Versammlungsrecht
Zivilbeamte bitte einmal melden
von Harvey am 6. November 2013 veröffentlicht in Polizei & Justiz, TitelstoryKlägerin und Unterstützer_innen vor dem Göttinger Verwaltungsgericht
Die Göttinger Polizei darf sich nicht mehr unerkannt in zivil unter Demonstrationen mischen. Das hat das Verwaltungsgericht am Mittwoch entschieden. Die Göttinger Anti-Atom-Initiative hatte sich bei dem Gericht über die Anwesenheit von Zivilpolizisten auf ihren Kundgebungen beschwert, die sich nicht zu erkennen gaben.
Drei Kundgebungen der Anti-Atom-Initiative Göttingen standen im Fokus des Prozesses vor dem Göttinger Verwaltungsgericht, der weit darüber hinaus Auswirkungen haben wird. Am 5. September und 10. Oktober hatten sich in Zivilpolizisten unter die Kundgebungsteilnehmer gemischt. Dass verriet schon damals der Einsatzleiter auf Nachfrage der Kundgebungsanmelderin in einem Gespräch. Wer allerdings dort gerade rein dienstlich demonstrierte, verriet er nicht. Für eine dritte Kundgebung konnte das Gericht nicht genau klären, ob wirklich Polizeibeamte in Zivilkleidung im Einsatz waren.
Das niedersächsische Versammlungsgesetz regelt, was die Polizei bei Einsätzen auf Demonstrationen tun darf – und was nicht. Denn, so stellte Richter Thomas Smollich in der mündlichen Verhandlung fest: „Das Versammlungsrecht ist nicht irgendwas – das ist ein Grundrecht!“ Und die Begleitung durch die Polizei kann ein Eingriff in dieses Grundrecht sein, der durch ein Gesetz erlaubt werden muss. In Paragraf 11 schreibt es vor: „Die Polizei kann bei Versammlungen unter freiem Himmel anwesend sein, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. Nach Satz 1 anwesende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben sich der Leiterin oder dem Leiter zu erkennen zu geben.“
Damit könne aber nicht gemeint sein, dass sich auch Zivilbeamte zu erkennen geben müssten, argumentierte der Prozessvertreter der Polizeiinspektion Göttingen vor dem Verwaltungsgericht. Das widerspräche Sinn und Zweck der Vorschrift. Schließlich sei es nötig, dass Beamte „in der Szene“ unerkannt ermitteln könnten. In Demonstrationen würden sie den Verlauf beobachten, etwa ob es wie zuvor bereits geschehen, zu spontanen mobilen Demonstrationen aus Kundgebungen heraus komme.
Dem hat das Verwaltungsgericht nun einen Riegel vorgeschoben: Richter Smollich erklärte es für rechtswidrig, dass sich Polizisten unerkannt in Demonstrationen aufhalten. Damit hat eine jahrelange Praxis der Göttinger Polizei ein vorläufiges Ende gefunden, in Zukunft müssen die Beamten sich zu erkennen geben. Allerdings hat die Polizei noch die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das Urteil einzuleiten.
Die Klägerin fühlte sich durch die Entscheidung des Gerichts in seiner Haltung bestätigt: Für sie ist die Anwesenheit von Zivilpolizisten ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Demonstrationsfreiheit. Die in der DDR aufgewachsene Atomkraftgegnerin prangerte diese Polizeitaktik gar als „Stasi-Methode“ an. „Spitzel“ unter den Teilnehmern schreckten andere von der Teilnahme ab. Da habe man eben „Angst, dann eine Akte zu kriegen“.
Der Argumentation der Klägerinnenseite schloss sich das Gericht letztlich an. Dass es nach Meinung des Vertreters der Polizei jedenfalls „keine größere Einschränkung“ gewesen sei, spielt keine Rolle: Polizeibeamte, die auf Demonstrationen in Zivilkleidung eingesetzt werden, müssen sich zu erkennen geben. Ab jetzt jedenfalls ist das auch gerichtlich bestätigt.
Johannes Hentschel, Anwalt der Klägerin, hat nach dem Ablauf des Verfahrens mit diesem Ergebnis gerechnet. Ob seitens der Polizei wohl noch Berufung eingelegt werden wird, mag er auch wegen des Wechsels in der Landesregierung nicht vorhersagen. Das Gericht hatte die Berufungsmöglichkeit zugelassen, da es sich bundesweit um die erste Entscheidung zu diesem Thema handelt – und wohl auch noch andernorts gängige Praxis der Polizei ist, unerkannt zivile Ermittler in Demonstrationen zu schleusen.
[…] Die Göttinger Polizei darf sich nicht mehr unerkannt in zivil unter Demonstrationen mischen. Das hat das Verwaltungsgericht am Mittwoch entschieden. Die Göttinger Anti-Atom-Initiative hatte sich bei dem Gericht über die Anwesenheit von Zivilpolizisten auf ihren Kundgebungen beschwert, die sich nicht zu erkennen gaben. – Mehr lesen – […]
[…] persönlich zu erkennen geben – so wie es das Gesetz unmissverständlich vorsieht [1, 2, 3]. Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für alle Demonstrationen und Kundgebungen in ganz […]
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[…] Die Göttinger Polizei darf sich nicht mehr unerkannt in zivil unter Demonstrationen mischen. Das hat das Verwaltungsgericht (Niedersachsen) Anfang November entschieden. […] Richter Smollich erklärte es für rechtswidrig, dass sich Polizisten unerkannt in Demonstrationen aufhalten. […] Die Göttinger Anti-Atom-Initiative hatte sich bei dem Gericht über die Anwesenheit von Zivilpolizisten auf ihren Kundgebungen beschwert, die sich nicht zu erkennen gaben. – Mehr lesen – […]