1. Mai – Tag der Bratwurst?
von Trabbi am 29. April 2007 veröffentlicht in Hintergrund, Politik, Tipp!Der 1. Mai steht vor der Tür, doch viele wissen gar nicht mehr, was eigentlich hinter diesem „Feiertag“ steht, bzw. wie dieser überhaupt entstanden ist. Der Tag der Arbeit wird heutzutage irgendwo zwischen Auseinandersetzungen von Autonomen mit der Polizei in Kreuzberg und Bratwurstständen mit Kinderbespaßung der Gewerkschaft begangen. Die meisten verbringen ihn dieses Jahr jedoch vermutlich am Baggersee.
Um zu verstehen, was der 1. Mai eigentlich ist, muss mensch einen Blick in die Vergangenheit werfen. Genauer gesagt in die zweite Hälfte des 19. Jahhunderts nach Chicago und in die australische Kolonie Victoria. Am 21. 04. 1856 streikten in der Victoria Arbeiter für bessere Arbeitsbedingungen. Dieser Streik hatte Erfolg und so wurde der erste Mai in diesem Jahr als gesetzlicher Feiertag begangen.
In den USA wollten 1886 die Gewerkschaften den 8-stündigen Arbeitstag durchsetzen, der zwar gesetzlich schon eingeführt, jedoch in den meisten Firmen nicht umgesetzt wurde. Die Regel waren für die meisten ArbeiterInnen 12 Stunden, meist sogar mehr. Hinzu kamen sehr schlechte Arbeits- sowie Lebensbedingungen für die meisten Menschen. Im Frühjahr erreichten die Streiks ihren Höhepunkt. Sie planten für den 1. Mai 1886 einen mehrtägigen Generalstreik, wobei das Datum zu dieser Zeit noch keine eigene Bedeutung hatte. Vielmehr wurde es gewählt, weil der 1. Mai zu der Zeit traditionell als Tag der Veränderung, das heißt als Tag für Abschlüsse und Aufhebung von Verträgen galt. Man hoffte, dass der 8-Stunden Arbeitstag in neue Verträge mit aufgenommen wurde. So streikten am 1. Mai 1886 ca. 400.000 Arbeiter allein in Chicago.
Schon damals waren anarchistische Bewegungen an den Streiks beteiligt, die die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen mit der Forderung nach der Abschaffung des Kapitalismus verbanden. Im Rahmen der Streiks kam es zu blutigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, infolge dessen es auch einige Todesopfer unter den Streikenden gab. Als sich daraufhin ca. 2000 Menschen am Haymarket als Protest friedlich versammelten, wurden sie von der Polizei angegriffen. In den Reihen der Polizei detonierte in den folgenden Auseinandersetzungen eine Bombe. Sechs Polizisten starben. Bereits am nächsten morgen gab es in etlichen Wohnungen und Büros Razzien. Acht aktive Anarchisten wurden letztendlich zum Tode verurteilt. Die Auseinandersetzungen am Abend des 1. Mais gingen als Haymarket Riot in die Geschichte ein.
Abgesehen von den etlichen verletzen Personen und den Todesopfern erfüllten die Streiks auch politisch nicht die Erwartungen der Gewerkschaften. Der 8-Stunden Arbeitstag konnte nur für ca. 20.000 Beschäftigte durchgesetzt werden. Im Rahmen des Internationalen Sozialistenkongreß in Paris wurde im Juli 1889 festgelegt, den ersten Mai, als Erinnerung an den Haymarket Riot als Internationalen Kampftag der Arbeitbewegung zu begehen. Am folgenden 1. Mai sollte ein internationaler Generalstreik durchgeführt werden, wie es der amerikanische Arbeiterbund auf seinem Kongress beschlossen hatte. So gingen am 1. Mai 1890 weltweit Arbeiter in den Streik.
In Deutschland traten, trotz der Androhung von Entlassungen und der Einführung von Schwarzen Listen seitens der Unternehmerverbände ca. 100.000 Arbeiter in den Streik und beteiligten sich an Demonstrationen um den Achtstundentag. Sie streikten, obwohl am 2. Mai viele von ihnen entlassen wurden. Schwarze Listen kursierten unter den Arbeitgebern, welche die Arbeiter daran hindern sollten sich an den Kundgebungen des ersten Mais 1890 zu beteiligen. Trotzdem beteiligten sich sehr viele Arbeiter bei den internationalen Kundgebungen. Die Folge war, dass Tausende von Arbeitern entlassen, oder vorrübergehend (bis zu 16 Wochen) von der Arbeit ausgesperrt wurden. Dieses besserte sich auch in den kommenden Jahren nicht. Für die Lebenskosten der ausgesperrten Arbeiter mussten oftmals die Gewerkschaften aufkommen.
Im April 1919 erkannte die Nationalversammlung den ersten Mai als gesetzlichen Feiertag an, wobei dieses Gesetz auf den ersten Mai 1919 beschränkt blieb. Bei der Frage nach den Forderungen am 1. Mai war die Arbeiterbewegung sehr stark gespalten. Dies hatte seinen traurigen Höhepunkt am 1. Mai 1929 in Berlin, der als „Blutmai“ in die Geschichte einging. In diesem Jahr gab es vom Berliner Polizeipräsidenten ein Demonstrationsverbot unter freiem Himmel für den ersten Mai.
Die KPD mobilisierte trotzdem, während die Gewerkschaften und die SPD in Säälen Kundgebungen abhielt. Insgesamt waren ca. 8000 Menschen auf den Straßen unterwegs. Die Polizei ging mit großer Gewalttätigkeit gegen die Demonstranten vor. Die Auseinandersetzungen hielten bis zum 3. Mai an. Es herrschte eine strenge Ausgangssperre. Menschen, die ihr Fenster nicht schlossen, oder sich nicht an die Ausgangssperre hielten wurden beschossen. Insgesamt kamen an den drei Tagen 33 Zivilisten ums Leben. Der Tag gilt bis heute als Zeichen für die Zerrissenheit der Arbeiterbewegung.
Arbeitertag im NS
Erst unter der Herrschaft der Nationalsozialisten sollte der 1. Mai als „Tag der nationalen Arbeit“ eingeführt werden. Nach der Machtübernahme vom 30. Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten mit der Ausschaltung aller Parteien der Arbeiterschaft, d.h. der KPD sowie der SPD und aller ihr nahestehenden Organisationen. Dies gelang ihnen relativ schnell. Die Gewerkschaften jedoch blieben vorerst unberührt. Aber innerhalb der Arbeiterschaft in den Gewerkschaften vollzog sich eine Spaltung: die Gewerkschafter spalteten sich in diejenigen, die willig waren, sich dem NS-Regime anzupassen, während die andere Hälfte der Arbeiterschaft noch an ihren alten Prinzipien fest hielt. Diese Zerrissenheit führte u.a. dazu, dass die Arbeiterbewegung,mit dem Prinzip der „Zuckerbrot und Peitsche“ endgültig zerschlagen werden konnte. Das „Zuckerbrot“ war ein Erlaß, der nicht nur die Arbeiter verwunderte: am 10. April 1933 wurde ein Reichsgesetz erlassen, das den 1. Mai als „Tag der nationalen Arbeit“ festlegte, ein „gesetzlicher und bezahlter Feiertag“. Obwohl durch dieses Gesetz die jahrzehntelange Forderung der Arbeiterbewegung nach der Annerkennung des 1. Mai als Feiertag erfüllte, war es kein Sieg der Gewerkschaften, da das Gesetz nur ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Zerschlagung der Gewerkschaften war. Trotz alledem rief der Vorstand des ADGB in Berlin alle Mitglieder der Gewerkschaften dazu auf, sich an den Kundgebungen am 1. Mai zu beteiligen. In einigen Städten führte dies zu Kontroversen innerhalb der Arbeiterschaft. Gewerkschafter, die sich gegen eine Beteiligung an den Maikundgebungen aussprachen mussten mit ernsthaften Konsequenzen rechnen. Einige wurden verhaftet, nachdem sie sich öffentlich dagegen aussprachen.
Die Planung und Durchführung des 1. Mai wurde der SA, sowie der rechtsradikalen Organisation „Stahlhelm“ überlassen. Offizielles Ziel war es, den 1. Mai zu einem Volksfest zu machen, „um die unbedingte Solidarität des NS-Staates mit der Arbeiterschaft zu bekunden.“ Jedoch entfernte sich dieser 1. Mai sehr stark vom ursprünglichen 1. Mai der Arbeiterbewegung. Der Tag wurde wie ein nationalistischer Festtag begangenes wurde in verschiedenen Gaststätten gefeiert. Auf den Umzügen suchte man vergeblich nach den Flaggen der Arbeiterbewegung. Hakenkreuzfahnen und Schwarz-Weiß-Rot-Symbole beherrschten die Straßen. Für viele städtische Beamten und Angestellten wurde es zur „nationalen Pflicht“, sich an den Maifeiern zu beteiligen. Die Teilnehmerzahlen wären höher, als in allen Jahren zuvor.
Doch die „Peitsche“ kam prompt am nächsten Tag. Die Gewerkschaftshäuser wurden gestürmt, die Leiter der Gewerkschaften verhaftet, und sie damit endgültig zerschlagen.
Und was bleibt?
Nach dem Nationalsozialismus wurde der 1. Mai als Tag der Arbeit vom allierten Kontrollrat bestätigt, und von den Bundesländern als gesetzlicher Feiertag eingeführt.
Der 1. Mai als internationaler Arbeiterkampftag hat also durchaus mehr Bedeutung als ein einfacher Feiertag. Er war, ähnlich der Praxis der gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung, schon immer umstritten. Aber immer wurde auch Kritik an den kapitalistischen Produktionsbedinungen am 1. Mai laut. Doch auch immer hatte der 1. Mai mit starken Repressionen zu kämpfen. Das er heutzutage keine große Relevanz hat, zeigt eigentlich nur die allgemeine Tendenz der schwachen Position der Arbeitbewegung. So hat doch Rosa Luxemburg schon 1907 gesagt:
„Die Maifeier ist ein lebendiges historisches Stück des internationalen proletarischen Klassenkampfes, und deshalb spiegelt sie in sich seit bald 20 Jahren getreu alle Phasen, alle Moment diese Kampfes wider. […] sie lebt zusammen mit der Arbeiterbewegung und verändert sich daher mit ihr, gibt in dem eigenen Ideengehalt, in der eigenen Stimmung, in der eigenen Spannung die wechselnden Situationen des Klassenkampfes wieder.“
eine lesenswerte Kritik der linken Fixierung auf den 1.Mai liefert Klaus Thörner in Phase 2 (Nr16)
check: http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=285&print=ja