[antifee] 10 Fragen an… Captain Planet
von Rakete am 14. Juni 2007 veröffentlicht in Antifee, GesprächeAntifee Wochen bei Monsters… Wenige Tage vor dem Festival erreichen uns im Minutentakt Antworten der Bands, die wir vor gut zwei Monaten befragt haben. Hier nun das Gespräch mit Benni von Captain Planet, der Band, die am kommenden Samstag dsa Bühnenprogramm auf dem Antifee Festival abschliessen wird
Wer seid ihr, was macht ihr und warum eigentlich Captain Planet?
Hallo! Captain Planet sind Sebastian, Marco, Arne und Benni. Wir leben in Hamburg und Hannover und treffen uns seit geraumer Zeit jede Woche um zusammen Musik zu machen. Das was dabei herauskommt spielt sich irgendwo zwischen Alt-Herren-Rock, Emo und Deutschpunk ab. Der Name stammt von einer alten Zeichentrickserie, in welcher fünf Jugendliche ab und an ihren persönlichen Superhelden rufen (Captain Planet), welcher anschließend die Welt vor Umweltkatastrophen bewahrt. Wenn man unser Artwork betrachtet, wird dort oft mit dem Namen Captain Planet in Verbindung mit ganz unterschiedlichen Charakteren gespielt, was in Anlehnung an die abgedroschene Fragestellung eine ähnlich abgedroschene Botschaft beinhalten könnte: Nämlich, dass jeder im Endeffekt was tun kann, um seine oder ihre Welt zu verändern. Captain Planet, als Symbol für ein politik- und sozialbewusstes, aktionistisches Moment, steckt in jedem von uns!
Was war für euch bislang das Highlight eurer Musikkarriere?
Musikkarriere ist wahrscheinlich das falsche Wort um zu beschreiben was wir machen. Daraus ergibt sich auch, dass so etwas wie ein Highlight nicht herauszulösen ist. In einer Band zu spielen mit Menschen, die einem wichtig sind, ist einfach eine tolle Art der Zeitverschwendung. Das ganze hat kein anvisiertes Ziel. Highlights gibt es ganz unterschiedlicher Art. Super Essen irgendwo, die eigene Platte frisch vom Presswerk in den Händen zu halten, beim Kickern auch mal gewinnen, Bier auch mal in kleinen Flaschen, unbeschreiblich nette Leute, die einen bei sich zu Hause aufnehmen, mit Bands spielen von denen man selber Fan ist und so weiter.
Was nervt euch am meissten am Musikmachen? Und was treibt euch an?
Am meisten nervt wahrscheinlich der in jedem zweiten AJZ obligatorische Crust zum Frühstück Aber auch das lässt sich verkraften. Was uns antreibt, ist wohl bei jedem von uns unterschiedlich. Bei mir ist es auf jeden Fall das Gefühl gemeinsam was auf die Beine zu stellen. Songs schreiben und Konzerte spielen gehört für uns einfach zu den intensivsten Tätigkeiten. Dazu kommt die Möglichkeit, Einblicke in das Leben von anderen zu erhalten, die einem sonst verwehrt bleiben würden und Bestätigung zu bekommen für das, wofür man seine Energie verbraucht.
„Politik in einem Popsong, das bleibt immer an der Oberfläche“ haben Superpunk mal gesagt. Begreift ihr euch als politische Band und glaubt ihr, dass das funktioniert?
Na gut, dann kommen wir nun wohl zum Gesinnungstest. Mal schauen welche Punktzahl wir erreichen… Zunächst einmal begreifen wir uns nicht als politische Band. Die Motivation aus der heraus wir Musik machen, habe ich weiter oben ja schon versucht zu beschreiben. Es besteht ja auch die berechtigte Frage, inwiefern denn eine Band politisch sein kann. Der politische Charakter von Bands wird oft überschätzt, gesellschaftliche Missstände verändern sich nicht durch Songs, wie gut sie auch immer sein mögen. Das was Musik erreichen kann, ist zum Nachdenken anzuregen und andere Perspektiven aufzuzeigen. Das muss nicht immer durch explizit politische Inhalte geschehen. Ein Blick auf unsere Texte zeigt, dass wir es eher mit persönlichen Geschichten zu tun haben. Snippets aus den Alltagswelten tauchen auf und Probleme werden gespiegelt, die viele in unserem Alter haben. Solche Bezugspunkte anzubieten bedeutet, zum Nachdenken über sich selbst anzuregen: den eigenen Lebensraum, die eigene Sozialisierung, die eigenen Abhängigkeiten und die eigene Emanzipation unh uns bewegen, häufig eher zum guten Image gehört, als dass es wirklich der zentrale Anspruch ist.
Um mal auf die Frage zurückzukommen: Mit Popsongs kennen wir uns nicht so aus, aber ansonsten kann man Superpunk in diesem Punkt nur beipflichten. Musik ist wohl eher der Soundtrack zu einem ganz anderen Ganzen, als dessen wirkliche Umsetzung.
Das Antifee Festival hat einen doch recht spezifischen und vor allem politischen Charakter. Wieso spielt ihr da, was gefällt euch daran?
Eigentlich ist es eher Zufall, dass wir mit dabei sind. Nun da es aber so ist, freuen wir uns erstens auf einen tolle Feier mit vielen Freunden (Matula, Kurhaus, Iskra und der Sebastian von Beatpunk sind ja auch mit dabei) und außerdem ist es wichtig, die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen wie Sexismus und Nationalismus durch jede Menge Krach zu unterstützen.
Im speziellen geht es um die Kritik an Nationalismus und Sexismus. Beides sind auch Themen, die in der „Musikszene“ eine Rolle spielen. Inwiefern setzt ihr als Künstlerinnen, abseits von der kreativen Betätigung, Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen in Handlung um?
Wir trinken nur noch ausländischen Kaffee und bieten jeder Frau die im Bus stehen muss umgehend unseren Platz an.
Habt ihr das Gefühl, dass euer Geschlecht bei euerer künstlerischen Tätigkeit eine Rolle spielt? Wenn ja, wie macht sich das bemerkbar?
Es ist insofern von Bedeutung, als das es für männliche Wesen vielfach einfacher ist Anerkennung für das zu bekommen, was mann tut. Schon merkwürdig, dass es immer noch als was Besonderes gilt, wenn eine Frau in einer Punkband spielt.
Die Musikszene ist sehr stark männlich dominiert, es gibt nur wenige Frauenbands. Was glaubt ihr, woran das liegt?
Ein Erklärungsansatz ist, dass in dieser Musikszene, trotz des hochgehaltenen Anspruches, genau dieselben gesellschaftlichen Dynamiken von Geschlechterhierarchien aktiv sind wie in der Mehrheitsgesellschaft auch. Es passiert ja auch nicht ohne Grund, dass in eurer Fragestellung explizit von Frauenbands die Rede ist. Der Begriff Männerband taucht nirgendwo in einem musikalischen Kontext. Deswegen ist es auch wichtig diese Auseinandersetzung innerhalb der angesprochenen Szene voranzutreiben.
Nationalismus ist wieder en vogue. Das kommt auch im Musikbereich zu Tage, sei es duch Bands wie MIA, die partout nicht verstehen wollen, warum ein neues deutsches Wirgefühl zum Kotzen ist oder durch Udo Lindenberg und Konsorten, die mit einer Deutschquote den Äther von transatlantischen Musikstücken befreien wollen. Wie steht ihr zu derlei Tendenzen und was glaubt ihr, dagegen tun zu können?
Diese Form von Nationalismus kommt hauptsächlich aus einer Generation, deren Mitglieder sich zumeißt nicht in einem historisch-gesellschaftlichen Kontext sehen. In Deutschland ist die Auseinandersetzung mit Nationalismus dessen Wurzeln und Folgen für Millionen von Menschen weitgehend im Sinne von ‚Wir dürfen nicht stolz auf Deutschland sein‘ geführt worden. Dies steht in klarem Gegensatz zu einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung die dazu führt zu erkennen: Es gibt nichts worauf ich in Deutschland stolz sein wollen würde. Aufgrund der erstgenannten Variante empfindet es eine riesige Menge von Idioten als riesige Erleichterung endlich wieder stolz auf Deutschland sein zu dürfen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Diesem gilt es entschieden entgegen zu treten zu. Ein positives ‚Wir‘ das auf Deutschland Bezug nimmt, oder letztlich auf jede Nation, ist nichts von dem wir ein Teil sein wollen.
Der Ansatz der Deutschquote ist gar nicht verkehrt, geht nur leider nicht weit genug. Der Äther sollte nicht nur von transatlantischen Musikstücken befreit werden, sondern von dem kompletten musikalischen Hirntod jeglicher Herkunft inklusive und vor allem dem aufstrebenden ach so gut gelaunten deutschen Liedgut. Alkaline Trio haben das sehr nett formuliert: Ain`t nothing on the air waving the despair we feel!
Wir sind nun auch schon am Ende unseres letztendlich doch sehr politisch gewordenen Interviews angelangt. Wir bedanken uns recht herzlich, dass ihr euch die Zeit genommen habt und geben das letzte Wort nochmal an euch um zu sagen, was ihr schon immer mal sagen wolltet. Bis zum Juni!
Dankeschön, dass wir dabei sein dürfen.
Jaa nee, is klar. Mal kucken, ob die jetzt auch nen Brief kriegen vom Plenum… ,-)
Wir haben uns entschieden, daß das Festival in jedem Fall draussen stattfindet. Für den Fall, daß es (natürlich nur kurz ; ) stark regnen sollte, besteht die Möglichkeit sich in den umliegenden Gebäuden unterzustellen.