Einheitsparty – Oder doch lieber Feiertag verschlafen?
von am 30. September 2007 veröffentlicht in Politik

Es gibt Wörter, die sind im alltäglichen Gang von medialer Berieselung und privatem Getuschel einigermaßen selten anzutreffen. Das Wort „Revolution“ etwa dürfte dazugehören – erst recht in einer positiven Konnotation. In den letzten Tagen jedoch taucht es immer mal wieder mal auf. Möglich wird das nicht nur dadurch, das vom seit der französischen Revolution üblichen Sprachgebrauch (Revolution = gewaltsamer Umsturz) abgewichen wird, und von einer „friedlichen Revolution“ die Rede is. Geadelt wird die Revolution, von der hier die Rede ist, vor allem dadurch, das sie staatlicherseits als Feiertag begangen wird und uns einen zusätzlichen freien Tag beschert.

Die Rede ist, völlig klar, vom „Tag der deutschen Einheit“. Der grobe Handlungsrahmen dürfte allen bekannt sein, darum zur Erinnerung hier nur in aller kürze: seit Mitte 1989 gab es innenpolitische Schwierigkeiten in der DDR, immer mehr Menschen versuchten auf den unterschiedlichsten Wegen das Land zu verlassen, es gab Montag für Montag Demonstrationen in mehreren großen Städten und schließlich gab die SED-Führung auf und folgte auf Bitte der ostdeutschen ChristInnen der alten mosaischen Aufforderung: „Let Your People Go“. Die Grenze war auf, Menschenmassen stürmten in den Westen, schon ein Jahr später war der Laden an seinen westlichen Kumpanen angeschlossen.

Die Deutschen jedenfalls freuten sich zumindest in ihrer großen Mehrheit ob des Zusammenschlusses und befanden sich seinerzeit in einem kollektiven nationalen Freudentaumel. Die Verstärkung des Nationalbewusstseins schlug auch bei denen zu Buche, die vorher schon ein bisschen zu stolz waren. Ganz normale Deutsche, nicht nur der Stiefelnazi von Nebenan, konnten und wollten wieder Stärke zeigen. Schon 1992 kam es im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen zu den laut Wikipedia massivsten ausländerfeindlichen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der bisherigen Botschaft „Wir sind das Volk“ wurde nun das denklogische „Und ihr gehört nicht dazu“ hinzugefügt. Die Politik schritt umgehend ein – und schaffte das Asylrecht faktisch ab.

Schon hier zeigt sich, das der „Tag der deutschen Einheit“ kein Feiertag wie jeder andere ist. Hier wird in höchstem Maße an deutsch-nationale Gefühle appelliert, hier feiert sich das vermeintlich geläuterte und brave Deutschland selbst – während gleichzeit der Neonazismus zunimmt, AusländerInnen in Abschiebelager gesteckt werden und die deutsche Bundeswehr fröhlich ihre „Gewachsene Verantwortung in der Welt“ wahrnimmt.

Weshalb es schon ein wenig befremdlich anmutet, wenn etwa das EinsB schreibt:

„Nennt es sylvester, himmelfahrt oder den tag der deutschen einheit…we dont care! Für uns ist es einfach nur der perfekte termin um göttingen zu rocken!“

Hier wird fröhlich mitgetaumelt und abgerockt bei der „Einheitsparty“ – ganz so als gäbe es einen Grund zum Feiern. Aber auch das Exil steht dem in nichts nach: Rock the Nation heisst es da ganz plakativ am Dienstag. Die große Reunion soll gefeiert werden. Nun werden einige einwenden wollen, das sei doch nun alles nicht so schlimm, ein wenig Patriotismus habe noch niemanden geschadet und so lange es keine negativen Folgen gäbe, wäre noch immer alles im Lot auf dem Boot.

Dabei lehrt schon die „Du-Bist-Deutschland“-Kampagne die geneigte Rezipientin, dass es mit der Neutralität von Patriotismus und Nationalbewußtsein nicht so sonderlich weit her ist. Offen wurde hier zum Verzicht aufgerufen, alle sollten mit Anpacken, um das große Ganze voranzubringen. Wer wird da so knauserig sein und über ein paar Lohnkürzungen meckern?

Schon nach der „Deutschen Einheit“ war der Zuwachs an patriotischem Nationalgefühl nicht nur mit stetig und widerstandslos voranschreitendem Sozialabbau verbunden, sondern auch mit zunehmend aggressiver werdender deutscher Außenpolitik und (wie bereits erwähnt) mit rassistischen Pogromen. Erst im letzten Jahr, während der Jubel-WM, konnte im Schatten eines begeistert feiernden Volksmobs nahezu problemlos die Gesundheitsreform verabschiedet werden. Die Sache hat also, und da kommen wir nicht drumrum, System.

Es gibt kein unschuldiges Nationalgefühl. Egal ob auf die Schlachtfelder des Vaterlandes oder die der Betriebskonkurrenz in einer globalisierten Weltökonomie gerufen wird: am Ende kommt nichts Gutes dabei heraus. Und schlussendlich gibt es auch kein unschuldiges Feiern. Wenn das EinsB prophezeit, auf der Einheitsparty „kommt zusammen, was zusammen gehört: das partyvolk göttingens“ – dann ist der rhetorische Anschluss an Willy Brandt kein lustiger Witz mehr.

Nationalismus ist nicht lustig. Auch wenn er als Party daherkommt. Denn Nation heißt immer, das es Leute gibt, die nicht mitfeiern. Und solche, die Kellnern müssen. Feiern ohne Deutschland, das wäre mal was. Dafür allerdings eignet sich das EinsB an diesem Dienstag eher weniger. Eher schon im Kabale, wo unter dem Motto „Feiertag verschlafen“ das Tanzbein geschwungen werden kann.

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24 Kommentare auf "Einheitsparty – Oder doch lieber Feiertag verschlafen?"

  1. John K. Doe sagt:

    ich dachte „einheit“ wäre eher auf die dargebotene tanzmusik im sinne von ziemlich sinnfreien einheitsbrei zu verstehen. das wäre mir in dem fall sogar deutlich lieber.
    ich dachte eine derartige party-peinlichkeit erlauben sich eher die deppen vom savoy oder vom alpenmax.

  2. fabbal sagt:

    mir gings so wie john und ich bin erst danach draufgekommen was das eigentlich heißt.
    thumps up schmendi find das gut was du schriebst. das video ist allerdings murks und den zsk track kannt ich schon.

  3. John K. Doe sagt:

    ehrlich gesagt war das nur ein gag den ich schon die ganze zeit bringen wollte.

  4. Rakete sagt:

    fabi ist halt manchmal auf den kopf gefallen 😛

  5. John K. Doe sagt:

    hoffentlich nicht so sehr wie der, dem das partymotto eingefallen ist.

  6. fabbal sagt:

    @rakete wer im glashaus sitzt… oder warst du das nicht der sich letztens ordentlich den kopf gestoßen hat?
    im ernst ich hab nicht dran gedacht, dass wieder „tag der eroberung der ddr“ ist und hab mir nicht weiter gedanken gemacht warum das motto so heißt.

  7. Stefan sagt:

    was ein unglaublicher schwachsin! es gibt menschen die aus jeder mücke einen elefanten machen. wie kann man in eine veranstaltungsankündigung eine solche scheisse interpretieren, ich glaube das nennt man paranoia! krank …

  8. Schmendi sagt:

    welche mücke? und welcher elefant?

  9. Rakete sagt:

    um hier inhaltlich weiter zu kommen würde ich mir von den befürwortern wünschen, darzulegen, was denn genau „unglaublicher schwachsinn“ ist und was genau es an diesem datum zu feiern geben soll.

  10. John K. Doe sagt:

    und wo hier paranoia zu finden ist?!

  11. fabbal sagt:

    und überhaupt und sowieso…
    ich will mal wieder nett diskutieren.

  12. bla sagt:

    “Nennt es sylvester, himmelfahrt oder den tag der deutschen einheit…we dont care! Für uns ist es einfach nur der perfekte termin um göttingen zu rocken!”

    hm… der logische schluss hier ist natürlich, dass es um deutschland geht, an allen tagen… wer hier zustimmt gehe doch im nächsten semester mal zu einführung in die logik I.
    die gemeinsamkeit (hier macht auch das we dont care sinn! überraschung) ist doch wohl eher, dass der entsprechende tag feiertag und somit frei ist, womit also eine zünftige tanzveranstaltung am abend vorher sinn macht (bei sylvester und himmelfahrt entsprechend au den darauffolgenden tag zu beziehen).

    ach und da feiern bestimmt nationalistInnen, ich fürchte das wird aber auch im kabale so sein… oh graus so läufts leider, die linke party ist eben noch nicht erfunden (zum glück?)…

  13. fabbal sagt:

    ah wird ja doch noch was.
    liebe bla dann erklär mir doch den unsäglichen namen der sich auch mit logik nicht verändern lässt. „Eiheitsparty“ macht doch irgendeinen sinn, wie ich ja auch annehme, dass auf der „krankenschwesterparty“ im savoy (so widerlich) frauen in krankenschwesternoutfits rumlaufen, wird sich die einzelne partygänger_in doch auch überlegt haben wieso sie ins einsb gehen willen. „einheit“ prangt da auf dem plakat und einige menschen die sich vielleicht einsam fühlen oder klein denken sich „oh wie super endlich mal teil von etwas sein“. (tschuldigung für den blöden reim) dann kommt jetzt bestimmt das argument „und das ist doch auch gut“ aber ist es eben nicht. ein kollektiv handelt meistens nicht gerade vernunftgesteuert und schon gar nicht im interesse des individuums und wo das hinführt hat mensch in der geschichte schon des öfteren beobachten können.
    die menschen die mich mögen und die ich mag geben mir auch ein gefühl was wert zu sein ohne zu verlangen ein teil von irgendeiner bescheuerten einheit zu sein.
    ums kurz zu sagen „ich bin nicht deutschland ich hab freunde“

  14. johnny sagt:

    soweit würde ich gar nicht gehen. für mich hört sich das so an, als wenn da einfach händeringend ein motto für eine party am vorabend zu einem feiertag gesucht wurde. nichts desto trotz biedert man sich mit dem namen (und dem ankündigungstext) natürlich dem nationalen freudentaumel „tag der deutschen einheit“ an, ob jetzt bewusst oder nicht. ich tippe auf letzteres.

  15. fabbal sagt:

    na dann glaubst du halt an das gute in den menschen, ich nicht.

  16. Stefan sagt:

    .. vielleicht nennt man das dann soziale Inkompetenz!
    Schlaue Sprüche machen, den Leuten Dinge in den Mund legen die sie gar nicht gesagt haben und immer auf Konfrontationskurs sein! Peinliches Kommentar! Vielleicht solltest du einen Namen zu einer Veranstaltung mal sinngemäß nur als Namen werten und als sonst nichts; was hälst du davon?

  17. fabbal sagt:

    es heißt zwar „peinlicher kommentar“, aber darauf rumzuhacken wäre arm.
    ich glaub einfach nicht daran, dass mensch sich so wenig gedanken macht.
    sprache ist immer auch ein instrument das bewusst eingesetzt wird und das sollte auch hier nicht ausgeblendet werden. und „sinngemäß“ zu sagen und dann behaupten, dass es nur ein name ist geht halt nicht. wie du indirekt sagtest steckt ja eben ein sinn hinter dem namen und um den geht es mir.
    hier wird außerdem niemandem was in den mund gelegt es geht mir um den unsensiblen umgang mit einem begriff den ich zumindest mit anderen dingen verbinde als „göttingen zu rocken“.

  18. super typ sagt:

    „die linke party ist eben noch nicht erfunden (zum glück?)…“ Comment von bla

    oh doch, am 3. Oktober schon:
    http://www.akantifa-mannheim.de/changetheclimate/index.htm

  19. Rakete sagt:

    Der ausgleichenden Gerechtigkeit halber sei festgestellt, dass auch das Exil es nicht besser macht. Das Motto ist dort am Dienstag und damit eigentlich noch furchtbarer, weil dem Veranstalter ganz bewusst zu sein scheint, worum es an diesem Abend geht: die Nation.

  20. deutschland war schon als kind scheisze sagt:

    “Rock the Nation” – und dabei haette man es so schoen auch „nation weg/kaputt rocken“ nennen koennen… wenn man denn gewollt haette.
    @stefan: nur als name also: „Einheitsparty“, hm, hat schon eine bedeutung, denke ich. da will jemand die Einheit feiern. liegt irgendwie auf der hand, oder? zumal am vorabend des 3.oktober.
    wenn ich eine „geburtstagsparty“ veranstalte darf ich mich schlieszlich auch nicht wundern, wenn mir jemand gratuliert. erst recht nicht an meinem geburtstag. „nee, tschuldigung, keine gratulationen bitte. geburtstagsparty ist nur so ein name.“
    wenn jemand also eine einheitsparty macht… *bitte satz vervollstaendigen. und dann darf man sich natuerlich fragen, warum mensch das wohl feiern wollen wuerde, oder ob derjenige nur ignorant gegenueber den implikationen dieses names ist. in jedem fall wuerde ich empfehlen dann schmendis text zu lesen. und damit schlieszt sich der kreis.

    bottom line: es gibt nichts zu feiern.

  21. miesmuschel sagt:

    ich bin ja mal gespannt was sich da für szenen abspielen – ich wette das wird jetzt wo „unsere mädels“ es auch mal wieder allen gezeigt haben, schon ein freudentaumel in denen schwarz-rot-gold eine nicht allzu seltene farbkombi is – und um eins dann alle zusammen bei mia mitgröllen – ich geh ma kotzen

  22. Gemeinschaft der Generationen sagt:

    und wenn wir dann fuer Deutschland bis 67 arbeiten muessen, ist es ja nur konsequent sich ueber den Einheitsbrei…aeh Tag zu freuen. Hat man in seinem Leben gleich zwei Tage mehr frei.
    siehe auch: http://lysis.blogsport.de/2007/10/01/nach-noeten-noerdlich/

  23. sal sagt:

    Um nochmal einen anderen inhaltlichen Akkzent zu setzen: Rostock, Hoyerswerda, etc. würde ich nicht so einfach auf die Wiedervereinigung zurückführen. Sicherlich auch ein Faktor in dem ganzen, aber viel wirkungsvoller war die – von der CDU auf Kommunalebenen initiierte – so genannte „Asyldebatte“ die von einer krassen Flutmetaphorik begleitet 1 1/2 Jahre lang durch die Medien ging.
    Und rechte Übergriffe auf andere Personen gab es auch in der DDR zu hauf. Nur das diese in der Kriminalstatistik nie als solche auftauchten, da das für den „antifaschistischen Staat“ ziemlich peinlich gewesen wäre. Daher wurde meist einfach von „Rowdys“ gesprochen und geschrieben…. Wozu es ohne Einheit aber zugegebenermaßen garantiert nicht gekommen wäre ist die sensationsheischende Ausschlachtung dieser Angriffe in den Fernsehmedien.

  24. sal sagt:

    Um nochmal einen anderen inhaltlichen Akkzent zu setzen: Rostock, Hoyerswerda, etc. würde ich nicht so einfach auf die Wiedervereinigung zurückführen. Sicherlich auch ein Faktor in dem ganzen, aber viel wirkungsvoller war die – von der CDU auf Kommunalebenen initiierte – so genannte „Asyldebatte“ die von einer krassen Flutmetaphorik begleitet 1 1/2 Jahre lang durch die Medien ging.
    Und rechte Übergriffe auf andere Personen gab es auch in der DDR zu hauf. Nur das diese in der Kriminalstatistik nie als solche auftauchten, da das für den „antifaschistischen Staat“ ziemlich peinlich gewesen wäre. Daher wurde meist einfach von „Rowdys“ gesprochen und geschrieben…. Wozu es ohne Einheit aber zugegebenermaßen garantiert nicht gekommen wäre ist die sensationsheischende Ausschlachtung dieser Angriffe in den Fernsehmedien.

    p.s.: wieso sind auf der Seite hier eigtl. Javascripte von google und mainstage?

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