Die neue Radikalität – Strike-Bikes aus Nordhausen
von am 22. September 2007 veröffentlicht in Politik

Streiken ist in Deutschland momentan nicht gerade besonders „in“. Die Streikquote liegt weit unterhalb derer Spaniens, Italiens und Frankreichs. Von einer eigenständigen Streiktradition und kann ebensowenig gesprochen werden wie von einem politischen Bewusstsein dafür, das sowas schon eigentlich auch okay ist. Das liegt sicherlich, wenn auch nicht ausschließlich, mit dem zusammen, was für gewöhnlich als „Korporatismus“ bezeichnet wird: das Gewerkschaften nämlich stets bemüht (und dazu auch qua Verfassung verpflichtet) sind, das große Ganze im Blick zu behalten. Gestreikt wird eben nur, wenn es dem Standort Deutschland nicht schadet und zudem die Interesse des Betriebes ebenso gewahrt bleiben wie die der ArbeitnehmerInnen. Was eine einigermaßen blödsinnige Regelung ist für ein politisches Kampfinstrument, das doch gerade darauf zielt, dem Betrieb wehzutun.

Manchmal bleibt es aber nicht dabei. Manchmal führt ein schwer erklärbares Konglomerat aus beruflicher Perspektivlosigkeit, gesellschaftlicher Unsicherheit, persönlicher Unverschämtheit auf seiten der ArbeitgeberInnen und ähnlichen Momenten dann dazu, das doch mal gestreikt wird. Das war dann vor einiger Zeit bei der Firma Bike Systems im benachbarten Nordhausen der Fall. Vom 10. Juli an hatten 135 ArbeiterInnen ihren Betrieb nicht nur bestreikt, sondern auch gleich besetzt. Der Grund: Der Laden wurde verkauft und sollte von einem Investor ausgeschlachtet und dann geschlossen werden. Das fanden die Beschäftigten, zumal Thüringen nicht gerade für niedrige Arbeitslosigkeit bekannt ist, weniger prickelnd. Und entschlossen sich prompt zu eben dieser Aktion.

Die allerdings lange Zeit eine eher symbolische blieb. Es sollte ein politisches Zeichen gesetzt werden, ernsthafter Druck wurde nicht aufgebaut. Weder wurde der Betrieb der verwaltungstechnischen Abwicklung des Betriebes in irgend einer Form behindert noch der Abtransport von Material verhindert. Entsprechend kam auch nicht viel dabei heraus.

Was dann – und hier nimmt die Geschichte eine neue Wendung – aber nicht zur Resignation der Beschäftigten geführt hat. Vielmehr haben die dann beschlossen, die Produktion in Selbstverwaltung wieder aufzunehmen. Damit das klappt, müssen allerdings bis zum 2. Oktober satte 1.800 Bestellungen eingegangen sein. Für 200 € (für WeiterverkäuferInnen) bzw. für 275 € (bei Einzelbestellungen) gibt es hier ein niegelnagelneues Fahrrad. Inclusive der Überraschung, wie es den nun wohl aussehen wird.

Unterstützt wird die Kampagne von der F.A.U. – der „Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union“, einer anarchosyndikalistischen Gewerkschaft. Bei denen geht es dann auch weniger um Korporatismus als eine grundlegende Infragestellung der herrschenden Produktionsbedingungen. Will sagen: die Sache mit Lohnarbeit, Befehlshierarchien und Profitakkumulation soll weg. Ob es zu diesem Zwecke besonders hilfreich ist, sich analog der Konkurrenz den Marktzwängen zu unterwerfen und sich selber ein Stück weit in die Notlage zu bringen, auf Profitakkumulation angewiesen zu sein (sollen nicht die Produktionsanlagen mittelfristig hemmungslos veralten), ist nicht wirklich geklärt. Muss es aber vielleicht auch gar nicht. Der Praxistest wird es zeigen.

Wer also soziale Kämpfe untersützen möchte, selber ein Fahrrad braucht oder jemanden kennt der bald Geburtstag hat, sollte hier eins bestellen. Wer findet, solche Kämpfe bringen ohnehin nichts, sollte sich zumindest doch noch einmal den konkreten Rahmen vor Augen halten:

Nun wissen wir alle das es sehr wichtig ist, vorhande Urteile über die Welt und die Gesellschaft zu falsifizieren, also auf Richtigkeit zu überprüfen. Wenn wir also finden, das solche selbstorganisierten Proteste eher wenig erfolgreich sind, so ist es doch für die theoretische Standfestigkeit wichtig, das zu Überprüfen. Geben wir ihnen also eine Chance, untersützen wir sie – indem wir wenigstens ein Fahrrad kaufen. Das tut nicht so weh und schont nebenbei (zumindest relativ gesehen) auch noch den eigenen Geldbeutel. Alleine schon deshalb, damit die Zusammenarbeit mit der F.A.U. möglichst lange dauert – ein wenig Arbeitskritik hat schließlich noch niemanden geschadet…

Mehr Infos gibts hier:

Strike-Bike Homepage


Labournet-Kampagnenseite

FAU-Homepage

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13 Kommentare auf "Die neue Radikalität – Strike-Bikes aus Nordhausen"

  1. John K. Doe sagt:

    um die überraschung etwas zu nehmen, hier das fahrrad:

    kosten knapp 280 euro.

    auch orange ist übrigens der Hummer H2 GT. den hätte ich ehrlich gesagt etwas lieber, verbrauch zwischen 25 und 32 liter. je nach fahrweise:

    kosten knapp 140.000 euro

    bei mir läge es was die entscheidung zwischen beiden angeht nicht am geld, sondern natürlich am deutlich geringeren verbrauch des fahrrads.

  2. Das Rad ist doch rot! ROT!!!! Für mehr Kommunismus!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  3. John K. Doe sagt:

    hach scheiße! diese dämlichen monitore an der uni. ist der hummer auch rot? das würde ja heißen mit 700 ps und 250 km/h für den verdammten kommunismus?!

  4. John K. Doe sagt:

    p.s.: so’n mist – jetzt habe ich mich als student geoutet….

  5. ne der hummer is warnschutzwestenorange. schon richtig so.
    student-sein ist doch keine schande. ich wärs auch gerne wieder. auf ne art. irgendwie. oder so. eigentlich nicht.

  6. John K. Doe sagt:

    bei mir ist ein ende in deutlicher sicht. danach mache ich einen hartz ausflug.

  7. ah so. klassischer fall. is bei mir auch so. ich hatte 2 monate lang einen job in der gleitzone, das war die beschissenste zeit meines lebens (finanziell). jetzt: 400-euro-job plus alg2. auch scheisse, aber ich hab eine art aussicht (finanziell).

  8. Rakete sagt:

    War das Wortspiel „ikalität“ eigentlich beabsichtigt? Fällt mir jetzt erst auf 🙂

  9. bla sagt:

    oh – ist das hässlich!

  10. girlsetsfire sagt:

    wie wichtig es ist, zusammen mit der fau „arbeitskritik“ zu betreiben und nicht einfach auf die us-finanzinvestoren (aka heuschrecken) zu schimpfen zeigt umso mehr, daß offensichtlich auch der den versuch wert ist, ihre „kapitalismuskritik“ an diesen fall anzudocken.

  11. fabbal sagt:

    ich hab sowieso eins von diesen mountainbikes die nicht kaputtgehen. seit 8 jahren glaub ich dann brauch ich so ne orangene mühle eh nich

  12. Paderborner sagt:

    Besetztes Haus in Paderborn !!!

    __________________________________________________________
    EDIT seitens Redaktion: Haben das mal verlinkt wegen Problemen bei der Anzeige.

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