische Frage, ob sich eins der irgendwie entziehen kann. Bei „Der Krieg kommt schneller zurück als du denkst“ geht es nicht nur, wie der Titel andeutet, um den Krieg als solchen, sondern auch um Vergangenheitsbewältigung: „Was sind sechzig Jahre/Ein Wimpernschlag in der Zeit“. In „Kaputt“ widmen sie sich dann der „Dialektik der Aufklärung“, wenn sie singen „So viel kaputt/Aber so vieles nicht/Jede der Scherben/Spiegelt das Licht“.
Um das politische dann mit dem – davon ohnehin untrennbar verbundenen – privaten zu ergänzen, gibt es auch Songs wie „Labyrinth“ oder „Lass uns verschwinden“. Den Bogen dazwischen bilden dann Songs wie „Soundso“, in denen die individualpsychologischen Momente des gefrusteten Linksalternativen reflektiert werden.
Und auch musikalisch geht es in Gewisser Hinsich wieder zurück in Richtung erstes Album: es gibt wieder mehr Bläser, das ganze klingt mehr nach Elektro-Einfluss als noch das letzte Album. Was es aber trotz alledem nicht gibt ist ein ganz eindeutiger Smash-Hit, wie er mit „Guten Tag“ und „Müssen nur wollen“ gleich in potenzierter Form auf dem Debut-Album vorhanden war. Nicht ganz so eingängig, manchmal gewöhnungbedürftiger als gewohnt, aber trotz allem erschließbar.
Wer ‚Wir sind Helden‘ bislang mochte und sich drei Durchläufe Zeit nimmt, wird auch dieses Album lieben. Wer die Band bislang unter belanglos, langweilig und übeflüssig verbucht hat, wird sich hier nur der FAZ anschließen können:
„Wenn da bloß nicht die Musik wäre: „Soundso“ klingt leider wie Lautsprecher-Testmusik für Kinderhort-Stereoanlagen. Wie jene Sorte Poprock, zu der in den achtziger Jahren auf Stadtfesten die Ballons aufstiegen, in der Nähe des Standes, wo die Kinder geschminkt wurden. Langweilig ist gar kein Ausdruck für das, was hier aus Nena-Schlager, gebremsten Quietscheffekten, rockender Begleitautomatik und Regionalradio-Oldies zusammenproduziert wurde. Nirgendwo eine Lücke, ein Wagnis, eine Schroffheit, ein Extrem – nur stillos vollgehauener Allerweltspop. Man macht sich geradezu Sorgen um die jugendlichen Ohren, die sich an diese Musik gewöhnen könnten.“
Ich weiß nicht, seit wann John K. Doe auch für die FAZ schreibt. Andere sprechen von „Überproduktion“ und davon, dass ganze wäre doch etwas zu bemüht und anbiedernd politisch, hätte nicht mehr den frischen Charme der alten Alben. Wieder andere loben den „größtmöglichen Absurditätsfaktor“, der den den Songs gerade das besondere Etwas geben würde. Das nicht-eingängige sei durchaus Absicht, Keyborder Jean-Michel Tourette spricht von „musikalischem Humor“ und Sängerin Judith Holofernes antwortete in der Welt ob der Frage, warum sie grade mit dem wenig eingängigen, textlastigen „(Ode) An Die Arbeit“ in das Album einsteigen würden ziemlich selbstbewusst:
„Wir finden die Nummer als Opener sehr angemessen, weil es die Tür zu einer noch größeren, experimentellen Freiheit öffnet. Diesen Aspekt gleich mit dem ersten Song klar zustellen, war uns wichtig. Andererseits haben wir uns nie als Singles-Band verstanden, die schmissige Refrains so streut, dass keiner mehr zuhören muss. Insofern zeugt das neue Album eher von einer kontinuierlichen Entwicklung, denn von Leichtsinn. Leichtsinnig wäre eine Platte mit dreizehn Varianten von „Noch ein Wort“ gewesen.“
Gut, das sich über Geschmack streiten lässt. Für alle, die nur mal reinhören möchten sei zum Schluss noch mal „The Geek“ als der wohl eingängigste Song des Albums empfohlen. Ich für meinen Teil gebe mir jetzt jedenfalls noch mal einen Durchlauf…
ich kann halt auch nicht aus meiner haut 😉