Bespitzelung des Journalisten Kai Budler

Bekannte und unbekannte Daten
von am 6. November 2013 veröffentlicht in Polizei & Justiz

Im Herbst 2011 antwortete der Niedersächsische Verfassungsschutz dem Journalisten Kai Budler auf seine Anfrage. Ja, über ihn seien Daten gespeichert. Medien und Teile der Politik reagierten empört über die Bespitzelung von Journalisten (wir hatten berichtet). Auf Aufforderung weigerte sich der Verfassungsschutz, die Daten zu löschen. Budler klagte, heute entschied das Verwaltungsgericht Göttingen: Der Verfassungsschutz muss löschen. Jedenfalls einen Teil der Daten.

Eigentlich sind Daten ohnehin nach 15 Jahren zu löschen. Um Fristen und Anlässe sollte sich daher die mündliche Verhandlung drehen. Dabei bleibt ein Teil der Daten des Verfassungsschutzes im unklaren. Und dass das so sein muss, haben zuvor schon Ober- und Bundesverwaltungsgericht entschieden: Ohne die Akten offen zu legen, hatten sie in einem in-camera-Verfahren erklärt, dass bei Auskunft über die nicht herausgegebenen Daten das „Wohl des Landes Niedersachsen“ in Gefahr sei und daher die Geheimhaltung rechtens sei. Damit, so Verwaltungsrichter Smollich, bliebe im Ergebnis nur die Verhandlung über die offen gelegten Daten. Auch, was den Grund für ihre Erhebung und Speicherung betrifft, sind nur die offen gelegten Daten zu verwenden.

Überhaupt erhoben und danach gespeichert werden darf nur, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene – also der Journalist Kai Budler – Bestrebungen, „die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind“, unterstützt. So sieht es das Gesetz vor, auf das der Verfassungsschutz seine Arbeit stützt. Daran, dass die gesammelten Daten solche Anhaltspunkte darstellen, kamen vor Gericht große Zweifel auf.

Dass da noch mehr, nämlich die geheimen, Daten sind, das brachte die Vertreterin für den niedersächsischen Verfassungsschutz, Frau Dr. Carl, gern in ihre Vorträge mit ein. Beirren ließ sich das Gericht davon aber nicht. Datum für Datum wurde durchgegangen, was der Verfassungsschutz nach Budlers Ansinnen löschen soll. Da sind polizeiliche Maßnahmen aus den späten neunziger Jahren, die überhaupt erst den ersten Anlass geliefert haben sollen. Das Verfahren, zu dem sie gehörten, wurde allerdings damals bereits von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Und auch Budlers Tätigkeit im Stadtradio sei relevant: Der Spezialist des Verfassungsschutzes für Linksextremismus, Udo Baron, verweist dazu auf die Sendung „red FM“, die es 2000 im Stadtradio gegeben habe. Später wird sich herausstellen, dass diese Sendung eine Akte beim Verfassungsschutz hat. Sie wurde dem Umfeld der „Antifa M“ zugeordnet. Und in dieser Akte stand auch Budlers Name. Budler erinnert sich vor allem daran, dass „red FM“ eine Sendung des Bürgerfunks war. Der ist rechtlich separat vom Redaktionsbetrieb des Stadtradios zu betrachten und komplett selbständig. Budler hingegen war Teil der Redaktion. Dass dieser Punkt so detailliert erörtert wird, hat auch damit zu tun, dass Daten nach niedersächsischen Vorschriften ohnehin nach 15 Jahren zu löschen sind. Und die Speicherung der Zugehörigkeit zum Stadtradio ist eben erst 13 Jahre her.

Die Diskussion über den journalistische Begleitung von Demonstrationen entbrennt nicht wirklich. Dass Budler dort journalistisch tätig war, will jedenfalls der Verfassungsschutz so nie erfahren haben. Außerdem sei natürlich regelmäßig geprüft worden, ob eine Speicherung Budlers Daten noch verhältnismäßig sei. Beides glaubt Budlers Rechtsanwalt Sven Adam dem Verfassungsschutz nicht.

Das Urteil ergeht nach der Verhandlung am Nachmittag: Die Daten, die offen gelegt worden sind, sind zu löschen. Das Gericht kann mit dem, was es wegen der Geheimhaltung der restlichen Daten erfahren konnte, nicht zu dem Schluss kommen, dass eine weitere Speicherung gerechtfertigt ist. „Alle“ Daten zu löschen, das mag es dem Verfassungsschutz nicht auflegen. Denn über die geheimen Daten könne man keine Aussage treffen.

Weiteres Verfahren gegen Polizei Göttingen

Neben dem Verfahren gegen den Verfassungsschutz hatte Budler auch gegen die Polizei in Göttingen geklagt. Dort hatte er sich nämlich ebenfalls nach über ihn gespeicherten Daten erkundigt. In einem ersten Schreiben bekam er daraufhin zu hören, dass es keine Daten über ihn mehr gäbe. Zwei Datensätze hätten sich zwar im Datenverarbeitungssystem „NIVADIS“ befunden, die aber für löschungsrelevant befunden und eben gelöscht worden seien. Später räumt sie in einem weiteren Schreiben ein, die Auskunft sei vielleicht „missverständlich“ gewesen. Aus dem Jahr 2001 waren noch Daten vorhanden. Wie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erläutert wird, seien diese Daten aber archiviert und stünden nicht für Auswertungen zur Verfügung. Wie das nun genau funktioniere und ob die Daten wirklich gar nicht mehr eingesehen werden können, können die Vertreter der Polizei Göttingen nicht erklären.

Dieses Verfahren wird allerdings vom Verwaltungsgericht nicht zugunsten Budlers entschieden. Das hat damit zu tun, dass ein Verwaltungsgericht eine sogenannte Feststellungsklage nur entscheidet, wenn ein Feststellungsinteresse vorliegt. Das ist nicht schon der Fall, weil die Behörde in der Vergangenheit etwas falsch gemacht hat. Es muss auch konkrete Gefahr bestehen, dass es in der Zukunft zu weiteren Rechtsverletzungen kommen könnte. Und da ist die Lage dünn: Zwar hat wiederum erst politischer und medialer Druck die Polizei zu einer Korrektur ihrer ersten Auskunft bewegen können. Aber letztlich hat sie mit der zweiten Mitteilung dann doch korrekt Auskunft gegeben.

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