Entsetzen über tote MigrantInnen

Demo nach Feuer in Flüchtlingsunterkunft
von am 7. Februar 2014 veröffentlicht in Soziale Bewegungen, Titelstory

Die DemonstrantInnen vermuten ein rassistisches Motiv hinter dem Brand in Hamburg

Nach einer vermutlichen Brandstiftung in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft versammelten sich am Freitagabend gut 200 TeilnehmerInnen zu einer Demonstration in der Göttinger Innenstadt. Bei dem Feuer kamen am Mittwoch drei Menschen ums Leben. Die Demonstration in Göttingen verlief bis zum Aufstoppen durch die Polizei friedlich, aber lautstark.

Auch wenn die Ursache des todbringenden Feuers in Hamburg noch nicht abschließend geklärt ist, geht das Bündnis „Rassismus tötet“ von einem rassistischen Anschlag aus. Unter der Parole „Stoppt dieses Morden“ wurden nicht nur die jüngsten Brandanschläge gegen andere Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland, sondern auch die Grenzpolitik der Europäischen Union kritisiert. In der spanischen Enklave Ceuta kamen kürzlich 13 Flüchtlinge ums Leben, als sie von der spanischen Polizei ins Wasser gedrängt wurden. Zugleich betonten Rednerinnen, dass auch von bürgerlichen Parteien wie der CSU geprägte Begriffe wie „Armutsflüchtlinge“ Teil einer gesamtgesellschaftlichen Stimmungsmache gegen AusländerInnen seien. Mindestens 43 Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte im vergangen Jahr seien ein Ausdruck davon.

Nach der Kundgebung am Gänseliesel setzten sich die mehr als 200 Demonstrierenden in Bewegung. Sie zogen friedlich, aber lautstark durch zahlreiche Straßen der Innenstadt. Die Polizei versuchte mehrfach, sie zu stoppen, was die DemonstrantInnen jedoch ignorierten. Zur Eskalation kam es kurz vor Ende der Demonstration an der Ecke Kurze Straße/Groner Straße: Die Göttinger Beweis- und Festnahme Einheit (BFE) hatte die Straße versperrt. Die Demonstration lief auf die Polizeikette zu und lieferte sich minutenlange heftige Rangeleien mit den BeamtInnen. Der Einsatzleiter begründete das Stoppen der Demo im Nachinein mit der Verkehrssicherheit der Demonstrationsteilnehmer: Diese könne die Polizei ohne Kontakt zum Versammlungsleiter nicht gewährleisten.

Hamburger Polizei vermutet Brandstiftung
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Schon am Donnerstagnachmittag hatten Anwohner Blumen vor dem Haus in der Eimsbütteler Straße abgelegt.

Bei dem Feuer im Hamburger Stadtteil Altona waren am Mittwochabend eine 33-jährige Frau aus Pakistan und ihre beiden Kinder gestorben. Offenbar hatten sie versucht, durch das verqualmte Treppenhaus zu fliehen und waren dabei erstickt. Die übrigen BewohnerInnen – Flüchtlinge aus Russland, Aserbaidschan und Pakistan – konnten von der Feuerwehr gerettet werden. Das Feuer war gegen 20 Uhr im Eingangsbereich des Treppenhauses ausgebrochen. Nachdem die Polizei zunächst von einem technischen Defekt ausgegangen war, hält sie inzwischen Brandstiftung als Ursache für wahrscheinlich. Inzwischen hat sich eine offenbar vielversprechende Zeugin gemeldet, die „gute Beobachtungen“ gemacht habe. Über den Hintergrund ist bislang noch nichts bekannt.

Die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft forderte die Polizei auf, „extrem sorgfältig dem Verdacht eines möglicherweise rechten Hintergrundes nachzugehen“. Die bundesweite Entwicklung der letzten Monate gebe allen Anlass dazu, sagte die Abgeordnete Christiane Schneider: „An vielen Orten kam es in den letzten Monaten zu rassistischen und neonazistischen Protesten und vermehrt sogar zu Anschlägen gegen Flüchtlingsunterkünfte.“ Deshalb erwarte die Abgeordnete, dass die Polizei jeder erdenklichen Spur, die zu einem möglichen rechten, rassistischen Hintergrund führt, sorgfältig nachgeht.

Bislang hat die Polizei nach eigenen Angaben keine konkreten Anhaltspunkte für einen rechten Hintergrund. NachbarInnen der Flüchtlingsunterkunft berichten, es habe bislang keine Anfeindungen gegen das Haus gegeben.


Vor dem Haus versammelten sich am Donnerstagabend 150 Menschen, um den Toten zu Gedenken. Viele legten Blumen nieder oder stellten Kerzen auf. Am Freitagmorgen hat die Flüchtlingspastorin der Nordkirche dort eine stille Andacht abgehalten. Für Donnerstag ist in Hamburg ein Trauermarsch geplant.

Fotos:

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Auch am Gänseliesel wurden Blumen im Gedenken an die Opfer der Brandkatastrophe niederlegt

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Die Demonstration bei der Auftaktkundgebung

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Bereitschaftspolizisten in voller Montur – bislang war die Demonstration friedlich

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Die Göttinger BFE versperrt den Weg und liefert sich Rangeleien mit den DemonstrantInnen.

Text: Topf/Rakete
Fotos: CC-Lizenz

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