Jenseits von Tequila und Sombrero
von am 12. Dezember 2006 veröffentlicht in Politik

Wenn in Göttingen die Rede von „Mexiko“ ist, dann denken die meisten wohl als erstes an die Fußballweltmeisterschaft im Sommer, an fröhlich singende Menschen in der FußgängerInnen-Zone und ähnliches. Gleich danach kommt vermutlich Tequilla, knapp gefolgt von einem sonnengebräunten Ombré mit Sombrero. Bei einer Veranstaltung im ZHG der Universität wurde heute ein ganz anderes, nicht ganz so schönes, aber dafür vermutlich auch weniger unrealistisches Mexikobild vorgeführt. Es ging um die politischen Unruhen, die seit einigen Monaten insbesondere in dem Bundesstaat Oaxaca toben.

Die Proteste in Oaxaca entzündeten sich vor allem am Gouverneur des Bundesstaates, Ulises Ruiz Ortiz. Der herrscht gemeinsam mit einer kleinen Klicke von Großgrundbesitzern, Drogenbossen und Polizisten über die Provinz. Nicht, dass es in anderen mexikanischen Bundesstaaten viel anders wäre. Aber in Oaxaca fällt es halt besonders auf, vor allem weil es im Süden des Landes liegt und der mexikanische Süden über die Jahre und Jahrzehnte eine Art Armenviertel der Nation geworden ist.

„Ortiz muss gehen!“ lautete der Schlachtruf, der unterschiedlichste zivilgesellschaftliche Gruppierungen über einen langen Zeitraum hinweg zusammenarbeiten, protestieren und kämpfen ließ. Eine mehrwöchige, friedliche Besetzung der Hauptstadt Oaxaca-Stadt sollte schließlich von mehreren tausend Polizisten gewaltsam beendet werden. Aber obwohl die mit Tränengasgeschossen, Schlagstöcken und teilweise sogar scharfer Munition gegen die Bevölkerung vorgingen, mussten die Polizeitruppen wieder abziehen. Sie kamen wieder, Wochen oder Monate später, mit mehr Leuten und mehr Material. Heute ist der Stadtkern geräumt, steht unter quasi-militärischer Bewachung. Die sozialen Bewegungen werden kriminalisiert, gegen viele AktivistInnen sind Haftbefehler erlassen worden, viele sind bereits im Gefängnis. Es kam zu gezielten Morden, Vergewaltigungen und Folter. Die Leute lassen sich nicht entmutigen, kämpfen weiter, wenn auch derzeit im Untergrund. Trotz allem hat sich die Bewegung mittlerweile institutionalisiert, es wurde ein breites, basisdemokratisches Netzwerk gegründet, bei dem versucht wurde, die Pluralität der Bewegung wiederzugeben und in dem das weitere Vorgehen aller Beteiligten koordiniert und abgesprochen werden soll.

Das Ganze soll jetzt auch bei der UNO besprochen werden. Im Menschenrechtsausschuss. Dem derzeit Mexiko vorsitzt übrigens. Die Farce ist bereits vorgezeichnet. Nur das sie kaum jemand außerhalb Mexikos nachvollziehen wird. Denn in den hiesigen Medien taucht Oaxaca oftmals nur als Problem für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf. Als Hinweis für Investoren, sich mit Investitionen zurückzuhalten oder für Urlauber, sich doch lieber im Norden Mexikos aufzuhalten. Wer sich aber trotz allem über Oaxaca informieren möchte, sollte einfach mal bei Labournet oder Indymedia oder auf der Homepage der Menschenrechtsorganisation Promovio vorbeischauen, von der auch der Referent bei der Veranstaltung war.

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2 Kommentare auf "Jenseits von Tequila und Sombrero"

  1. Rakete sagt:

    Ich finde noch bemerkenswert, dass wenn die hiesigen Medien über Oaxaca berichten, sie komplett der Propaganda aufsitzen. Ein gutes Beispiel ist , demzufolge die Armee eingriff, um die Bürger zu schützen:

  2. […] (wegen akutem Zeitmangel hier lediglich eine Dokumentation der Veranstaltungsankündigung. Im Dezember veröffentlichten wir einen Artikel zum Thema.) […]

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