Göttinger Uniwahlen 2012

Watte, Waffeln, Wurst und Wahlen
von am 18. Januar 2012 veröffentlicht in Titelstory, Unipolitik

Im Zentralen Hörsaalgebäude duftet es. Nach Zuckerwatte, Waffeln, Glühwein, warmen Würstchen und manchmal Bier. Für alle, die schon länger in Göttingen studieren ist klar: Wahlkampfzeit. Mit üppigen Zeitungen, allerlei Plakaten von albern über langweilig bis bierernst und teilweise eben kulinarischen Wahlgeschenken werben studentische Gruppen um Stimmen. Es geht um die Gremien, in denen Studierende an der Uni mitbestimmen können.

Überblick
Gewählt wird von Dienstag, 17. Januar, bis Freitag, 20. Januar. Am Freitag nur noch im Zentralen Hörsaalgebäude und ohne Fakultätsgremien, sonst meist in einem Gebäude der eigenen Fakultät. Wahlzettel gibt es für die Fach- und Fakultätsgremien und für uniweite Gremien wie Studierendenparlament (wählt den AStA) und Senat. Außerdem finden parallel dazu Urabstimmungen über das Bahnsemesterticket und ein neues Konzept, ein „Kultursemesterticket“, statt.

Auf uniweiter Ebene treten parteinahe Gruppen wie Jusos, Die Linke.SDS, Piraten, Liberale Hochschulgruppe (LHG) und RCDS ebenso wie „parteiferne“ Gruppen wie Schwarzrot-Kollabs (SRK), Basisdemokratisches Bündnis (BB) oder das „Harald-Juhnke-Internat“ (HJI) sowie Grüne Hochschulgruppe (GHG) und die ADF an. Sortiert im Kosmos der politischen Gesäßgeographie gehören zu den Gruppen ganz oder recht weit links im Spektrum das Basisdemokratische Bündnis, die Linke.SDS und vielleicht Schwarzrot-Kollabs, eng daneben die Grüne Hochschulgruppe und schließlich die Jusos. Zumindest ins kritische Spektrum einzuordnen sind wohl auch die Piraten. In der Mitte finden sich dann vermutlich das HJI, die LHG und die ADF. Das rechte Lager ist mit dem RCDS vertreten. Den AStA stellen seit einem Jahr Jusos, GHG, BB und SRK.

Dabei macht der Wahlkampf in diesem Jahr einen ruhigeren Eindruck als noch vor einem Jahr. Damals war der AStA, den die ADF und der RCDS stellten, über einen Finanzskandal gestolpert und heillos zerstritten. Dass damals dann deren Wähler_innen nicht mehr zu den Urnen gehen mochten, brachte Göttingen nun knapp ein Jahr nach gut 11 Jahren wieder einen selbsterklärt linken AStA.

Die Wahl wird in diesem Jahr wohl eher über politische Sympathien mit den Gruppen entschieden. Große Themen, wie im Vorjahr den Finanzskandal oder das aus Studiengebühren finanzierte Lernzentrum, gibt es in diesem Jahr nicht. Die Gruppen setzen sich daher eher programmatische Schwerpunkte – oder verpassen ganz ohne große inhaltliche Angaben ihrem Wahlkampf nur einen Anstrich, der den Charakter der Gruppen herausstellt.

Die ADF, die im Vorjahr die eigentliche Verliererin der Wahl war, versucht in diesem Jahr, über eine vor allem am Bahnsemesterticket orientierten Kampagne, Zweifel an der Arbeit des AStAs zu sähen, der das Ticket organisiert und zur Abstimmung vorbereitet. Mit aufwendigem Informationsmaterial halten Gruppen wie das BB und die Jusos dagegen.

Die Gruppen, die den AStA tragen (Jusos, GHG, BB und SRK), verweisen auch auf ihre Arbeit im vergangenen Jahr. Dabei sind die Themen vielfältig – von Rechtsberatung im AStA, den Umbau der Organisationsstrukturen der Campuszeitung bis zu offensichtlicheren Dingen. Zu nennen ist da sicher die Kulturarbeit. Auch hier bei Monsters haben wir einen bunten Strauß von Veranstaltungen angekündigt, die der AStA organisiert hat. Und ganz besonders sticht das frühere „Vertigo“ hervor, das nach kurzer Zeit vom neuen AStA in „Stilbrvch“ umgetauft wurde. Weniger die Namensänderung, sondern mehr das Veranstaltungsprogramm und die Atmosphäre haben hier einen festen Stempel des linken AStA hinterlassen. Auch fast profane Dinge, wie die Fassadenmalereien am „Stilbrvch“ und am AStA-Haus sind mit der noch laufenden Legislatur fest verbunden. Die AStA-Gruppen verweisen aber auch auf aktive Pressearbeit und eine Vielzahl an durchgeführten Projekten. So förderte der AStA das Antifee-Festival und veranstaltete wieder eine OpenUni, die es schon lange nicht mehr gegeben hatte.

Ein „kulinarisches“ Angebot scheint nun auch fest zum Wahlkampf zu gehören. Wer ein bisschen Sympathie heuchelt, kann so bei einigen Gruppen eine ganze Mahlzeit zusammenstellen. Es gibt warme Würstchen beim RCDS, Waffeln bei SRK und der ADF, Zuckerwatte und Glühwein (oder Punsch) bei den Jusos und Mettbrote und Bier beim HJI.

Der Ausgang der Wahl ist kaum vorhersagbar. So ist kaum zu sagen, ob die Wähler_innen, die vor allem die ADF nach dem Finanzskandal verloren hatte, nun wieder für diese Gruppe stimmen. Offen ist auch, ob es einen „AStA-Bonus“ gibt, also die Gruppen, die den AStA stellen, davon bei ordentlicher Arbeit profitieren. Und dann gab es zum Wintersemester auch eine recht hohe Zahl von Studienanfänger_innen. Hier ist in jedem Jahr entscheidend, ob die hochschulpolitischen Gruppen hier über Informationsveranstaltungen und vor allem Orientierungsphasen „Erstis“ für sich gewinnen können und so die Wahlentscheidung beeinflussen können. Es wird also doch ein bisschen spannend, wenn am Freitag irgendwann am frühen Abend die Ergebnisse bekanntgegeben werden – hochschulöffentlich. Wir werden dann berichten!

Disclaimer: Der Autor tritt auch selbst zu den Wahlen an. Er hofft, dass der Blick auf diese Wahlen dennoch einigermaßen ungetrübt ist.

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6 Kommentare auf "Watte, Waffeln, Wurst und Wahlen"

  1. mogli sagt:

    Die LHG als mittig einzustufen, finde ich schon eine sehr interessante Einschätzung.
    Ob eine Hochschulgruppe, die schon für die Abschaffung der VS eingetreten ist, sich als einzige für Studiengebühren ausspricht und hiervon neue Parkplätze bauen lassen möchte als „mittig“ zu beurteilen ist, möchte ich doch stark in Frage stellen.
    Davon ab bin ich natürlich gespannt, ob sie vom Bundestrend der Partei profitieren können. Ihr eindrucksvoller Wahlkampf müsste ansich schon ausreichen um mindestens mehr Sitze als die ADF zu bekommen. Immerhin sind unter den Fotos der KandidatInnen keine falschen Namen, wie beim RCDS Wahlblatt. Immerhin behaupten sie nicht, dass der AStA, wie RCDS behauptet, ein Wanzensuchgerät angeschafft hätte, obwohl dies nicht stimmt. Was das Semesterticket angeht, sind sie wohl auf den Zug mit aufgesprungen. Strecken, zu denen noch keine Angebote vorliegen und die über das StuPa nachbeschlossen werden müssen, fallen weg. Problem ist, im Gegensatz zu RCDS und ADF die durchaus wissen, dass sie gezielte Falschinfos verbreiten, glauben die von der LHG das sicherlich wirklich.

  2. retmarut sagt:

    Die Einschätzung der LHG halte ich auch für blauäugig. Gerade hier in Göttingen war die LHG immer ein ausgesprochener Rechtsausleger im bürgerlichen Lager.

    Die LHG hat sich stets mit dem RCDS einen Wettstreit geliefert, wer stärker das deutschnationale und völkische Spektrum abgrasen kann. Die Verbinderquote bei der LHG war in der Vergangenheit oft sogar höher als beim RCDS. Es sei nur an so schäbige Verbindergestalten wie den damaligen LHG-Parlamentarier Nicolo Martin erinnert, der vor einigen Jahren ein Studentenwohnheim im Kreuzbergring abfackeln wollte. Das im Keller gelegte Feuer wurde damals glücklicherweise noch rechtzeitig entdeckt.

  3. Die Mitte erobern! sagt:

    Die GHG ist übrigens nicht parteinah. Die Hochschulorganisation der Grünen ist „CampusGrün“ – und die gibts in Göttingen nicht.
    Ob die Jusos in der links-rechts-Schiene wirklich rechts von der GHG sind, weiß ich nicht so recht. Das war vielleicht mal…

  4. Harvey sagt:

    Das stimmt allerdings und ist korrigiert.
    Zur LHG: Die hat dieses Jahr scheinbar (mal wieder) ziemlich viel neues Personal und wenig altes – und ich habe bisher an Wahlkampfaktivität nur einen einzigen Flyer mitbekommen. Ich hätte sie ob ihrer Geschichte vielleicht auch rechts einsortieren sollen, aber der Flyer allein reichte mir nicht ganz. Trotz Studiengebühren-Gejubel. Und ist am Ende ja doch irgendwo immer ne Frage der Perspektive. Aber da ja auch immer das Stichwort vom „linken AStA“ fällt… Mit dem Wort „Gesäßgeografie“ sollte zugleich auch eine gesunde Distanzierung von derlei Kategorisierungen ausgedrückt werden.

  5. extremist_in sagt:

    Ich würde die LHG auch eher nach rechts einordnen trotz liberaler Forderungen wie der Abschaffung der Anwesenheitspflicht. Zum Personal: Der Spitzenkandidat ist Mitglied des farbentragenden und pflichtschlagenden Corps Frisia. In der Vergangenheit kandidierte der auch mal für den RCDS. Als Vorsitzender der JuLis Göttingen äußerte er sich auch zu Schünemann und den Begleitumständen, besondere Unterschiede zum RCDS kann ich da nicht ausmachen.
    Und noch eine Anmerkung zur Linken.SDS: Ob die wirklich „linker“ ist als Jusos und GHG, möchte ich bezweifeln. Die sind halt klassisch alt-links, können aber mit neueren Entwicklungen etwa bzgl. Gender nichts anfangen.

  6. Greebo sagt:

    Ist die Frage wer ein kleines bisschen mehr oder weniger links ist, bei den Uniwahlen in Göttingen nicht eh egal?
    Im Prinzip wählt doch jeder nur seine Freunde, die (meistens) auf der Liste stehen, die einem politisch sowie zusagt. Oder man ist so geil auf einen Stupaplatz, dass man sich einfach selber wählt. Ich wage zu behaupten, dass außer der kritischen Masse an Erstwählern – die ja dieses Jahr um einiges größer ist als zuvor – die restlichen Wählenden nur am Wahlkampf interessiert sind, weil es dort was umsonst gibt (die überproportionale Masse an Nichtwählern nicht zu vergessen).

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