Wahlkampf

Angriff der Klonkrieger
von am 2. September 2011 veröffentlicht in featured, Lokalpolitik

Die Grünen blasen zum Wahlkampf-Angriff auf die SPD und drohen mit Klage, stellen damit aber nur ihr offensichtliches Unverständnis von Recht und Gesetz zur Schau. Am 11. September sind Kommunalwahlen, langsam wird’s ungemütlich.

Während im Rat der Stadt Göttingen die Grünen mit der SPD koalieren, bilden sie im Kreistag eine Gruppe mit der CDU. Obwohl die SPD mit 25 Sitzen sogar über einen mehr als die Christdemokraten verfügt, arbeiten die Kreisgrünen lieber mit der CDU zusammen, die sich dann zum Beispiel für die viel gescholtene Politik gegen Hartz-4-Empfänger_innen verantwortlich zeichnet. Powered by Bündnis90.

Insofern stimmt wohl, was die Göttinger SPD gerade im Wahlkampf behauptet: wer eine rot-grüne Mehrheit im Kreistag statt der bisherigen schwarz-grünen haben will, sollte die Sozialdemokrat_innen wählen. Um diese Botschaft zu visualisieren, hat die SPD ihren Landratskandidaten Bernhard Reuter in eine an die Corporate Identity der Grünen erinnernde Grafik gesteckt und im Internet zur Schau gestellt:


Quelle: Jusos Göttingen

Die Grünen finden das nun überhaupt nicht lustig und geben den Spielverderber. „Siehe da, die SPD macht den Guttenberg“, schreiben sie bei Facebook und drohen postwendend mit rechtlichen Schritten. In einem offenen Brief an den SPD Unterbezirk Göttingen wird dieser aufgefordert, „die Nutzung unserer Kommunalwahlgestaltungslinie sofort zu beenden.“ Das angeblich „urheberrechtlich geschützte Design“ dürfe von der SPD nicht weiter benutzt werden. „Wir werden zusammen mit unserem Landesverband umgehend Urheberrechtsklage einreichen, wenn diese Forderung nicht erfüllt wird“, schimpft Grünen-Geschäftsführer Raymond Rordorf in der Klageandrohung, die den lokalen Medien zuging.


Das vermeintliche Original. Quelle: christel-wemheuer.de

Die Reaktion der Grünen ist dabei nicht nur reichlich ungelassen, sondern auch schlicht heiße Luft. Denn ein „urheberrechtlich geschütztes Design“ von den Grünen hat die SPD nicht verwendet. Das Layout ist zwar augenscheinlich an das der Grünen angelehnt, im Detail aber unterschiedlich. So wird ein anderer Schrifttyp und auch eine andere Schriftfarbe verwendet. Ein Verstoß gegen das Urheberrecht hätte allenfalls dann vorliegen können, wenn die SPD eine Grafik der Grünen kopiert und ihren Landrat hineinmontiert hätte – und selbst dann würde das Wahlkampfmanöver vermutlich unter der legalen Bearbeitung firmieren.

Moralisch wäre der SPD allenfalls vorzuwerfen, sie wolle mit der Grafik Anhänger_innen der Grünen aufs Glatteis führen, weil diese versehentlich Bernhard Reuter für den grünen Kandidaten halten könnten. Angesichts der marginalen Verbreitung des Bildes wäre jedoch auch das schlicht realitätsfern. Alles in allem hätte es nie eine größere Bekanntheit erlangt, hätten die Grünen nicht so beleidigt darauf reagiert.

Die SPD hat bislang noch nicht auf die Klageandrohung reagiert. Dabei hätte sie glorreiche Möglichkeiten: Sie könnte die Grünen wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht verklagen. Schließlich haben diese die SPD-Grafik kopiert und auf Facebook hochgeladen – ein klarer Verstoß gegen die Verwertungsrechte des Urhebers. Inzwischen wurde die illegale Kopie allerdings wieder entfernt.

Merke: mit dem Urheberrecht drohen ist wenn überhaupt nur angemessen, wenn man es verstanden hat. Mit welchen Mitteln hier Wahlkampf gemacht wird, ist mehr als peinlich. Aber vielleicht gehört das ja einfach dazu.

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16 Kommentare auf "Angriff der Klonkrieger"

  1. retmarut sagt:

    Guter Coup der Jusos. Peinliches Auftreten der Grünen.
    Wahrscheinlich das Aufregendste am ganzen bisherigen Kommunalwahlkampf in Stadt und Landkreis – und das sagt schon einiges aus.

  2. Rogue sagt:

    Keine ausreichende juristische Beratung gehabt, die Damen und Herren von den Grünen? Irgendwie auch humorlos, so eine banale Angelegenheit und dann gleich so rumschreien, ‚wir werden euch alle verklagen‘. Eine derart verstockte Haltung kennt man eigentlich nur von der CDU. Aber wahrscheinlich nähern sich die Grünen auch einfach nur ihrem Koalitionswunschpartner an. Bei den Grünen braucht man sich über nichts mehr wundern. Klagen die denn auch bei wegen Verwendung des Parteilogos? Die Aktion der SPD war dagegen ja sogar wohlwollend. Wobei deren Versuch auch eher ein Griff ins Design-Klo war. Grün und blau schmückt die Sau …

  3. resistor sagt:

    Hmm, ich weiß nicht ob das alles so stimmt:
    1. Mich als jemand der sich wenig für Kommunalpolitik interessiert hat das „fake“ eindeutig verwirrt. Ich hätte gedacht, dass es den Kandidaten der Grünen zeigt (einzig die Kravatte passt da nicht so rein…)
    2. Eine Gestaltung unterliegt tatsächlich nicht dem Uhrheberrecht, aber unter Umständen dem Geschmacksmusterschutz. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Grünen ihr corporate identity haben schützen lassen. Es ist außerdem nicht nötig, exakt die gleiche Schriftart zu benutzen um das zu verletzen (z.B. Kievit CDU oder einfach Helvetica), der „Gesamteindruck“ und die pot. Verwechselbarkeit sind entscheidend.
    3. Ein Bild von einer anderen Website bei sich reinzustellen verletzt nicht grundsetzlich das Uhrheberrecht. Das deutsche Recht kennt zwar keinen generellen „fair use“, aber es gibt dennoch Ausnahmen für z.B. Berichterstattung, und für Sachen die im öffentlichen Raum publiziert worden sind (Paradebeispiel sind Fotos von Wahlplakaten während des Wahlkampfs). Vor allem ist aber nicht klar, ob das Bild geschützt ist, da es ja schon wegen der Verletzung des Geschmacksmusterschutzes o.ä. schon „illegal“ sein könnte.

    Das sind aber alles nur unwichtige juristische Gedankenspiele von mir und müsste mal von einem Gericht geprüft werden… Was mir aber wirklich ein bisschen Bauchschmerzen macht ist der Ton des Artikels: Erst macht ihr klar dass ihr die Grünen doof findet (schaut mal hier, die koallieren mit der CDU und beschließen irgendwie Abschiebungen mit), und dann wird der ganze Vorgang polemisch und parteiisch gegen die Grünen dargestellt. Es werden keine Gegenargumente gebracht, und ihr kritisiert nicht, dass die SPD zu schmutzigen Tricks wie fake-Plakaten greift. Ihr ermuntert die SPD ernsthaft zu einer Uhrheberrechtsklage. Ich hätte mir gewünscht, dass ihr in ’nem Nebensatz das blöde parlamentarische System kritisiert, dass taktierendes Wählen nötigt macht. Und zuguterletzt, dass ihr dem Blödsinn, den auch die anderen Parteien machen, mehr Sendezeit einräumt – am besten proportional dazu, wie scheisse sie sind :-). Nicht zuletzt sind die Grünen immer noch die linkeste Partei ohne Lafontaine!

  4. Rakete sagt:

    Beim Geschmacksmusterschutz oder auch dem Markenkenrecht wäre tatsächlich zu prüfen, ob sich das damit beißt. Die Grünen haben sich aber ganz eindeutig auf das Urheberrecht bezogen und sich damit in den Sand gesetzt. Und „ernsthaft“ ermuntern wir die SPD zu gar nichts, das sollte nur die Idiotie des grünen Ansinnens aufzeigen.
    Kritik am parlamentarischen System gab’s hier auch schon: http://monstersofgoe.de/category/goenotvote/

  5. Harvey sagt:

    Ich wollt schon sagen. Die Vorstellung, ich würde mit _irgendeiner_ Partei sympathisieren – abenteuerlich! Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind!

  6. uli-e sagt:

    Keinen der drei gewählt.
    – amtierender Landrat hat bei Bürgerfragestunde die Unwahrheit gesagt „Gab keine interne Mail wegen Kaffemaschine“
    – Wemheuer wegen Hausdurchsuchung Meisterzwang
    – Trotz Empfehlung derer die kein Landrat stellen: SPD betreffend ein Eid abgelegt nie mehr zu wählen ^^

    Politik wird mit Mehrheiten gemacht nicht mit Bestimmern.

  7. Die Mitte erobern! sagt:

    @ resistor: Den aktiven Stadt-Jusos Überschneidungen mit der ADF vorzuwerfen ist nun wirklich reichlich bescheuert. Es gibt zwar leider einige ADFler in der SPD, aber die sind auf Juso-Ebene überhaupt nicht aktiv und würden dort wohl auch nicht geduldet werden.

  8. sascha sagt:

    Über die konkrete rechtliche Verletzung lässt sich trefflich streiten. Aber eines ist klar. Der Kandidat Bernhard Reuter, der mit fairen Wahlkampf und für Rot-Grün wirbt, hat sich damit ziemlich unglaubwürdig gemacht.

  9. Harvey sagt:

    *schief* *schief* irgendwas stinkt hier nach Partei….
    Nee, im Ernst: Wieso sollte das denn etwa „unfair“ sein? Immerhin scheint es doch nun wirklich so zu sein, dass die Grünen auf Kreisebene nur mit der SPD zusammenzuzwingen sind, wenn sie mit der CDU zusammen keine Mehrheit bekommen?

  10. Dietmar Kuhn sagt:

    Als einer der Betroffenen möchte ich mich hier einmal zu Wort melden.

    Ich bin u.a. als Mediengestalter für die Grünen in Göttingen angestellt und habe mit an dem Design mitgewirkt, dass Herr Reuter sich hier angeeignet hat.
    Was ist das denn? Man nehme das Grüne Design, schreibe nicht auf die Anzeige, dass sie von der SPD ist und schriebt irgendwas von rot-grün. Das ist für mich ein Täuschungsversuch! Ich sehe mal von dem geistigen Eigentum ab, egal ob das jetzt justiziabel ist. DAS interessiert ja sowieso anscheinend keinen. FAIRNESS ist das große Wort von Hernn Reuter gewesen. Vielleicht erzählt der Lehrer Reuter das ja auf dem „Celloplakat“ seinen dort abgebildeten Enkeln gerade , wie er Fairness definiert: „Wenn es dir persönlich nützt, dann darfst du andere gerne behumbsen.

  11. retmarut sagt:

    Hui, jetzt wird es aber plötzlich moralisch: Fairness (und das auch noch in BLOCKSCHRIFT)! Wenn wir also in solchen Sphären schweben, dann könnten die Grünen zumindest eingestehen, dass sie ihre Wähler ebenfalls ordentlich „behumbsen“. Sie haben Christel Wemheuer doch allein deswegen als Landratskandidatin aufgestellt, um der SPD Stimmen Stimmen aus dem progressiven Lager abzuziehen. Hauptziel der Grünen ist es schließlich, dass CDU-Kandidatin Dinah Stollwerck-Bauer Landrätin wird. Bekanntlich bilden Grüne und CDU auf Kreisebene seit Jahren eine feste Koalition, die beide Partner auch weiterführen wollen. – Und mit CDU-Landrätin im Hintergrund gibt’s dann auch keine Störgeräusche.

    Daher ist die Aussage der Jusos durchaus richtig: Wer politisch rot-grün will, muss den SPD-Kandiaten Bernhard Reuter wählen.

    Die Grünen haben berechtigterweise Angst, dass ihre eigene Stamm- und v.a. Neuwählerschaft (und das sind ja beileibe nicht alles nur Grüne) die taktischen Spielchen durchschaut und zur Verhinderung einer CDU-Landrätin dann doch die SPD wählt.

    Die Grünen sollten sich also mal nicht so aufplustern in ihrem Moral-Geheul, denn ihr Deal bzgl. Landratsamt kann mit Moral-Geheul ebenfalls als grobe „Wählertäuschung“ angeprangert werden.

    Aber mal ehrlich: Es geht bei Parlamentswahlen doch nicht um Moral, sondern schlicht um den Anteil am Kuchen. (tw: Bäckerei selbst steht übrigens noch mal ganz woanders.)

  12. Rakete sagt:

    Wenns dabei um Fairness gegangen wäre, warum war dann davon in der Pressemitteilung nicht die Rede? Da ging es nur um’s angeblich verletzte Urheberrecht, mit dem man wohl kaum einen verbisseneren und altbackeneren Umgang an den Tag legen kann, als die Grünen das hier in diesem Fall getan haben. Der Ruf nach der Autorität kam auf jeden Fall schneller, als ich erwartet hätte, gerade von den Göttinger Grünen.

  13. Harvey sagt:

    Aber die SPD ist natürlich schon zu Kreuze gekrochen. Naja, bei der Partei nicht wirklich überraschend, diese Scheu vor Auseinandersetzung, aber trotzdem schade. Ist ja aber egal, da ordentlich verbreitet und dann noch mal von den Grünen PR-Spezialisten mit Wucht in den Streisand-Effekt-Shit-Fan gehievt.
    http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/Uebersicht/Reaktion-auf-Plakat-Streit

  14. Rakete sagt:

    „In Internetforen wird heftig diskutiert“ !

  15. retmarut sagt:

    Im heutigen GT auf S. 11 hat die SPD noch mal eine viertelseitige Anzeige mit dem Slogan „Wer Rot-Grün will, wählt Bernhard Reuter!“ geschaltet. Auch hier auf grünem Untergrund mit der dezenten Message im Hintergrund „Jetzt auch in Rot!“.
    Mal schauen, ob die Grünen jetzt wieder aufheulen. 😉

    Und damit auch ja keine „Verwechslungen“bei der ökoliberalen Wutbürgerpartei aufkommen, hat die SPD sogar noch (fairness, fairness, fairness!) in die Anzeige gesetzt: „Achtung: Dies ist eine Anzeige des SPD-Unterbezirks Göttingen“.

    Wie gesagt: Jede Stimme für die Grünen bei der Landratswahl ist de facto eine Stimme für die CDU-Kandidatin.

    (… aber die Bäckerei steht weiterhin ganz wo anders. Nur um mal die Relationen bei dieser Kommunalposse zu wahren.)

  16. Fernseherin sagt:

    Wusste gar nicht dass sich hier so viele Demokraten tummeln die dieser Firlefanz interessiert. Wenns nach mir gegangen wäre hätten wir nie darüber berichtet. Irgendwie ist doch wohl klar dass diese ganze Nummer lediglich Presserummel erzeugen sollte, und da hat MoG jetzt unnötigerweise auch noch mitgespielt… ich hätte mir gewünscht, dass das bestenfalls satirisch abgehakt wird.

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